Zwischen Jagd und TheologieArtistin

«Antiquarische Fundgrube» und «Kunstantiquariat Vielseitig»

Der Besuch eines Wiener Antiquariats ist eine charmante Zeitreise, bei der man nicht nur in die Welt der Bücher und die Buchgeschichte eintauchen, sondern auch Neues durch Altes im Bereich Postkarten, Fotografien oder Landkarten entdecken kann. Über 60 Antiquariate gibt es in Wien: sinnliche Alternativen zum Online-Monopolisten Amazon.at (siehe Seite 24). Der Augustin besuchte zwei davon im 9. Bezirk.

Geht man an der Rückseite der Volksoper vorbei die Fuchsthallergasse entlang, sind es mehrere Silhouetten des Meisterdetektivs Sherlock Holmes auf gelben Hintergrund, die einem oberhalb des Schriftzugs «Fundgrube» und den angebotenen Waren «Ansichtskarten, Bücher, Film & Theater, Graphik u. v. a.» bereits verraten, worum es bei der Tätigkeit des Antiquars geht. «Man muss ein bisschen Kriminalist und Detektiv sein in diesem Beruf. Das hat mich auch bewegt, in dieses Metier hineinzugehen, das Forschen und Entdecken – und diese Arbeit bietet sehr viele Möglichkeiten dazu», erzählt Taner Y?lmaz, seit Sommer 2013 Inhaber der «Antiquarischen Fundgrube».

Das Geschäft gibt es seit den 1950er Jahren und hatte in der Anfangszeit seinen Schwerpunkt auf Filmprogramme und Autogrammkarten. Später kamen Schallplatten und das Roman-Tausch-Segment dazu, bevor sich die «Fundgrube» immer mehr in Richtung Antiquariat entwickelte. Heute gibt es vier Schwerpunkte. «Der Hauptpfeiler sind die Bücher, zweiter Pfeiler sind Ansichtskarten, Postkarten und Fotografien. Der dritte Bereich sind die Ephemera, also alles, was mit Papier im weitesten Sinne zu tun hat, Grafik, Landkarten usw. Und der vierte Pfeiler sind weiterhin die Filmprogramme», zählt Y?lmaz auf. Immer wieder kommt es auch vor, dass Kunden in die «Fundgrube» kommen, die das Geschäft in der Fuchsthallergasse noch aus seiner Anfangszeit aus den 1950er Jahren kennen.

 

Für den 35-jährigen Y?lmaz, der seit 2006 im Antiquariat arbeitet und als Aushilfe begonnen hat, gehören emotionale Momente mit seinen Kund_innen zu den besonders schönen Momenten seines Berufs. «Einmal waren wir auf einer Postkartenmesse, und da kam ein Herr zu unserem Stand, der sich die Postkarten aus seiner Region anschauen wollte. Plötzlich hat er eine Fotokarte entdeckt, auf der seine verstorbene Mutter als Kind abgebildet war.»

 

Auch wenn die «Antiquarische Fundgrube» mittlerweile auch ein Versandantiquariat betreibt und mit mehreren Online-Portalen zusammenarbeitet, glaubt Y?lmaz nicht daran, dass der stationäre Buchhandel verschwinden wird. «Man muss ein Buch in der Hand haben, man muss es spüren, und manchmal liegt es einfach nicht in der Hand. Nicht jede Bindung ist gleich, nicht jedes Papier ist gleich. Ein Buch kann den besten Inhalt haben und trotzdem einfach nicht zu mir passen», führt Y?lmaz aus. Durch den Online-Handel sei zwar der Konkurrenzdruck stärker geworden, dafür erschlössen sich für das traditionsreiche Wiener Antiquariat ganz neue Kundenfelder weltweit. Bücher werden mittlerweile auch nach Russland, in die USA oder bis nach Australien verschickt. Zur Arbeit eines Online-Versandantiquariats sagt Y?lmaz: «Im Grunde brauchen wir die gleichen Strukturen wie bei jedem anderen Online-Shop, nur mit dem wesentlichen Unterschied, dass wir nicht von einem Produkt zigtausende haben, sondern tausende Produkte einzeln anbieten.»

Alle zwei Monate Themenwechsel


Tausende alte Bücher sind auch die Geschäftsgrundlage von Martin Kitzinger, der seit dem Jahr 2004 in der Liechtensteinstraße das Buch- und Kunstantiquariat «Vielseitig» betreibt. «Angefangen habe ich mit 1000 bis 1500 Büchern. Mittlerweile habe ich zwischen 20.000 und 25.000 Bücher im Bestand», erzählt Kitzinger, der vor der Selbstständigkeit Kunstgeschichte studierte, dann im Dorotheum arbeitete und danach in einem anderen Wiener Antiquariat für die Grafikabteilung zuständig war. Auch sein eigenes Antiquariat war ursprünglich als Grafik-Antiquariat geplant, doch in diesem Bereich wirkte sich das Internet negativ aus. «Durch das Aufkommen der Internethändler sind die Preise im Bereich Grafik oft ziemlich verfallen», sagt Kitzinger. Nun liegt der Hauptfokus im «Vielseitig» auf den Büchern. Besonderheit von Kitzingers Antiquariat sind die liebevoll gestalteten Auslagen, die in etwa alle zwei Monate ihr Thema wechseln.

 

Kürzlich drehte sich in der «Vielseitig»-Auslage alles um Jagd- und Fischerei, davor dominierten Karikaturenbände das Auslagenfenster. «Die Auslage nach einem Thema zu gestalten ist nicht immer ganz einfach, denn pro Thema brauche ich zwischen 50 und 60 Bücher, und schließlich braucht man auch immer eine gewisse Reserve, wenn Werke aus der Auslage verkauft werden.»

 

Als großen Vorteil seiner Tätigkeit sieht Kitzinger die (seinem Antiquariat namensgebende) Vielseitigkeit des Berufs und dass man im Umgang mit Büchern und Kund_innen jeden Tag etwas dazulerne. Bei der Arbeit im Antiquariat komme man zwar erstaunlicherweise nicht viel zum Lesen, doch man bekomme einen Einblick in die unterschiedlichsten Bereiche. «Als Antiquar hat man natürlich mit vielen Themengebieten zu tun und muss Kunden betreuen, die sich auf ihrem Gebiet sehr gut auskennen. Um mit diesen Kunden über ihr Thema sprechen zu können, muss die eigene Allgemeinbildung geprägt werden. Daher lese ich in den Büchern, die ich hereinbekomme, sehr viel quer. Aber um die Bücher komplett zu lesen, bleibt meistens leider nicht die Zeit», so Kitzinger über sein Tagesgeschäft.

 

Ein ganz besonderes Werk, das er in seinem Geschäft verkaufen konnte und auf das er heute noch stolz ist, war eines von 250 nummerierten und signierten Exemplaren von Frans Masereels «Die Stadt» mit 100 originalen Holzschnitten des belgischen Grafikers. Auf die Frage, ob die Liebe zum Medium Buch beim Verkaufen auch manchmal hinderlich sei, wenn man sich etwa nur schwer von besonderen Stücken trennen könne, antwortet Kitzinger: «Das kann vorkommen. Da ich Kunsthistoriker bin, kommt es gerade im Bereich der Kunstgeschichte vor, dass sehr interessante Werke zuerst in meine private Bibliothek wandern und erst dann ins Geschäft kommen.»

Dass nicht unbedingt der Wert eines Buches mit seinem Alter steigen muss, ist etwas, das laut Kitzinger für viele Leute nicht klar sei. «Alt heißt nicht automatisch wertvoll. Bereits seit dem 18. Jahrhundert wurden Bücher in zum Teil sehr hohen Auflagen gedruckt und oft ist auch einfach der Inhalt der Bücher für den Verkauf nicht sonderlich interessant. Damals wurden etwa viele theologische Schriften gedruckt, die heutzutage nicht mehr das ganz große Interesse wecken», erklärt Kitzinger.

Den Zusammenhalt in der Wiener Antiquariats-Szene beurteilen sowohl Taner Y?lmaz als auch Martin Kitzinger als sehr positiv. «Es herrscht eine gesunde Konkurrenz, und man arbeitet auch in vielen Fällen zusammen, etwa wenn man auf Messen und Märkte fährt und gemeinsam einen Stand betreibt», beschreibt Kitzinger das Verhältnis zu anderen Antiquariaten. Und Y?lmaz unterstreicht den Zusammenhalt in Wien: «Was ich sehe, ist, dass man sich insofern hilft, als dass Kunden zu uns kommen, die von Kollegen zu uns geschickt wurden. Das finde ich ganz toll, und das machen wir genauso, wenn wir ein Buch nicht haben und ich weiß, dass es ein Kollege in Wien hat.» Einig sind sich beide auch über die Besonderheit ihres Berufs und die Faszination des Antiquariatswesens. Taner Y?lmaz über seine Entscheidung, in die Antiquariatsbranche zu gehen: «Ich würde es sofort wieder machen!»

Antiquarische Fundgrube, Taner Y?lmaz

1090 Wien, Fuchsthallergasse 11

Tel.: (01) 319 54 96; Fax: (01) 319 50 47

E-Mail: afundgrube@aon.at

Kunstantiquariat Vielseitig, Mag. Martin Kitzinger

1090 Wien, Liechtensteinstraße 19

Tel.: 0 699 19 25 71 80,

E-Mail: vielseitig@hotmail.com