Zusammen ist man weniger alleintun & lassen

Kollektives Wirtschaften am Bäuer_innenhof

Seit rund vier Jahren leben und arbeiten die «Zwetschken» in einem Hofkollektiv nahe Zwettl. Christa Neubauer hat sie besucht und hinterfragt, ob und wie die zahlreichen Herausforderungen zu bewältigen sind.

Foto: Hofkollektiv Zwetschke

Will die verwöhnte Stadtpflanze bei spätherbstlichem Septemberwetter für einen Tag ins Waldviertel reisen, trifft sie besondere Vorbereitungen: Sie holt die festen Schuhe raus und zieht ein zusätzliches Pulloverl an. Außerdem schmiert sie Butterbrote, weil sie keine Ahnung hat von der Versorgungslage nördlich der Stadtgrenze.

Wäre da nicht dieser Artikel in der SOL-Zeitschrift gewesen, vom Berni Laner – die Stadtpflanze wäre sonst nie auf die Idee gekommen, sich einen Waldviertler Gemeinschaftshof anzusehen. Aber den Berni, den kennt sie noch von früher und will schon seit Jahren wissen, ob er sich mit dem Hofkollektiv «Die Zwetschken» seinen Lebenstraum erfüllen konnte. Also auf in den Zug nach Krems an der Donau, der dort hoffentlich pünktlich eintrifft, denn sie hat genau sieben Minuten Zeit, um zum Bus zu hirschen, der sie nach Zwettl bringen soll.

Kompostklo.

Der Zug ist pünktlich, und der Busfahrer düst durch eine Unmenge Ortschaften. Die Abholung klappt wunderbar, und schon sind wir am Hof, auf dem derzeit sieben Erwachsene und ein Kind, bald zwei, leben. Durch den Sparküchen-Filter betrachtet, leben die Zwetschken, wie sie sich nennen, im Paradies. Auf siebeneinhalb Hektar Land Obst und Gemüse im Überfluss, Hendln, Gänse und Katzen quer über den Hof, Wiese, Wald und Bach.

Grundsätzlich gibt’s Kompostklos, aber der Stadtpflanze wird erlaubt, die «normale» Toilette zu benutzen, mit Senkgrube, deren Inhalt allerdings nicht auf die Felder ausgebracht werden kann. Die entsprechende Verordnung stammt, so die Mutmaßung, aus einer Zeit, in der die örtlichen Kläranlagen in Betrieb genommen wurden und es politisch erwünscht war, dass alle Höfe an der kommunalen Entsorgung teilnehmen. Der Bio-Acker samt Folientunnel für die Gemüse- und Kräuterproduktion wird händisch bearbeitet und organisch gedüngt. Die meiste Zeit des Jahres arbeitet ein_e WWOOFer_in in der Gärtnerei mit. WWOOF heißt We’re Welcome on Organic Farms und bedeutet, dass Freiwillige gegen Kost und Logis sowie ein Taschengeld auf Bio-Höfen mithelfen.

Beim Hof der Zwetschken handelt es sich um ein umgebautes Sägewerk samt Nebengebäuden, das derzeit Stück für Stück renoviert und ausgestaltet wird. Gelebt wird Gemeinschaft nicht nur durch die gemeinsame Bewirtschaftung des Hofes und anderer Erwerbstätigkeiten, sondern auch durch solidarische Ökonomie. Will heißen, dass von allen in einen gemeinsamen Topf eingezahlt und von dort wieder herausgenommen wird, was für die individuellen Bedürfnisse notwendig ist. Die Stadtpflanze stellt sich das für sich selbst im Detail schwierig vor: den Kauf von drei Tafeln Nuss-Schokolade zu argumentieren, wenn das Geld eh schon knapp ist. Vom neuen Pulloverl reden wir da erst gar nicht.

In der Tat werden große oder auch unvorhergesehene Entnahmen mit der Gruppe diskutiert. Grundsätzlich sollen sich aber die Bedürfnisse aller ausgehen. Generell ist die Frage: Sollen wir mehr verdienen oder weniger ausgeben? Das Geld ist derzeit tatsächlich knapp. Mit dem Erwerb des Hofes haben sich die Zwetschken in finanzielle Bedrängnis gebracht. Direktkredite oder auch Spenden werden hoffentlich Erleichterung bringen. Auch abseits der Finanzen gibt es in der selbstgewählten Familie der Zwetschken viel zu besprechen und zu organisieren. In den letzten Jahren hat sich die Zusammensetzung einige Male verändert, so dass sich die Beteiligten immer wieder neu zusammenfinden mussten.

Geld.

Regelmäßige Treffen und Besprechungen sollen gewährleisten, dass wesentliche Entscheidungen im Konsens mit allen erfolgen. Die einzelnen Arbeitsbereiche – neben der Gärtnerei gibt es die Raumvermietung, Wissensweitergabe durch Workshops sowie einen Ab-Hof-Verkauf – agieren autonom. Was die Zwetschken nicht selber produzieren, kaufen sie vorwiegend regional. Das ist nicht immer einfach; die Gegend ist zersiedelt, jede Einkaufstour will wohlüberlegt sein. Zum Glück liefern einige Bauern und Genossenschaften auch zum Hof.

Insgesamt fühlen sich die Zwetschken wohl im Ort, die Nachbar_innen sind freundlich und hilfsbereit. Wenn man weiß, wo man hineinpasst, gibt es auch Förderungen. Direktförderungen und Gelder für umweltbezogene Maßnahmen wie Grundwasserschutz oder die Haltung gefährdeter Haustierrassen. Manchmal rennt man auch leere Kilometer. Bis den Zwetschken endlich geglaubt wurde, dass der Folientunnel tatsächlich nur für gärtnerische Zwecke genutzt und damit genehmigungsfrei ist, wurde der Aufbau verzögert und wurden durch Pläne und Einreichungen beträchtliche Kosten verursacht. Aber jetzt steht er und schützt die vielen Paradeis-Sorten und sonstigen Gemüse, die dann selbst gegessen, verarbeitet oder samstags auf dem Bauernmarkt in Gmünd angeboten werden. Zwettl läge näher, aber dort litt die angestammte Gemüsevermarkterin keine Konkurrenz.

Zentrum.

Zwettl war früher besser, sagen die Zwetschken. Die Supermärkte sind vom Stadtzentrum ins Industriegebiet übersiedelt, von den Fachgeschäften sind schon einige verschwunden. Zwanzig Prozent der Innenstadt-Lokale stehen leer, aber Investor_innen wollen weit draußen das Kamp-Center bauen, vermutlich mit Zufahrtsstraße und Parkhaus, aber es werden dort eher die Kettenläden vertreten sein, die eh überall zu finden sind. Kleinere Unternehmen werden es ins Kamp-Center wohl nicht schaffen. Das Waldviertel ist wunderschön, zieht sich aber ordentlich. Selbst mit dem Zwetschkentaxi – ab und bis Zwettl – dauert eine Fahrtstrecke rund vier Stunden. Wer ohne fremde Hilfe von Wien aus einen Tagesausflug nach Negers zu den Zwetschken unternehmen will, für den oder die ist der Weg das Ziel: Nach der Ankunft ist es höchste Zeit, die mitgebrachten Butterbrote zu verzehren (oder beim Kochen und Essen zu helfen) und einen heißen Tee zu trinken. Um sich hernach zügig wieder auf den Heimweg zu begeben.

Am frühen Nachmittag macht sich die Stadtpflanze also wieder auf den Weg. Sie erwischt den Bus, um den Anschlusszug hätte sie sich keine Sorgen machen müssen. Die Busfahrerin pflegt einen sportlichen Fahrstil, der die zum Glück nur wenigen Entgegenkommenden zu Vollbremsungen nötigt. Zug und Öffis bringen die Stadtpflanze wieder ins angestammte Revier, wo sie des Abends ihre Nuss-Schokolade sehr nachdenklich verzehrt.


www.hofkollektiv-zwetschke.net

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