Zwangsverwaltung vor der Türtun & lassen

Immo Aktuell

Eine Hausgemeinschaft streitet um die Instandhaltung ihres Wohnhauses – und wächst dabei zusammen. Nun soll ein:e externe:r Verwalter:in die nötigen Reparaturen in die Wege leiten – auf Kosten der Eigentümer:innen.

TEXT: CHRISTOF MACKINGER
ILLUSTRATION: MUCH

Die Bewohner:innen wirkten glücklich. Zumindest auf dem Foto, das bei ­einer Geburtstagsfeier in den 1990er-Jahren geknipst wurde – im Innenhof ­eines Mietshauses in der Ottakringer Straße. Dutzende Menschen lachend auf Bierbänken sitzend, Kinder wuseln dazwischen herum, das Buffet ist bereits geplündert und Bier wird ­gezapft. Ein großes Schriftband gratuliert der Hausbesitzerin «Happy Birthday, Gerti», die Hausgemeinschaft feiert. Heute lebt die Gefeierte nicht mehr, die Erb:innen haben das Haus schon vor Jahren verkauft. Es ging dann durch die Hände diverser Immobilienfirmen.
Im Sommer 2021 kaufte die Sveta Living Gamma GmbH die Immobilie. Die Sveta Living ist Teil des Immobilien-Konglomerats Sveta Group, das mehrere Dutzend Mietshäuser in der Bundeshauptstadt besitzt.
Befristet, chancenlos. Nach dem Eigentümer:innenwechsel ­zogen wieder neue Leute in der Ottakringer Straße ein, unbefristete Mietverträge wurden aber ­keine mehr vergeben. Vermietet wird vor allem an Leute, die am Wohnungsmarkt wenig ­Chancen ­haben: Menschen aus Syrien, ­Afghanistan oder Somalia. Warum genau jene? Ein soziales Projekt? Wohl kaum. Erol Ü., ein langjähriger Bewohner des Hauses, beschreibt die Neumieter:innen als «Leute, die willens sind, eine Wohnung gänzlich ohne Heizung zu mieten». Ob es im Haus tatsächlich Wohneinheiten ohne Heizung gäbe, wisse er nicht, sagt Sveta-Anwalt Gregor Klammer dem Augustin.
Ü. und andere Altmieter:innen wissen noch andere Geschichten zu erzählen: von Müllbergen im Innenhof, von einem acht ­Quadratmeter großen Lagerraum, der monatelang von ­einem Mann aus der Ukraine bewohnt gewesen sein soll, von ausbleibenden Reparaturen. ­Geschichten, die dem Augustin von mehreren Bewohner:innen bestätigt ­wurden. «Man munkelt, dass man uns am liebsten raus hätte», ­erzählt Erol Ü. – gemeint sind die Altmieter:innen mit ihren unbefristeten Mietverträgen. Anwalt Gregor Klammer weiß: «Unbefristete Mieter, die vielleicht 200 Euro für 80 Quadratmeter zahlen, machen keinen Hausbesitzer glücklich.» Und ein bewohnter Lagerraum sage ihm erst mal nichts, so Klammer.

Ausmietstrategien.

Es bleibt zu hoffen, dass Hausbesitzer:innen ihr Glück nicht allein bei den Mieter:innen suchen, denn für die ist die Situation in Erol Ü.s Haus, wie er sagt, «ziemlich, ziemlich anstrengend» – vor allem, was die ­Instandhaltung angehe: Das Eingangstor war lange nicht ordnungsgemäß schließbar, das Haus damit frei zugänglich. Folglich diente der Gang Hausfremden – mangels einer öffentlichen – als Toilette. Darüber ­hinaus fehle ein Flügel des Hoftors und der Handlauf im Treppenhaus sei gleich an mehreren Stellen gebrochen – Schäden, welche auch die Schlichtungsstelle der MA 50 in einem Schreiben vom 23. Jänner festgehalten hat. Unternommen wurde gegen all dies zu wenig, wie die Hausbewohner:innen finden.
Auf den ersten Blick erinnert all dies an Ausmietstrategien, wie sie in den letzten ­Jahren durch Immobilienspekulant:innen in Wien mehrfach beobachtet werden konnten: ­Unternehmen erwerben alte Zinshäuser, für den ­ertragreichen Weiterverkauf müssen sie saniert oder neu gebaut werden. Dem aber stehen die Menschen mit den unbefristeten Mietverträgen im Wege. Demzufolge wurden Häuser heruntergewirtschaftet, um Bewohner:innen bis zu ihrem «freiwilligen» Auszug zu zermürben. Derlei Bestrebungen weist Anwalt Klammer strikt zurück. Für den Mieterschutzverband Wien und die Mieterhilfe der Stadt Wien jedoch ist die Sveta Group keine Unbekannte, was Beschwerden von Mieter:innen angehe.
Die Bewohner:innen im Sveta-Haus jedenfalls begannen, sich über die Probleme im Haus auszutauschen – und lernten sich in Folge besser kennen. Antonia W. ist eine von ihnen. Sie lebt seit 15 Jahren in der Ottakringer Straße, kennt die meisten Leute im Haus. «Das Haus war nie nobel», erzählt sie, «heute aber wirkt es verwahrlost.»

Zwangsverwaltung.

Der Austausch und die neue Gemeinschaft geben Aufwind, die Bewohner:innen wenden sich nun auch an die zuständigen Institutionen. Die mangelhafte Instandhaltung sei ärgerlich, so Erol Ü., «viel schlimmer aber noch ist die Tatenlosigkeit der Behörden». Antonia W. rief die Schlichtungsstelle der Stadt Wien an, welche der ­Sveta Goup in Folge Reparaturaufträge vorschrieb. Die ­Frage, ob diese auch ­erledigt wurden, landete letzten Dezember vor ­Gericht. Eine ­Richterin entschied gegen die Sveta Group und ­verordnete die Zwangsverwaltung des Wohnhauses. Das bedeutet: Ein:e externe:r Verwalter:in soll die nötigen Reparaturen in die Wege leiten – auf Kosten der Sveta Group. Diese wiederum meldete Einspruch an, damit ist die Entscheidung nicht rechtskräftig. Das Ringen um die Reparaturen geht also weiter.
Weiter geht wohl auch das Zusammenrücken der Bewohner:innen: «Wir lieben unser Haus und halten zusammen», so Antonia W. Man wolle weiter «gemeinsam kämpfen, dass die dringend notwendigen Erhaltungsarbeiten durchgeführt werden».
Und vielleicht werden im kommenden Sommer schon, nach 30 Jahren, wieder die Bierbänke aufgestellt, um gemeinsam die – dann hoffentlich ordnungsgemäß erledigten – Repa­raturarbeiten zu feiern.