Zusammengegeneinanderlebenmüssentun & lassen

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Integration ist ein Prozess der wechselseitigen Anpassung und Veränderung zwischen einer aufnehmenden und einer aufzunehmenden Gruppe (Rainer Bauböck).: Während MigrantInnen vor allem auf individueller Ebene große Anpassungsleistungen erbringen müssen, fällt der Aufnahmegesellschaft die Aufgabe zu, die politischen, rechtlichen und kulturellen Institutionen so umzugestalten, dass aus Fremden gleichberechtigte Bürger werden.

Integration meint die Herstellung von Chancengleichheit im sozialen, politischen und gesellschaftlichen Leben. Gleiche Rechte aber sind nicht die Belohnung für Integration, sondern ihre Voraussetzung. Es geht um Gleichheit vor dem Gesetz, politische Gleichheit, soziale Teilhaberechte.

Hier geht es um eine republikanische Konzeption von Integration, in der nicht die Herkunft, sondern der Lebensmittelpunkt des Menschen entscheidend ist. Das Prinzip, dass bei gleichen Pflichten auch gleiche Rechte gelten müssen, und die alte Forderung aus der amerikanischen Revolution no taxation without representation begründen ein solches Modell der Wohnbürgerschaft; -an dem sich EU-BürgerInnen jetzt schon orientieren können.

Natürlich: Es bleibt das alltägliche Zusammengegeneinanderlebenmüssen, das alltägliche Zusammengegeneinanderarbeitenmüssen, das alltägliche Zusammengegeneinander-wohnenmüssen, das alltägliche Zusammengegeneinanderaufwachsenmüssen. Es bleibt, dass MultiKulti nicht in den Vorstädten, sondern im Restaurant des Zentrums stattfindet. Dort, wo es keine Konflikte mehr gibt, sondern die Aufhebung der Langeweile in der Vielfalt. Dort, wo die Fremden Leute sind, die man für die angebotenen Dienste und für das Recht bezahlt, diese zu beenden, sobald sie keinen Spaß mehr machen wie der Soziologe Zygmunt Baumann formuliert. Man will die Differenzen verschlucken, indem man sie als Geschmacksunterschiede genießt. Die Figur der Toleranz, die dem Multi-Kulti Ansatz zugrunde liegt, muss hinterfragt werden, wenn sie die Macht- und Ohnmachtsverhältnisse, die es vor Ort gibt, nicht ernst nimmt. Es bleibt, dass viele Leute nicht in der Lage sind, sich auszusuchen, wem sie begegnen und für wie lange, und nicht dafür zahlen können, dass ihre Entscheidungen respektiert werden; Leute ohne Macht, die die Welt als Falle und nicht als Abenteuerpark erleben. Es bleibt, dass Einkommensarmut im selben Maße wie sozialer Aufstieg von der jeweils bessergestellten Gruppe als Bedrohung interpretiert werden wird. Es bleibt, dass Ausländer als homogene Gruppe dargestellt werden, obwohl sie in ihren Lebensstilen gegensätzlicher, unterschiedlicher und widersprüchlicher nicht sein können. Es bleibt, dass politisch-religiöser Fundamentalismus genauso wie die Praxis der Sündenbockideologie in Konflikt mit einer offenen Gesellschaft stehen. Soziale und kulturelle Konflikte sind anstrengend und real.

Die sozialen Konflikte sind mit Gleichberechtigung nicht gelöst. Die kulturellen auch nicht. Die Voraussetzung aber wäre geschaffen, dass sie unter Gleichberechtigten ausgetragen werden können.

Martin Schenk

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