Comics in ÖsterreichArtistin

"Keine Aufbruchsstimmung - aber es hat sich was getan"

Comic.jpgZu den nachhaltigsten Initiativen der letzten Jahre im Bereich Comic zählt die Etablierung eines österreichischen Vertriebs im Bereich Independent Comics und Graphic Novels, für die seit 2004 Sebastian Broskwa mit der Verlagsauslieferung Pictopia steht. Wenn in den letzten Jahren in Wiener Buchhandlungen vermehrt Comicecken mit einer Auswahl spannender Comictitel ausgestattet wurden, so geht diese Einrichtung auf den Großhändler und Vertreter Broskwa zurück. Der Augustin sprach mit ihm über das Verhältnis der heimischen BuchhändlerInnen und JournalistInnen zur Comic-Szene.

Wie würdest du die Lage des Comics in Österreich im Vergleich zur internationalen Situation beschreiben?

Von der Akzeptanz in der Bevölkerung her steht es eher schlecht um den Comic. Der Comic hat den Touch, primär juvenil bzw. nur witzig oder Schund zu sein. In Österreich gibt es da eher ein stark negatives Vorurteil gegenüber Comics.

Und anderswo …

… in den romanischen Gegenden ist das anders. In den USA hat sich da auch viel getan. In Deutschland wirds jetzt auch langsam besser, da werden Comics in den Feuilletons eben sehr gut besprochen, was in Österreich noch nicht stattgefunden hat. Drum ist Österreich etwas rückständiger.

International kann man ja von einer richtigen Aufbruchstimmung im Bereich Comics sprechen. Lässt sich davon etwas in Österreich spüren?

Nein, Aufbruchstimmung nicht.

Wie steht es mit der Rezeption von hochwertigen Comicwerken in Österreich? Werden Comics in Österreich in gebührender Weise gelesen?

Nein, ganz sicher nicht. Weil sie nur von einem sehr geringen Teil der Bevölkerung überhaupt wahrgenommen werden.

Und das hat sich in den letzten Jahren nicht wesentlich geändert?

Nein, wenn ich von Ottonormalverbrauchern ausgehe, die hat der Comic nicht in einem höheren Maße erreicht. Ich denke, es gibt zwei Ausnahmen: Es gibt die Mangas, die haben ein Mainstreampublikum, ein Teenagerpublikum erreicht. Da hat sich tatsächlich was geändert, die Mangas sind in den letzten Jahren sehr populär geworden, bei dieser Zielgruppe. Und es gibt viele Verfilmungen; man nimmt ja Comics mehr als Futter für Filme wahr, u. z. nur bestimmte Genres, also mit Action oder Superhelden, recht einseitig halt.

Und wie sieht es da bei den betreffenden Institutionen, Kunsthochschulen etc. aus?

Soweit ich das sagen kann: Das ist sehr schwierig. Die meisten Studienrichtungen fühlen sich nicht zuständig für den Comic. Also der fällt nicht in ihren definitionsmäßig abgegrenzten Zuständigkeitsbereich. Die bildenden Künste fühlen sich nicht zuständig, ein eigenes Fach zu machen, und die Germanisten auch nicht. Die einen sagen, es ist nicht Kunst, die anderen, es ist nicht Literatur. Das ist in Deutschland schon anders, Comic wird dort eher in der Kunst verortet und auch an Kunsthochschulen unterrichtet.

Wobei sich da jetzt was getan hat, und zwar die wiener kunst schule, die bietet jetzt (seit Herbst 2009, die Red.) das Fach Comic als Diplomstudium an, was ein Novum ist.

Das «Comics sind funny»-Missverständnis


Innerhalb der modernen Comics wurde vor einigen Jahren der Begriff Graphic Novels, also Graphischer Roman, lanciert, um damit den Ruf des Comics als Schundmedium abzustreifen und einer künstlerisch anspruchsvollen Richtung Raum zu geben.

Das Problem mit »Comic« ist das Wort an sich … Wenn du »Comic« sagst, klingt irgendwie die Komik und das Funnymäßige mit. Um diesem Missverständnis entgegenzuwirken, hat man eine neutrale Bezeichnung gesucht: Graphic Novel oder Autoren-Comic. Um zu kommunizieren, dass es auch Comics für Erwachsene gibt, die nicht nur bunt und grell sind, sondern auf gleicher Qualitätsebene wie etwa ein Roman.

Zeitigt der »aufklärerische« Impetus dieser Initiative auch in Österreich seine Früchte?

In Österreich noch nicht. Weil die österreichischen Journalisten nicht Comics rezensieren. In Deutschland verwenden die ambitionierteren Comicverlage, die außerhalb der Action-, Heldencomics unterwegs sind, diesen Begriff Graphic Novel konsistent. Und auch die Journalisten in Deutschland verwenden den Begriff.

Welche strukturellen Initiativen der letzten Jahre findest du für die Entwicklung der österreichischen Comicszene am wichtigsten? Ich finde wichtig, dass es das nextComics Festival in Linz gibt, und zwar vor allem dann, wenn das auch in Zukunft regelmäßig stattfindet. Das erste Festival heuer war sehr professionell und sehr groß aufgezogen. Und bei der Eröffnung war zumindest eine fette Riege an Landespolitikern da, die sich alle recht positiv geäußert haben. Dann finde ich spannend, dass man Comic jetzt, wie gesagt, studieren kann. Und schließlich, dass der Luftschacht Verlag, ein Literaturverlag, jetzt Comics rausbringt. Das sind alles zwar irgendwie kleine Ereignisse, aber sie künden vielleicht einen Paradigmenwechsel an.


Und wie ist es mit Förderungen?

Bis vor kurzem hat es noch keine Förderung für Comics als solche gegeben, nur wenn man auch eine Ausstellung zum Comic gemacht hat, wurde die Ausstellung gefördert und der Comic wurde als Ausstellungskatalog dann mitgefördert. Aber wenn ein Literaturverlag ansucht für ein Comicbuch, dann ist die Wahrscheinlichkeit größer, da das Buch dann eher als Literatur eingeschätzt wird, und Literatur wird gefördert.

Du hast vor einigen Jahren »Pictopia« gegründet: Was macht Pictopia? Woher kommt der Name? Wie sind deine Erfahrungen?

Der Name kommt von einer Kurzgeschichte mit dem Titel «In Pictopia» (von Alan Moore und Don Simpson, die Red.). Die Geschichte spielt in der Welt der Comics, der Bildergeschichten. Pictopia ist eine Stadt, und jedes Viertel stellt ein Genre dar, da gibt es die Funny Animals, die Superhelden, die autobiographischen Comics etc. Und irgendwann schwingen sich die Superhelden zu einer Art Terrorregime auf und vernichten alle anderen Genres, bis schließlich nur noch Superhelden da sind. Ein satirischer Seitenhieb auf die Einseitigkeit des Comicmarktes, der nur auf Superhelden gesetzt und keine ernsten Themen zugelassen hat. Ich versuche, möglichst viele andere Comics zuzulassen, die persönlicher, künstlerischer, literarischer sind. Das ist mein Ansatz. Und Pictopia ist im Kern ein Großhandel, ich beliefere den österreichischen Buchhandel mit Graphic Novels. Ich arbeite mit Verlagen zusammen, die sich auf Graphic Novels spezialisiert haben, und bin hier der Logistikpartner zwischen Buchhandel und den Verlagen.

Du bist also der einzige Großhändler in Österreich, ist das richtig?

Nein, ich bin nicht der einzige. Aber ich bin der einzige, der sich nur auf Graphic Novels spezialisiert hat. Und abgesehen vom Großhandel verkaufe ich auch direkt und kümmere mich um die heimische Comicszene. Pictopia hat viele Comics aus Österreich auf Lager, und wenn sich jemand dafür interessiert, kann man sich bei mir recht gebündelt einen Überblick verschaffen: Was gibt es eigentlich an Comics hierzulande? Und die kann man bei mir auch kaufen. Ich finde es auch wichtig, den lokalen Markt zu fördern.

Wenn man also seit einigen Jahren in diversen Wiener Buchhandlungen Comicecken mit Graphic Novels finden kann, dann ist das sozusagen deine Arbeit?

Richtig.

Und wie sind da deine Erfahrungen?

Die meisten Buchhändler sind recht aufgeschlossen. Bei anderen ist es Aufbauarbeit. Aber man sieht, wenn man Öffentlichkeitsarbeit macht, dann funktioniert das schon. Es gibt keinen Grund, warum sich Comics in Österreich nicht verkaufen lassen sollten. Wenn man die richtigen Comics am richtigen Ort auf die richtige Weise anbietet. Was noch fehlt, ist, dass eine Öffentlichkeit erzeugt wird. Da sind Rezensionen von Journalisten natürlich enorm wichtig.

Schließlich: Was sind deine persönlichen Empfehlungen?

Unter den österreichischen Comics finde ich «Inmates», eine Medea-Adaption von Vogeltanz und Ballhausen sehr lesenswert. Und dann natürlich Mahlers Autobiografie «Kunsttheorie versus Frau Goldgruber» über das Leben als Comiczeichner in Wien. «Frank» von Schreiner und Andara, ein mit den Genres spielender guter, postmoderner Comic, der irgendwo zwischen Detektivgeschichte und Psychothriller angesiedelt ist. Und Leopold Maurers «Miller & Pynchon» ist eine sehr gut aufgesetzte Graphic Novel, recht poetisch, lyrisch, melancholisch, absurd.

Mit Sebastian Broskwa sprach Martin Reiterer. Siehe dazu auch dessen Beiträge «Autobiografien ohnegleichen» (Nr. 261) und «Noch immer Schund?» (Nr. 260) zum Vergleich der internationalen und der österreichischen Comic-Kultur.

Info:

Unter www.pictopia.at können Sie auch einen Newsletter abonnieren, der über die neuesten Ereignisse aus dem Bereich Comic in Österreich informiert.

Bücher/Links

Nicolas Mahler: Kunsttheorie versus Frau Goldgruber. Reprodukt, 2007

Leopold Maurer, Miller & Pynchon. Luftschacht, 2009

Thomas Ballhausen/Jörg Vogeltanz: inmates, the anger diaries 3/3. prequel, 2006

Christian Schreiner / Erik R. Andara: {FRANK} Jeder trägt seinen eigenen Fluch. Nr 1, 2. Franc Comic, 2008/2009

www.mahlermuseum.at

www.frankcomic.at

www.prequel.at

www.kunstschule.at

www.luftschacht.com

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