Bewaffnetes Brauchtumvorstadt

Zum Nationalfeiertag landen Aliens am Heldenplatz

Volksfeststimmung an Kriegsgerät, Hot-Dogs und Bier, Trachten, Uniformen und Luftballons, Kinderprogramm zwischen Maschinengewehren und Panzern. Bewaffnetes Brauchtum: Das ist der Nationalfeiertag in Österreich.

Text und Fotos: Kay von Aspern 

Ich bin Fotograf und komme aus Schleswig-Holstein, dem nördlichsten deutschen Bundesland. Seit zwölf Jahren lebe ich in Wien. Das erste Mal habe ich 2008 die Leistungsschau des Bundesheeres und die öffentlichen Angelobung der Rekruten am Heldenplatz erlebt. Sofort habe ich das fotografische Potenzial erkannt, das diese Veranstaltung birgt, und komme fasziniert jedes Jahr wieder. Die anfängliche große Irritation ist weg, mein Erstaunen über das Spektakel und darüber, wie begeistert die Menschen mit Panzern und Kanonen auf Tuchfühlung gehen, ist geblieben. Die Überlegung, was die Motivation der Besucher_innen und die Ursache für diese Begeisterung sein könnte, beschäftigt mich. Hat es vielleicht mit der Geschichte von Österreich zu tun, diesem kleinen Land, das nach dem Auseinanderbrechen der Monarchie und den beiden Weltkriegen übrig geblieben ist? Ist man an diesem Tag wieder «groß» und kann Nationalstolz zeigen? Vielleicht fühlen sich die Menschen angesichts der beeindruckenden Maschinerie sicher und gut beschützt im eigenen Land. Oder trifft nichts von alledem zu? Gibt es keine tiefer gehende Erklärung? Wollen die Leute einfach nur einen entspannten Feiertag verbringen und sich unterhalten? Egal womit? Aus Deutschland kenne ich ein solches Spektakel am Nationalfeiertag (Tag der deutschen Einheit) nicht. In Berlin beschränkt sich der Schwerpunkt auf das Zeigen der Nationalflagge, Konzerte und Partys. Ich frage mich, was wohl andere neu Zugewanderte oder die Tourist_innen denken, wenn sie an diesem Tag über den Heldenplatz spazieren: mit großen Augen, ähnlich wie ich an meinem ersten 26. Oktober in Wien.