Zur #metoo Debatte: Machtausübungtun & lassen

«Wisst ihr wer eigentlich Schuld is an Vergewaltigungsverharmlosung in der Gesellschaft? die Frauen, die unter dem metoo Hashtag über sexuelle Übergriffigkeiten im Berufsleben schreiben. Sie verharmlosen mit ihrer Hysterie die richtigen Vergewaltigungen. Quelle: Zeit». Dieses Posting (Tippfehler übernommen) setzte Stefanie Sargnagel am 15. November auf ihrer Wall ab und fasste damit einen furchtbaren Leitartikel mit dem Titel «Überreizte Debatte» der Wochenzeitung «Die Zeit» (online: 8. November) zusammen – den übrigens ein Mann geschrieben hatte.Das Argument taucht in der Diskussion um #metoo oft auf: Frauen, seid nicht so wehleidig. Ihr verhöhnt die «echten Opfer», wenn ihr euch beschwert, dass euer Chef irgendwann mal Schatzi zu euch sagte. Und ihr ruiniert Karrieren!

Dieses Argumentationsmuster ist wohl so alt wie das Patriarchat: Frauen sind hysterisch und übertreiben. Wir können uns allerdings fragen, warum niemand beanstandet, dass eine Anzeige wegen versuchter Körperverletzung jeden versuchten Mord verharmlost?

Der Punkt ist: Niemand, der gegen sexuelle Übergriffe auftritt, behauptet, eine Vergewaltigung wäre dasselbe wie ein anzüglicher Witz. Aber die «Kultur», in der das geschieht, ist dieselbe, und darum ist auch ein anzüglicher Witz nicht ok. Die Diskussion startete mit dem Hollywood-Produzenten Harvey Weinstein; es ging da also um ein bestimmtes Setting: Das Ausüben von Macht (im beruflichen Kontext). Allermeistens ausgeübt von Männern an Frauen. An Frauen, die Karriere machen möchten, aber in der einen oder anderen Art von diesem Mann mit Macht abhängig sind. Oder in manchen Fällen auch nur glauben, es zu sein – was schlicht daran liegt, dass wir nun mal alle in dieser Gesellschaft sozialisiert wurden. Es geht also um Machtmissbrauch in sexualisierter Form. Und warum sollte sich jemand das gefallen lassen müssen, nur damit der andere seine Macht behalten kann? Warum sagen wohl kaum Angestellte zu ihren Vorgesetzten mal salopp Schatzi oder greifen aufs Knie?

Für den «kleinen Mann» wiederum ist der sexuelle Übergriff dann mehr oder weniger die «Möglichkeit», auch irgendwie Macht auszuüben. Demütigung als Methode der Machtausübung.

Wie die «Stern»-Redakteurin Sylvia Margret Steinitz in ihrem Text «metoo: Reicht’s dann jetzt mal?» (online: 14.November) feststellt: «Denn auch immer mehr Männer melden sich zu Wort, berichten von Belästigung, von Vergewaltigung, von verbaler sexualisierter Gewalt und demütigenden Momenten, hervorgerufen von Männern und auch von Frauen. Diese Geschichten klingen ganz ähnlich wie die der Frauen, nur, dass jede Frau eine solche Geschichte erzählen kann, nicht aber jeder Mann.» Klar, es sitzen halt noch immer kaum Frauen an den Hebeln, und auch allgemein geht Sexismus nun mal generell in Richtung Frauen. Die Täter müssen zur Rechenschaft gezogen werden.

Aber niemand wird als Täter geboren. Dass dem so ist, birgt auch die Chance, es zu ändern. Erst wenn das vollständig geschehen ist, können wir eventuell aufhören, darüber zu debattieren.