Zweiundfünfzig Haselnüssetun & lassen

Neues von Frau Gschistibohavitschek

Oft sind es die Nebensätze, die mir Angst machen. Vor kurzem war auf orf.at von einer vorübergehenden Schließung der größten Nutella-Fabrik zu lesen. («Aber keine Sorge, es wird keine Lieferengpässe geben!»). Unter anderem hieß es: Die Fabrik produziert täglich 600.000 Gläser Nutella. Weltweit werden jedes Jahr 365 Millionen Kilo Nutella konsumiert, deren Produktion ein Viertel der globalen Haselnussvorräte verschlingt.Ein Viertel aller Haselnüsse, die auf der ganzen Welt geerntet werden, landet in Nutella-Creme? Nutella besteht zu 87 Prozent aus Zucker und Fett, Haselnüsse sind also neben Kakaopulver und Magermilchpulver ein marginaler Bestandteil. Der Anteil liegt vermutlich bei etwa fünf Prozent, 52 Stück sind es laut dem Online-Magazin Quartz in jedem 400-Gramm-Glas. Den Aufstrich «Haselnuss-Creme» zu nennen, fällt somit schon unter dichterische Freiheit.

Die mengenmäßig zweitgrößte Zutat, nach dem weißen Industriezucker, ist übrigens Palmöl. Produzent Ferrero unternimmt bis dato nichts, um das Palmöl durch ein nachhaltiger herzustellendes Fett zu ersetzen. Dass sowohl Haselnüsse als auch Kakao häufig unter fragwürdigen Bedingungen erzeugt werden, scheint die Familie Ferrero ebenfalls nicht zu kümmern. Der Erfolg gibt ihnen leider recht: Der Marktanteil von Nutella – laut Ferrero übrigens nicht nuh-tella, sondern new-tella – beträgt über 50 Prozent, in Italien fast 90 Prozent. Der Marktanteil nachhaltiger Konkurrenzprodukte ist verschwindend gering.

Aber zurück zu den Haselnüssen. Meine Milchmädchenrechnung ergibt beim oben erwähnten Jahresumsatz einen Haselnuss-Anteil von mehr als 18.000 Tonnen für Nutella.

Was man aus diesen Haselnüssen alles Nettes machen könnte! Nussstrudel, Speiseeis, Geburtstagstorten – Dinge, in denen man den Geschmack der Nüsse auch wirklich spürt. Wo er nicht mit Zucker ausradiert wird. Für wie viele Menschen in den Anbaugebieten die Haselnüsse einen wertvollen Beitrag zu ihrer Ernährung bilden könnten, anstatt exportiert zu werden, um in gigantischen Mengen ungesunder Süß-Fett-Creme zu verschwinden!

Wer mitgerechnet hat, weiß natürlich, dass sich da etwas nicht ausgehen kann. Die globale Haselnuss-Produktion beträgt laut meiner Hochrechnung aus den Zahlen eines trend-Artikels mehr als 900.000 Tonnen. Davon sind die angegebenen 18.000 Tonnen natürlich nicht ein Viertel. Was allerdings stimmt: Das Unternehmen Ferrero kauft für alle seine Produkte ein Viertel der globalen Haselnuss-Vorräte auf. Was nicht weniger beängstigend ist.

Translate »