Übergang: 6 QuadratmeterDichter Innenteil

Meine Wohngeschichte, Teil 7

Seit langem wünscht sich Hans Wurst eine eigene Gemeindewohnung. Warum es für den gebürtigen Wiener bisher unmöglich war sich dafür zu «qualifizieren» erzählt er in dieser Augustin-Serie. In der vorigen Folge schilderte er, wie er eine Zuweisung zum Wohnheim Siemensstraße in Floridsdorf erhielt. So ging´s weiter:

Grafik: © Karl Berger

Also fuhr ich in die Siemensstraße*. Als ich dort vorm Haus stand, war ich ganz und gar nicht glücklich. Das Haus machte auf mich einen trostlosen Eindruck, aber ich dachte mir, Augen zu und durch. Also läutete ich. Es ging ein Fenster auf, eine Dame schaute raus und meinte: Gehen Sie doch zur Türe.

Drinnen gab es einen kleinen Raum, wo sich die Betreuer_innen befanden. Die meisten hatten eine graue Uniform an, wo draufstand «Betreuer». Ich fühlte mich gleich wie im Knast, da tragen ja die Justizwachebeamten auch eine graue Uniform.

Ein Betreuer saß hinter einem Schiebefenster, das er öffnete, und er fragte, ob ich einen Ausweis dabei habe. Ich antwortete, dass ich einen Ausweis habe und fragte ihn: Haben Sie auch einen Ausweis? Schließlich wollte ich ja auch wissen, mit wem ich es zu tun habe, und ich habe mir gedacht: gleiches Recht für alle. Dies nahm der Betreuer leider nicht mit Humor. Er nahm meine Daten auf und gab mir dann einen Vertrag mit 2 oder 3 Seiten, den ich unterschreiben sollte. Ich sagte: Bevor ich unterschreibe, möchte ich mir den Vertrag durchlesen. Das gefiel ihm nicht, und er machte sein Glasfenster wieder zu, unterdessen wollte ich mir den Vertrag in Ruhe durchlesen, aber er war doch so lang, dass ich ihn einfach überflogen habe und schließlich unterschrieb.

Während der Betreuer noch ein paar Unterlagen vorbereitete, zeigte mir ein freundlicher Beamter mein Zimmer, die Küche, Dusche, WC und den Müllraum. Er machte mich darauf aufmerksam, dass hier Müll getrennt wird. Dies nahm ich zur Kenntnis.

Danach ging ich wieder zum Betreuer, der hinter der Glasscheibe saß. Er gab mir meinen Meldezettel und meinte in einem ziemlich strengen Ton, dass ich drei Tage dafür Zeit habe den Meldezettel wiederzubringen, und dann machte er mich noch darauf aufmerksam, dass hier eine Anwesenheitspflicht herrscht, sprich, wenn ich länger als drei Tage außer Haus bin, muss ich das melden, und dass sie sehen wollen, dass ich hier tatsächlich auch schlafe.

Kurz zu meinem Zimmer, in dem ich wohne: Es ist zirka 6 Quadratmeter groß. Also gleich groß wie eine Zelle, nur, dass die Gitterstäbe fehlen. Ich darf/muss dafür 204 Euro im Monat bezahlen. Wenn ich jetzt den Vergleich mache: Davor habe ich 7 Jahre in der Wohnung von einem Bekannten gewohnt auf zirka 33 m2 für 235 Euro im Monat. 204 Euro für 6 Quadratmeter sind meiner Meinung nach schon recht viel.

Am nächsten Tag brachte ich den Meldezettel, und gleichzeitig sagte ich, dass ich jetzt eine Woche außer Hauses bin. Ich war bei meiner Lebensgefährtin, da sie zur Zeit eine Ausbildung macht und jemanden für die Kinderbetreung braucht.

Meine Eindrücke

Jetzt bin ich den ersten Tag richtig im Haus, inklusive meiner ersten Nacht. Meine Eindrücke: Im Haus wohnen nur Männer, da es ein reines Männer-Wohnheim ist. Die einzigen Frauen, die hier ein- und ausgehen, sind entweder Damen, die die Reinigung machen – die sind sehr freundlich und lustig –, und Betreuerinnen und Sozialarbeiterinnen. Mit meiner zuständigen Sozialarbeiterin hatte ich heute kurz das Vergnügen beim Journaldienst, weil ich wissen wollte, was mich ungefähr erwarten wird. Das Gespräch verlief sehr gut, nur hat mich geschockt, dass sie meinte, dass es durchaus möglich sei, dass ich erst 2020 eine Wohnung bekomme. Das macht mich nicht gerade sehr froh, wenn ich dran denke, dass ich hier vielleicht 2 Jahre verbringen muss. Ich soll auch zirka 10 Prozent von meinem Einkommen sparen – das sind ungefähr 86 Euro im Monat –, und dass ich das belegen soll, was ich gespart habe. Ich erfuhr, dass sie mich beobachten wollen und schauen, ob ich mein Zimmer sauber halte, ob ich gepflegt bin, ob ich meine Termine einhalte und ob ich auch pünktlich die Miete bezahlen kann. Mit einem Wort, ich komme mir vor wie ein Tier im Zoo, das beobachtet wird. Na, das sind ja schöne Aussichten.

Aber Näheres erfahre ich dann, wenn ich meinen Termin bei ihr habe. Sie sagte mir außerdem, dass sie auch noch sehen wollen, ob ich selbst auf Wohnungssuche bin. Das geht allerdings etwas schwer hier im Haus, weil es kein offenes W-LAN gibt. Es gibt nur zwei PCs mit Internetanschluss in einem Aufenthaltsraum, wo man wegen jedem Schas – Verzeihung wegen der Ausdrucksweise, aber was anderes fällt mir dazu nicht ein – immer zum Betreuer hinter der Glasscheibe gehen muss, um z. B. eine Maus für den PC zu holen, oder wenn man die Hantelbank benutzen will, muss man sich einen Schlüssel für die Kette, an dem die Gewichte dran sind, holen. Das Einzige, wofür man keinen Schlüssel braucht, sind die Bücher im Aufenthaltsraum und der große Fernseher, der dort steht.

Nochmal zu den Bewohnern hier im Haus. Da höre ich unterschiedliche Geschichten. Der eine oder andere ist schon länger hier, manche wollen auch angeblich hier nicht ausziehen. Warum, ist mir jetzt völlig unklar, ich weiß nur für mich, dass ich hier so schnell wie möglichst wieder raus möchte und dass ich auf dem schnellsten Weg eine Wohnung möchte.

Den Teamleiter habe ich ebenfalls heute kennengelernt, er macht einen sehr freundlichen Eindruck auf mich, und laut seinen Angaben liest er den AUGUSTIN auch. Ich bin ja mal gespannt, was er zu meinem Artikel sagt.

Und ich möchte noch erwähnen, der Beamte, der in meinen Stock die Aufsicht hat, ist ein ganz feiner Kerl, den habe ich schon richtig lieb gewonnen, und das meine ich auch so.

Perspektiven

So nachdem ich euch über meine ersten Eindrücke von der Siemensstraße berichtet habe, folgt jetzt der 2. Eindruck und wie es mir so geht in dem Haus und wie meine Perspektiven in Richtung Gemeindewohnung aussehen.

Jetzt wohne ich seit wenig mehr als 1 Monat in der Siemensstraße. Mit den 2 Teamleitern, die im Haus arbeiten, komme ich sehr gut zurecht. Da ist eine sehr gute Gesprächsbasis entstanden. Sie haben mir geholfen, mich hier gut einzuleben. Und auch einige Mitbewohner aus dem Haus haben mir dabei geholfen. Wer mich kennt, weiß, dass ich ein sehr kontaktfreudiger Mensch bin. Ich interessiere mich halt sehr für meine Mitmenschen, mit dem einen oder anderen könnte sich ja durchaus eine längerfristige Freundschaft entwickeln. Man wird eh sehen, wie sich das alles entwickelt. Ich entwickle mich natürlich auch weiter, denn das ist ein normaler Prozess im Leben.

Ich wohne im 4. Stock in diesem Haus. Meine Nachbarn kommen aus ganz unterschiedlichen Ländern. Mit den Mitbewohnern aus Afrika bzw. Nordafrika verstehe ich mich sehr gut. Ein weiterer Punk lebt noch im Haus, den ich schon ein wenig kenne. Es ist auch sehr angenehm für mich, weil ich da jemanden im Haus habe, der mit mir politisch gesehen auf der gleichen Wellenlänge ist. Dann gibt es dann noch ein paar andere nette Mitbewohner, mit denen ich auch schon gute Gespräche geführt habe.

Mit den Betreuer_innen, die hier im Haus arbeiten, komme ich im Großen und Ganzen auch recht gut zurecht. Sicherlich gab es schon die eine oder andere verbale Auseinandersetzung, aber es war nichts Tragisches.

Jeder der 200 Bewohner hier hat seine ganz eigene Geschichte, warum er hierher bzw. warum er in diese Situation geraten ist, die für viele wohl auch nicht die angenehmste ihres Lebens ist. Ich merke es bei mir persönlich auch, dass ich in dieser Situation drinnen stecke, leider, und das das höchstwahrscheinlich der einzige Weg ist für mich, um an eine Gemeindewohnung zu kommen, und da braucht man schon einen sehr starken und halbwegs klaren Kopf. Denn ab und zu geht man an seine persönlichen Grenzen, mental gesehen, meine ich. Aber meine Freunde und Bekannten sprechen mir Mut zu, was mir gut tut und es mir auch nochmal ein wenig leichter macht, das zu ertragen.

Mein erster Hauptwohnsitz

Wenn ich ein Glück habe, bekomme ich frühestens in 5 Jahren meine Gemeindewohnung. Weil ich erst jetzt, nach fast über 20 Jahren in Wien, meinen ersten Hauptwohnsitz vorweisen kann. Bisher hatte ich nur eine Kontaktstellenmeldung, und die ist beim Antrag auf eine Gemeindewohnung quasi nichts wert, leider. Aber das mit der Hauptwohnsitzmeldung wurde einem auch nicht einfach gemacht, dank gewisser Herrschaften, die die Melde-Richtlinien verschärft haben, vor allem, wenn es um Menschen geht, die Mindestsicherung beziehen. Da bin ich auch betroffen.

Ich brauche jetzt zuerst einmal 2 Jahre Hauptwohnsitz in Wien, durchgehend, dann brauche ich noch 3 weitere Jahre Aufenthalt in Wien. Paradoxerweise habe ich mich ja seit vielen Jahren in Wien aufgehalten, aber lustiger- bzw. traurigerweise gilt das erst ab der ersten Hauptwohnsitz-Meldung, und die ist leider erst Mitte März 2018 zustande gekommen.

Jetzt wohne ich vorerst in der Siemensstraße, bis der nächste Wohnungs-Platz frei wird. Seit ein paar Wochen stehe ich auf 3 Wartelisten für diverse andere Wohnprojekte. Mein persönlicher Favorit wäre eine Kleinstwohnung irgendwo in Wien. Aber letztendlich werde ich eh sehen, wo ich da landen werde.

* Haus Siemensstraße ist ein Übergangswohnhaus für wohnungslose Männer

Nach unzähligen Umzügen und zeitweiliger Obdachlosigkeit versucht Hans Wurst eine Gemeindewohnung in Wien zu bekommen. Hans (es handelt sich um ein Pseudonym) war Augustin-Verkäufer und schreibt u. a. über seine Wohnungsgeschichte, die in mehreren Teilen im Augustin erscheint, zuletzt in der Ausgabe 460.

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