Zerbrochene Träumetun & lassen

In Österreich weint man immer noch dem Kaiser nach. Die Schwarz-Gelbe Allianz will gar die Republik als Staatsform über­denken. Lena Öller ließ sich bei einer kaiserlichen Tasse Kaffee erklären, warum das Land einen Monarchen braucht. Foto: Lisa Bolyos

In der Nußdorfer Straße im neunten Wiener Gemeindebezirk befindet sich die Kaffee-Konditorei Monarchie; ein Lokal, das Altwiener Grätzelcharme und imperialen Prunk vereint. Kronleuchter, Holzvertäfelungen und zahlreiche Gemälde von Kaiser Franz Joseph dominieren die Inneneinrichtung. Auch ein Münztelefon findet man im Café, doch der Apparat ist nicht die einzige Rarität: Am zweiten Freitag des Monats stößt man hier auf Anhänger_innen einer Bewegung, die in Österreich wieder die Monarchie einführen möchte. In der Vergangenheit zu schwelgen ist Nebensache – man will in die Politik.

Kaiser statt Präsident.

Ein älterer Herr mit Sakko und schwarz-gelb gestreifter Krawatte betritt das Café, schaut sich um und legt die rechte Hand auf seine Brust. Stolz wendet er sich den Gästen zu: «Sehen Sie her, ja, ich bin ein Monarchist!» Es ist ein Ururenkerl des Kaisers Franz Joseph, Peter zu Stolberg-Stolberg, selbst Teil einer Fürstenfamilie und überzeugter Unterstützer der monarchistischen Bewegung. Einige Gäste blicken gespannt auf, ob sie begeistert oder belustigt sind, lässt sich nicht sagen.
Zum monarchistischen Stammtisch der Schwarz-Gelben Allianz, kurz SGA, sind heute etwa ein Dutzend Mitglieder gekommen, die Gruppe ist bunt gemischt: Alt und Jung, elegant und leger, überzeugt und kritisch treffen hier aufeinander. Es wird diskutiert. Über die Vergangenheit, die Gegenwart und die Zukunft Österreichs. Am Tisch liegen zahlreiche Infobroschüren, Monarchie-Aufkleber und ein Kaiser-Kalender.
Im Vergleich zu anderen monarchistischen Verbänden in Europa ist die SGA nur mäßig erfolgreich. Die tschechischen Monarchist_innen schafften es einst sogar ins Parlament. «Gründen wir mit den Tschechen eine Partei und überrollen Europa!», scherzt ein glatzköpfiger Herr mit Brille.

Beschützer statt Parlament.

Laut einer Umfrage des SORA Instituts stimmen 87 Prozent aller Österreicher_innen der Aussage zu: «Demokratie ist die beste Staatsform, auch wenn sie Probleme mit sich bringen mag.» Jedoch ist der Anteil jener Menschen mit autoritären Demokratievorstellungen, die sich unter bestimmten Umständen einen «starken Führer» sowie die Einschränkung demokratischer Rechte vorstellen können, gewachsen. Zwischen 2018 und 2019 von 34 auf 38 Prozent.
Laut eigenen Angaben zählt die SGA derzeit ein paar hundert Mitglieder. Neben langjährigen Unterstützer_innen sind am Stammtisch heute auch neue Interessierte vorbeigekommen. Nicole Fara, die Obfrau der SGA, erklärt: «Wir sind ein politischer Verein, der anstrebt, die Monarchie in Österreich wieder etablieren zu können – auf demokratischem Wege.» Ziel sei eine konstitutionelle Monarchie. Parlamentarisch, wie etwa die britische Monarchie aufgebaut ist, wäre nicht ideal. «Die haben praktisch nichts zu sagen. Sie müssen zwar jedes neue Gesetz absegnen, und da könnten sie sich auch weigern, aber das machen sie in der Regel nicht», kritisiert Fara.
Die SGA versteht einen Monarchen als Beschützer der Bevölkerung vor den Politiker_innen. Ein Kaiser würde ein Gegengewicht zu den Großparteien darstellen, denn: «Ein Monarch denkt über die Legislaturperiode hinaus und handelt immer zum Wohl des Staates», heißt es am Stammtisch.

Wir sind Karl.

Wer den nächsten Kaiser stellen würde, weiß man jedoch nicht. «Es ist nicht unsere Aufgabe, denjenigen auszuwählen. Wir wollen nur, dass es jemand aus dem Erzhaus Habsburg ist. Erzherzog Karl ist derzeit das Oberhaupt und er wird das bestimmen», meint die Obfrau, die als Buchhalterin in der Privatwirtschaft arbeitet. Karl Habsburg selbst hat sich dazu bisher nicht geäußert.
Auf die Frage, ob man denn glaubt, dass sich die Mehrheit der Österreicher_innen überhaupt mit einem Monarchen aus der Familie Habsburg identifizieren könne, meint Frau Fara, man müsse nur die bestehenden europäischen Monarchien anschauen. «Die lieben alle ihr Königs- oder Fürstenhaus.» Herr Stolberg übernimmt das Wort: «Der Habsburg-Kannibalismus hat dazu geführt, dass die gesamte Geschichte Österreichs schlecht gemacht wurde. Das ist ein großer Nachteil für unser Land.»

Des Kaisers neue Kosten.

Das Argument, dass eine Adelsfamilie an der Staatspitze Österreich sehr teuer kommen würde, lässt die SGA nicht gelten. Die britische Monarchie steige mit einem großen Plus aus, das Fürstentum Liechtenstein komme aufgrund der Besitztümer und Unternehmen des Adelsgeschlechts ohne Finanzierung durch Steuern aus. «Derzeit gibt es auch einen Bundespräsidenten, der alle sechs Jahre neu gewählt und bezahlt werden muss», meint Nicole Fara. Eine Monarchie würde Österreich wirtschaftlich sogar guttun, ist man überzeugt, und auch für den Tourismus sei sie höchst förderlich. «Die meisten Touristen kommen wegen den kaiserlichen Bauten nach Wien. Keiner fotografiert die modernen Gebäude oder kauft sich was vom Kreisky», ergänzt Stolberg.
Die Ideen der SGA gehen indes weit über die Staatsgrenzen hinaus. Erklärtes Ziel: Neuauflage der Donaumonarchie. Man möchte mit den ehemaligen Kronländern zusammenarbeiten und ein Gegengewicht zu den großen EU-Staaten Deutschland und Frankreich bilden. «Die EU als Machtblock in der politischen Szene ist nichts Schlechtes. Aber diese Gleichmacherei, die hält keiner aus. Lassen wir es lieber bei den alten österreichischen Grenzen, die haben sich immer gegenseitig gestützt», so Stolberg. Und Fara ergänzt: «Lieber einen Monarchen als sechs Präsidenten – die auch noch alle verschiedener Meinung sind.» Ob sich Staaten wie Ungarn und Tschechien eine Herrschaft unter den Habsburgern gefallen lassen würden? Die SGA ist überzeugt davon. Zum 2. Europäischen Monarchisten-Kongress, der Anfang November in einem Hotel bei Schönbrunn stattfand, kamen monarchistische Vereine aus ganz Europa, von Tschechien bis Russland, auf Wienbesuch. Debattiert wurde neben dem geplanten Staatenbund auch über die Friedensverträge von Versailles und die Enteignung der Habsburger_innen. Videos der Vorträge wurden nach dem Kongress im Internet verbreitet – auf der umstrittenen Videoplattform gloria.tv, die von Qualitätsmedien bereits mehrmals aufgrund diskriminierender und rassistischer Inhalte sowie der Verbreitung von Verschwörungstheorien kritisiert wurde.

Volk ohne Adel.

Die Diskriminierung des Adels wird im Jargon der SGA als Verletzung der Menschenrechte bezeichnet. Peter Stolberg, auf den, wären Adelstitel in Österreich noch erlaubt, die Bezeichnung Graf zutreffen würde, beharrt darauf, dass es wichtig ist, nicht alle Menschen als gleich anzusehen. Im Endeffekt wäre das Adelsverbot auch ein Problem für die durchschnittliche Bevölkerung: «Das Volk wird genötigt, auf seine Geschichte zu verzichten.» Er selbst fühlt sich seiner Familiengeschichte beraubt. «Warum musste ich einen Teil meines Namens abgeben?», fragt er etwas empört. Wie ist es denn so, ein Adeliger zu sein? «Nun ja, es verpflichtet uns zu prinzipiellem Anstand einerseits, aber es gibt uns adeligen Familien auch ein gewisses Ansehen, welches sie meist über viele Generationen durch gutes soziales Regieren verdient haben.» Am Stammtisch in der Kaffee-Konditorei Monarchie ist Herr Stolberg, der lange als Lobbyist im Parlament tätig war, der einzige, der einer adeligen Familie angehört. «Unsere Mitglieder sind sehr unterschiedlich», sagt Nicole Fara. Hier und da gäbe es auch ein paar Spinner, zum Beispiel Leute, die in Uniform daherkommen und für eine Wiedereinführung der Monarchie gleich den Krieg eröffnen wollen. «Einmal hatten wir auch jemanden, der überzeugt davon war, der Kaiser von Österreich zu sein. Und wenn wir in Wahlkampfzeiten mit unseren Ständen unterwegs sind, dann reden die Leute auch mal blöd, aber das muss man mit Humor nehmen.»
Österreich wird wieder eine Monarchie werden, da ist sich die Obfrau der Schwarz-Gelben Allianz sicher, auch wenn es noch mehrere Generationen dauert. «Ich bin überzeugt davon, dass die Bevölkerung etwas braucht zwischen Himmel und Erde, solange wir geboren werden und sterben. Gerade jetzt, in dieser kritischen Zeit.»