Zügelung „krimineller“ EnergienArtistin

Frauenhäfen Schwarzau: Viel Kunst zum Geburtstag (1)

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Zwischen 18 und 30 Jahren ist die kriminelle Energie bei Frauen am höchsten, sagt der Anstaltsleiter. Na ja, da ist die Energie wohl überhaupt am größten. Im Frauengefängnis Schwarzau wurde den Gefangenen der Kinofilm Vier Minuten vorgeführt.

Fast alle Frauen sind vom Opfer zum Täter geworden, meint der Anstaltsleiter. Der Anteil der Frauen an der Kriminalität beträgt nur fünf Prozent, da Frauen mit Aggressionen anders umgehen als Männer. Es scheint sich einiges geändert zu haben in der einzigen Frauenstrafvollzugsanstalt Österreichs, der Schwarzau, seit der legendäre Leiter Hofrat Hadrbolec 1990 abgetreten ist. Weil die Lage in den Haftanstalten durch Überbelag so angespannt ist, haben wir momentan auch kurzstrafige Frauen oder Mädchen, die unter 18 Monate Haft erhalten haben, sagt Oberstleutnant Neuberger. Wir haben das Glück, dass wir nicht so voll sind. Von 170 Haftplätzen sind durchschnittlich 150 belegt.

Der Strafvollzug an Frauen erfordert besonderes Einfühlungsvermögen in die weibliche Psyche, steht in der Pressemappe. Dies schließt das Verständnis dafür ein, dass Frauen in der Regel mehr als Männer in bzw. aus Emotionen (er-)leben, trotz des Umstandes, dass sie in Haft sind … Und auch hier: Das schließt den Umstand ein, dass Frauen in der Regel mehr Gewalt passiv erlebt als selbst ausgeübt haben.

Schlag auf Schlag

Eiskalt ist es im Regen in dem Park mit den hohen Mauern rundherum. Das frühere Schloss mit seinen Prunkräumen wirkt gruselig und einsam. Die inhaftierten Frauen bringen die Lebendigkeit ein. Der Filmladen zeigt den Kinofilm Vier Minuten, der von einer Klavierlehrerin in einem deutschen Frauengefängnis erzählt. Dicht gedrängt sitzen um die 60 Gefangene Reihe um Reihe. Jöh mei, lacht eine, als der Film im Intro Vögel zeigt, die romantisch über die Gefängnismauern davonfliegen. Hat die sich aufgehängt, oder was?, ist die nächste Bemerkung. Als im Film ein Aquarium auf das Klavier fliegt, fetzt es alle her. Überhaupt ist es auffällig, dass bei allen Szenen, in denen Gewalt gegen Frauen ausgeübt wird, ein Aufschrei durch den Saal geht. Leicht schreckhaft sind die hier.

Manchmal gibt es zustimmende Bemerkungen, als z. B. Monika Bleibtreu als Klavierlehrerin den Anstaltsleiter, der geduzt werden will, abkanzelt: Der Sturmbannführer wollte auch nicht, dass man ihn Direktor nennt. Der Film jagt von einem Höhepunkt zum nächsten, es geht Schlag auf Schlag, immer wieder werden Emotionen sofort in Handlungen umgesetzt. Hannah Herzsprung, die im Film als beinahe wahnsinniges Genie dämonisiert wird, prügelt einen Wachebeamten. Sie hat ihn demoliert, kommentiert eine Gefangene. Oida! (Alter!), eine andere, als die Freundin der Lehrerin aufgehängt wird. Wie lebt frau gesellschaftliche Destruktion aus, wie setzt sie sie um? Wir sollten dem Selbsthass entgegenwirken, sagt die Psychologin im Film.

Leistung und Disziplin


Der Film handelt von der Macht, die ein Mensch durch bloße Wörter über einen anderen hat. Von tiefen Gefühlen und der Abwehr derselben. Gleichzeitig ist Vier Minuten aber total überladen mit den Themen Nationalsozialismus, lesbischer Liebe, sexueller Gewalt in der Familie etc. Die Erziehungsmethoden der Lehrerin erinnern an faschistoide Modelle (Demut ist die Regel Nummer eins, Nie wieder diese Negermusik) und weisen darauf hin, wie tief die Verstrickung einer ganzen Generation in autoritäre Modelle ist. Kunst wird als Methode der Heilung, der Zivilisation gesehen und wirkt im Film wie ein Mittel zur Kolonisierung eines Tieres mit Talent.

Ich habe die Musik gehasst, erzählt Alice aus Ex-Jugoslawien, eine Gefangene der Schwarzau, die von ihren Musikereltern zum Klavierspielen gezwungen wurde. Ich war wirklich eine Maschine. Meine Lehrerin war schlimmer als die im Film. Alice darf als Freigängerin das Jazzkonservatorium in Wiener Neustadt besuchen. Die Pianistin im Film hat Sachen gemacht oder gesagt, wo ich geschwiegen habe. Aber ich kann mit jedem und mit allem umgehen mittlerweile. Die Leidenschaft habe ich nicht verloren. Alice ist wegen Schmuggels inhaftiert: Ich wollte es alleine schaffen, ich hätte mir auch anders Hilfe holen können, spricht sie finanzielle Not an, die zu ihrer Tat führte. Sie wünscht sich, dass in der Schwarzau Musiktherapie angeboten wird.

Es steht ferner aufgrund der Tatsache, dass Frauen in der Regel mehr (männliche) Gewalt erleiden als Männer, auch fest, dass die Traumatisierung jeden vollzugspädagogischen Behandlungsansatz scheitern lassen muss, wenn er mit offener oder immanenter Gewaltandrohung oder tatsächlicher Gewalt einhergeht, steht in der Pressemappe. Dies gilt in besonderer Weise für das Eingreifen der Einsatzgruppe. Wir haben nicht nur Nonnenschwestern hier, sagt der Anstaltsleiter und wirft sein Haar zurück. Im Frauenvollzug gibt es einen Anstieg von Suchtmittelabhängigen und der Unterbringung geistig abnormer Rechtsbrecherinnen. Ungefähr die Hälfte der Frauen sitzt wegen Eigentumsdelikten. Aus klassisch weiblichen Rollen ausgebrochen sind sie alle, die Mörderinnen und die Einbrecherinnen. Wenn im Film eine ganze Staatsmacht auffährt, um eine junge Frau festzunehmen, wundert man sich, was für eine Bedrohung wohl in ihrer ungezügelten Kraft liegt. Und wenn man bedenkt, dass der harmlose Film Bambule über ein Mädchen-Erziehungsheim von Ulrike Meinhof Jahrzehnte lang verboten war, ist zu sehen, wie die Gesellschaft sich vor der wilden Energie junger Frauen fürchtet. Es gibt zu wenige Möglichkeiten, diese auf interessante, abenteuerliche, Geld bringende Weise auszuleben.

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