Pfiffige Projekte vom Kollektiv Assemble im Architekturzentrum Wien
Ein Haufen von Wunderwuzzis oder nur eine Modeerscheinung? «Assemble» ist jedenfalls in aller Munde, und das Architekturzentrum Wien (Az W) zeigt gar die weltweit erste Überblicksausstellung des Londoner Kollektivs. Reinhold Schachner ließ sich teilweise beeindrucken.
Foto: Morley Von Sternberg
Zu zehn Projekten in der noch kurzen Geschichte von Assemble sind Rauminstallationen im Ausstellungssaal des Az W errichtet worden. Manches ist beeindruckend und richtungsweisend, manches wirkt banal. Es wird nicht gleich alles zu Gold, was die Mitglieder von Assemble angreifen, das eine oder andere aber sehr wohl, sogar buchstäblich gemeint, wie der Tyvekstoff, der für die Außenwände eines temporären Kinosaals verwendet wurde.
Mit diesem ersten Projekt startete Assemble auch gleich einen fulminanten Erfolgslauf. 18 Absolvent_innen unterschiedlicher Studienrichtungen wie Literaturwissenschaften, Geschichte, Soziologie und Architektur der Universität Cambridge fanden sich im Jahr 2010 zusammen, um aus einer aufgelassenen Tankstelle in London für sechs Wochen ein Kino entstehen zu lassen. Eine Kunsttankstelle ist per se nichts Neues gewesen, siehe Grundsteingasse 45–47 in Ottakring. Der Unterschied: Assemble hatte die Möglichkeit, in eine andere Dimension vorzustoßen. Das Kollektiv mobilisierte über einhundert Freiwillige zum Umbau und verpasste mit deren Hilfe einer Tankstelle mit einfachsten Mitteln einen glamourösen Touch. Ein goldgefärbter Vliesstoff aus Polyethylen fand als Trennwand zur Straße hin Verwendung, und aufs Dach wurde im Neonschriftzug der Name des temporären Kinosaals gepflanzt: «The Cineroleum». Az-W-Leiterin Angelika Fitz sprach bei der Ausstellungseröffnung daher von einem «Low-Budget-Filmpalast», der auch unter dem Blickwinkel eines Rechts auf Schönheit, auf Glamour für die Durchschnittsbevölkerung betrachtet werden müsste, denn dieser Aspekt schwinge bei Assemble immer mit.
Für Fitz ist «Assemble.
Wie wir bauen» die erste Schau im Amt als Direktorin des Az W – und man kann daraus auch eine politische Haltung ablesen. Urbane Räume sind noch nicht komplett zur Spielwiese für Immobilien-Entwickler_innen geworden. Von Assemble kann man lernen, dass zumindest in Nischen eine (Stadt-)Entwicklung und ein Bauen von unten möglich ist. Voraussetzungen, die man dafür mitbringen müsste: Hirnschmalz und eine große Portion einer Nix-scheißen-Mentalität, wie wir sie gerade von den kommerziellen Entwickler_innen, siehe Heumarkt, kennen.
Ein Manifest braucht es nicht.
Anfangs sei ein längerfristiges Zusammenarbeiten nicht geplant gewesen, erzählt Lewis Jones, der neben Maria Lisogorskaya in Wien Assemble vertritt. Und so etwas wie ein Manifest liege dem Kollektiv auch nicht zugrunde. Nach dem großen Erfolg vom Cineroleum ist die Gruppe im Großen und Ganzen beieinander geblieben und initiierte und entwickelte ein Projekt nach dem anderen. Es folgten aber auch Aufträge, wie beispielsweise für eine Brauerei in Japan.
Katharina Ritter, die mit Angelika Fitz die Ausstellung kuratierte, weist darauf hin, dass es Assemble nicht nur darum gehe, zu bauen, sondern auch darum, mit und für Menschen Orte zu schaffen und bringt als Beispiel den Abenteuerspielplatz Baltic Street, bei dem Kinder zu «Baumeister_innen» gemacht wurden und im Sinne von Work in progress eingeladen sind, ständig weiterzubauen, getreu dem Motto: «Better a broken bone than a broken spirit».
Mit dem Projekt «Granby Four Streets» holte sich Assemble im Jahr 2015 gar den anerkannten Turner-Preis. Grob gesprochen ging es dabei zunächst um eine kostengünstige Revitalisierung eines Arbeiter_innenviertels in Liverpool. Aus den anfänglichen (Recycling-)Workshops zum Türknöpfe-, Lampen- oder Fliesenbrennen im – ohne Schmäh – Kugelgrill entwickelte sich ein Unternehmen. Mittlerweile zeichnet Assemble für drei Unternehmen verantwortlich und hat in diesem Studienjahr zum Drüberstreuen auch eine Gastprofessur an der TU Wien inne.
Mit den Studierenden wurde zunächst erhoben, was an der (historischen) Wiener Stadtarchitektur essenziell gewesen sein könnte. Dabei sei man schnell auf den Ziegel gestoßen, so Lewis Jones. Jetzt wird auch klar, warum im Hof 7 des Museumsquartiers, wo das Az W untergebracht ist, plötzlich ein wuchtiger Pavillon aus Ziegeln aufgetaucht ist. Assemble ist mit den Studierenden in die Praxis übergegangen. Das Resultat wird «BRICKerl» genannt. Es wäre aber nicht Assemble, würde dieser Ziegelbau seine Festigkeit wie sonst üblich durch Mörtel erhalten haben. Es geht auch ganz anders, indem man die Ziegel zusammenbindet. Der Vorteil dabei: Der Pavillon kann, wenn er ausgedient hat, wieder problemlos abgetragen werden.
In Richtung Zauberei.
Aber nicht jedes Projekt ist ein großer Heuler. Manches wirkt gar zu banal für eine Architekturschau. Kostengünstig errichtete und niederschwellig benützbare Gemeinschaftsateliers etwa zählen längst zum Inventar einer Großstadt, das bräuchte nicht extra gezeigt werden. Andersrum betrachtet verraten orthodoxe Arbeiten, dass die Mitglieder von Assemble auch nur mit Wasser kochen, aber wehe, sie bekommen Reissäcke zwischen die Finger, wie für den Bau des kleinen freistehenden Konzert- und Proberaums OTO. Das geht dann doch in Richtung Zauberei. Details dazu in der Ausstellung.
Bis 11. September
azw.at
assemblestudio.co.uk