Dass es uns gibt, hat keinen Sinn!Artistin

Günther Gunkl Paal findet wider den Zeitgeist die Antworten wichtiger als die Fragen

Also, der ist ja unnötig. Der hat die ganze Zeit nur geredet ich hab überhaupt nicht verstanden, was der will. Eines ist klar: Wer Gunkl einen Abend lang in seinem Programm folgen will, muss bestimmte Grundvoraussetzungen mitbringen. Zwischendurch an die neuen Winterreifen zu denken oder den Begleiter zu küssen ist nicht drin. Hält man aber durch, eröffnen sich neue Welten. Der Augustin genoss ein Privatissimum bei Günther Paal.Dass an diesem Abend im Andino keine nennenswerten Reaktionen von den Zuschauern kommen, als er den (immer noch!) Heiligen Augustinus zitiert (Die Frau hat einen defectus naturae …. also sozusagen von Haus aus an Poscher …), scheint Gunkl selbst einen Augenblick lang zu wundern. Könnte das ein Hinweis dafür sein, dass er am Publikum vorbeischreibt? Bei seinen Programmen, meint Günther Paal, sind 20 Prozent der Zuschauer nicht dabei, können aber von der Atmosphäre jausnen. Die restlichen 80 Prozent sind trotzdem nicht unterfordert. Den Grad der Aufmerksamkeit des Publikums spürt er: Hat er die Haftung verloren, kann er nicht mehr auf der Stimmung surfen, sondern muss zwei Gänge runterschalten und die einzelnen Sätze beim Vortrag selbst mitdenken. Ich muss das Programm als etwas Verstehbares und bereits Verstandenes zeigen können.

In seinem aktuellen Programm Wir schwierig bringt er übrigens erstmals eine wahre Begebenheit ein. Ansonsten sieht Paal seinen schriftstellerischen Ehrgeiz darin, Figuren und Szenen zu erfinden, die es in dieser Form geben könnte, die es aber nicht wirklich gibt. Mit seiner Lebenseinstellung hält er allerdings auch in seinen Programmen nicht hinterm Berg: Ich will Antworten haben. Wenn mir ein Satz aufstößt Die Welt ist alles, was der Fall ist … Ha? , dann denke ich das so lange durch, bis es für mich hieb- und stichfest argumentierbar ist. Allerdings gibt es auch für ihn Grenzen: Es is ma jo boid amoi wos wuascht aa.

Dennoch scheint es ihm ein starkes Bedürfnis zu sein, seine Ideen im kognitiven Gerüst seiner Mitmenschen zu implementieren. Im persönlichen Gedankenaustausch auf Paals Überzeugungen mit seiner programmatischen Formel Na geh! zu kontern, ist deshalb nicht immer ein guter Einfall. Ebenso geduldig wie gnadenlos zaubert er fortgesetzt Beweisketten und Beispiele aus dem sprichwörtlichen Hut, so lange, bis das erschöpfte Gegenüber notgedrungen die weiße Fahne schwenkt: Ja, eh! Und es sich aus reiner Vernunft verkneift, den starken Raucher zum Abklingen der umfassenden Toleranz gegenüber seinesgleichen zu befragen. Muss ja nicht auch noch sein.

Die Wirtschaftskammer rief und Paal hörte weg

Mit Dass es uns gibt, hat keinen Sinn! enttäuscht Gunkl, schafft aber damit auch Klarheit. Angesprochen auf den Sinn seines eigenen Daseins, zieht Paal die Augenbraue hoch: Einen Sinn macht man sich. Man muss einen Sollzustand in der Zukunft beorten und was zu tun beginnen. Also einem Sinn folgen. Die Sinngebung im Glauben ist ja eigentlich ein feiger Ansatz, weil der Sinn an sich erst im Jenseits beweisbar ist. Da finde ich es weit kühner, mir selbst einen Sinn zu schaffen. Da setze ich mich dem Risiko aus, dass es in den Orsch gehen kann. Sein philosophischer Unterbau liegt in einem Zitat von Horaz: Nützen und erfreuen. Aktuelles Thema ist die Herstellung von Denkmöglichkeiten. Man soll sehen, dass es mehr als einen Weg gibt und nicht die ganze Welt nach meiner Fasson glücklich werden muss. Das will ich verbreiten.

Politik in seine Programme einzubauen ist Paal zu blöd. Für mich sind die Grundlagen interessant, nicht die Ausformungen … außerdem kann ich Politiker nicht ernst nehmen. Die Politik bediene die Wirtschaft, da kann man nix machen. Außer man beginnt wirklich selber etwas, zum Beispiel wie die Ute Bock. Was die macht, find ich gut!

Für sozialdemokratische Anbiederungen an die Wirtschaft hat Paal kein Verständnis, eine Anbiederung derselben ihm selbst gegenüber hat der Kabarettist kühl abgeblockt. Die Wirtschaftskammer wollte mich für einen Wien-Führer einspannen, ich sollte meinen Bezirk vorstellen. Ich meine, ich wohne gern im Neunten und es gibt einige Platzerl, die mir hier wirklich gut gefallen aber: die Wirtschaftskammer? Die steht mir ja sowas von vis-à-vis!

Lieber beim Zahnarzt als bei einem Fest

Als Gunkl ein Name, den ihm sein Bruder in vorsprachlicher Zeit verpasste spielt er seine komplett eigenen Geschichten. Das gehört mir. Alles, was nicht voll Gunkl ist, mache ich als Günther Paal. Neben dem aktuellen Gunkl-Programm spielt Paal bei Alfred Dorfer und erklärt uns ab und an die Welt als Experte für eh alles, was insgesamt einen ziemlich dichten Zeitplan ergibt. Wann lebt Günther Paal? So einen großen Betrag an Leben beanspruche ich nicht. Was ich machen will, bring ich immer unter. Der bekennende Asperger-Syndrom-Aspirant (Leider fehlt mir die Höchstbegabung) sieht das Out als seine Position: Kontakt zu Artgenossen habe ich nur sehr eingeschränkt. Ich bin lieber beim Zahnarzt als bei einem Fest … ich bin generell kein großer Anteilnehmer, ich fahre sozusagen emotional am Reservelamperl. Hat er nie Teil einer Gruppe sein wollen? Dazugehören wollen ist für mich wenig attraktiv. Von einer Gruppe bekomme ich weit weniger als ich selber hergeben muss. Ganz deutlich sieht Paal das bei Peer Gynt: Hätten die mich gefragt, wir hätten fünf Minuten nach Beginn der Vorstellung heimgehen können. Bist du dir selbst genug? Ja!

Nochmals kommt Paal auf seine Botschaft der Vielfalt des Möglichen zurück: Einmal war ich auf einem Seminar, da sollten sich zirka 50 Erwachsene plötzlich umarmen. Innerhalb von fünf Minuten hat es in dem Raum gestunken wie in einem Pumakäfig: die Leute können das nicht. Ich auch nicht. Und ich sage: Wer es nicht kann, soll es auch nicht tun müssen! Den vorsichtigen Einwand, dass der Trend derzeit nun einmal in Richtung Emotionalisierung gehe, wischt er fort: Emotion ist im Kommen? Das ist doch eine Modeerscheinung! Das ist genauso wie: Großer Busen ist im Kommen! Was soll das? So wie sie gewachsen sind, sind sie eben!

Für Improvisationen sind andere zuständig

An seinem neuen Programm wird Paal im Jänner zu schreiben beginnen. Das Thema steht noch nicht fest, aber es soll jedenfalls eine Geschichte werden. Hätte es eigentlich schon beim letzten Programm Vom Leben werden sollen, schmunzelt er, aber dann bin ich nach drei Minuten aus der Zeit abgebogen. War mir aber damals wurscht, ich hab dann einfach selber wissen wollen, wie das weitergeht. Bis zur Fußball-EM 2008 will er den neuen Gunkl fertig haben: Ich möchte mir jedes Spiel anschauen können. Nachsatz: Obwohl ich das tatsächlich wahrscheinlich nicht tun werde. Im Vorjahr war er von der WM enttäuscht: Manche Spiele seien durchaus gut gewesen, meint Paal, aber da waren schon einige Hundskick auch dabei. Und die Brasilianer … so derf ma net spüln, wenn ma Weltmeister sein will. Eher fasziniert ihn Tischtennis: Die Spieler befinden sich auf Distanz, jeder bleibt in seiner eigenen Hälfte. Es wird über das Medium Ball kommuniziert, und man kann kein Foul begehen. Wenn du dem Gegner eins auswischen willst, musst was können. Da kannst ihm nicht einfach den Fuß übers Schienbein hauen.

Auch wenn Paal leichtfüßig durch die unterschiedlichsten Themen zu mäandern scheint und verblüffenderweise trotzdem zwischendurch immer wieder zart einen roten Faden antippt: Seine Programme sind Wort für Wort durchgeschrieben obschon er im deutschsprachigen Ausland den Dialekt mildert. Improvisation findet selten Platz; wenn doch, dann eher bei der Zugabe oder in Dorfers fremd: Da gibt es eine Stelle, da soll ich irgendwas zu Innen-Außen-Dichotomien sagen. Und da improvisier ich dann halt manchmal.

Wobei er es sich nicht nehmen lässt, gegebenenfalls durchaus auch ins Publikum zu kommentieren. Wer das Pech hat, in den vorderen Reihen zu sitzen, die Paal trotz scheinwerferlicher Blendung noch ausmachen kann, muss damit rechnen, von ihm beim themenfremden Schwätzen ertappt zu werden: Also ich weiß nicht … da wird beim Nachbarn nachgefragt, dort schreibt einer mit … soll ich irgendwas noch einmal erklären?

Info:

Wer sich durch Gunkls Programme und Website kämpft, kann sich einige wenige Facts aus dem Leben des Günther Paal zusammenkletzeln. Der 45-Jährige ist in Favoriten aufgewachsen, wo vermutlich auch der Ursprung seiner liebevoll in Szene gesetzten Wuchteln liegt. Nach einer Phase in der Gastronomie (Ich war da Kellner in so einem kleinen Beisl) begann er 1993 als Musiker bei Alfred Dorfer und stellte 1994 sein erstes Solo-Programm auf die Bühne. Für alle, die’s wissen wollen: www.gunkl.at

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