Gottfrieds Tagebuch
«2g4k5öc8y7» Chefsekretär Mucki lungert auf dem Schreibtisch herum. Laut seiner eben getätigten Aussage bewacht er die Tastatur des PCs aufgrund zu befürchtender Anschläge meinerseits. Was von mir natürlich umgehend bestritten und ins Reich der Märchen, Sagen und Fabeln verwiesen wird.
Andererseits scheint er in letzter Zeit eindeutig zu viel über Krieg und Terror mitbekommen zu haben. Ich übrigens auch. Es wird immer einfacher, sich durch den regelmäßigen Konsum von Nachrichten eine mittelschwere Depression einzufangen. Oder man stellt sich tot, indem man das TV-Gerät aus seiner Bleibe wirft und nur mehr Internet-News verfolgt. Die Welt wird durch so eine Realitätsverweigerung allerdings nicht besser. Ich wiederum werde von meinem Kater seit geraumer Zeit dabei ertappt, CNN oder andere «böse» US-Sender zu konsumieren. Was aber endlich wieder einmal zu positivem Wissen führt, denn es war zu erfahren, dass zum Beispiel «New York Times», «Washington Post» und ähnliche «Fake news»-Medien ihre Abonnentenzahl merklich erhöhen konnten zuletzt. Da wird der Donald aber böse sein und sein Twitter-Tourette sich deutlich verschlimmern. Chefinspektor Mucki hingegen findet eine beinahe leere Futterschüssel vor und fordert vehement eine sofortige Befüllung derselbigen.
10. 3.
Obwohl ich mir immer wieder schwöre, vorwiegend lustige und launige Gedanken zu Tastatur zu bringen, scheitere ich immer öfter an der offensichtlich verrückter und verrückter werdenden Welt da draußen. Wäre ich ein Deutscher, dann würde ich mich derzeit allerdings echt schlecht fühlen. Oder als Niederländer. Beide genießen derzeit die besondere Aufmerksamkeit eines Politikers, der ganz offenbar nicht so genau weiß, was er seit Tagen und Wochen verbal absondert. Regierungstreue, gleichgeschaltete Presse. Kritische Stimmen aus diversen Medien landen im Gefängnis, Sender werden abgedreht. Richter, Lehrer und auch Soldaten landen, wenn es gut läuft, auf der Straße oder dürfen den Medienvertretern im Gefängnis Gesellschaft leisten. Das alles wird veranlasst von einem Mann, der Deutsche und Niederländer wiederholt als Nazis beschimpft. Dabei gibt es in der Türkei von Herrn Erdoğan immer weniger Rechte. Oder Linke? Ich jedenfalls bemerke in der türkischen Gemeinschaft in Wien durchaus gespaltene Gefühle.
Manchmal bin ich verhaltensoriginell
12. 3.
Manchmal bin ich verhaltensoriginell. Im Zuge dieser Tätigkeit wiederum kann es zu den übelsten Ereignissen kommen. Oder auch nicht. Heute begehe ich den Sonntag ein wenig speziell, indem ich mir Zeit für «Die Zeit» nehme. Nebenbei läuft National Geographic im TV. Eine Dokumentation über die christliche Seefahrt. Passend zum christlichen Sonntag. Über Multitasking, also die Fähigkeit, alles Mögliche gleichzeitig zu erledigen, wird schon seit längerem kontrovers diskutiert. Frauen scheinen in dieser Disziplin unangefochten in Führung zu liegen. Ich kann mich aber auch irren. So wie heute. Zwischen Papstporträt, Wissen und Feuilleton dringen immer wieder Wortfetzen in meine Gehörgänge ein. Während ich etwas über «Die Wut der Frauen» lese, vermeine ich das Wort «Sextanten» gehört zu haben. Kurzfristige Ratlosigkeit breitet sich in mir aus. Dann Entwarnung, es scheint sich dabei um keine Damen des horizontalen Gewerbes, sondern um nautische Gerätschaften zu handeln. Und da soll man nicht verhaltensoriginell werden …
15. 3.
Da ich gelegentlich an seniler Bettflucht laboriere und es egal ist, wann ich aufstehe, kann es durchaus passieren, dass ich des Nächtens US-Sender verfolge. Also, ich laufe ihnen nicht nach, sondern suche gezielt nach weiterem Gezwitscher vom Oberdonald. Obwohl ich das eigentlich besser über die mobile Buschtrommel erledigen sollte, aber dann glaubt er vielleicht noch, ich wäre ein weiterer Fan von ihm. Nenene, sicher nicht! Und außerdem bedeutet das englische Wort Fan auf Deutsch Ventilator. Was die senile Bettflucht meinerseits nicht wirklich sinnvoller erscheinen lässt. Aber einen klugen Spruch hätte ich noch lagernd: «Alte Männer sind gefährlich, denn die Zukunft ist ihnen egal!» George Bernard Shaw. Darüber denke ich jetzt schlafend eine Weile nach.
20. 3.
11.29 Uhr. Der astronomische Frühling hat begonnen, daher gilt meine verschärfte Aufmerksamkeit den jetzt zu befürchtenden und zur Jahreszeit passenden Gefühlen. Wäre ich ein Raumschiff, müsste man mich als unbeweibt bezeichnen. Diverse Printmedien überschütten mich geradezu mit guten Tipps, die bei der Bewältigung der bereits erwähnten Probleme behilflich sein sollen. Vor ganz langer Zeit galt der Mann als Jäger und Sammler. Ich bin weder das eine noch das andere, da helfen auch keine zweckdienlichen Hinweise zur vorschriftsmäßigen Jagd nach dem anderen Geschlecht. Zumindest bei meinereinem. Obwohl Spaziergänge auf der Donauinsel zwischen Handelskai und Reichsbrücke zu zweit sicher schöner sind als immer nur mit mir. Mal sehen, was Amor zu dem Thema einfällt.