Zerschnittenes Landtun & lassen

Sachbuch: eine Geschichte Amerikas

Die Geschichte der US-amerikanischen Westexpansion ist die Geschichte der Vertreibung und Ermordung der Indigenen oder «First Peoples» – aber auch jene ihres anhaltenden Widerstands. Mit Verlorene Welten legt der Schweizer Historiker Aram Mattioli ein großartiges Buch dazu vor.

Die Gleise der transkontinentalen Eisenbahnen zerschneiden das Land und bringen immer neue Siedler_innen nach Westen. Das Grundprinzip ist meist recht ähnlich: Weiße errichten im bereits bewohnten Land Siedlungen; es kommt zu Konflikten mit den Native Americans. Die US-Armee wird gerufen, deren überlegene Waffen entscheiden den Kampf. Die First Peoples werden weiter nach Westen verdrängt. Bislang unbekannte Krankheiten werden eingeschleppt, die US-Armee zerstört systematisch Felder und Dörfer. Die Gier nach Gold lockt Mitte des 19. Jahrhunderts hunderttausende Glücksritter nach Kalifornien. Und immer wieder verdichten sich die ständigen Übergriffe und Morde an Native Amercians zu veritablen Massakern.

Nicht einmal komplette Anpassung hilft: In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts akzeptieren viele Cherokee im Gebiet des heutigen Georgia die Dominanz der Weißen, werden Farmer und konvertierten zum Christentum. Der Silberschmied Sequoyah entwickelt ein ausgeklügeltes Silbenalphabet in der Cherokee-Sprache. 1827 (während in Europa der Absolutismus regiert) formulieren die Repräsentant_innen der Cherokee sogar eine eigene demokratische Verfassung mit Zweikammersystem, Gewaltenteilung und Religionsfreiheit. Alles umsonst. Obwohl der Oberste Gerichtshof ihnen im Streit mit dem Staat Georgia und dem US-Präsidenten recht gibt, werden die Cherokee von der US-Armee aus ihren Gebieten vertrieben.

Verlorene Welten ist trotzdem kein depressives Buch. Einfühlsam und mit wissenschaftlicher Genauigkeit gelingt es dem Autor, die vielfältigen Formen des indigenen Widerstandes zu schildern und eine Weltsicht zu vermitteln, die ein gemeinschaftliches Leben in Freiheit und Würde höher schätzt als das maßlose Streben nach individuellem Profit.

Aram Mattioli:

Verlorene Welten. Eine Geschichte der Indianer

Nordamerikas 1700–1900

Klett-Cotta 2017

464 Seiten, 26,70 Euro