Hubsi Kramars GratwanderungenArtistin

Scheibbser Nestbeschmutzer rächt sich

Hitler wollte den Opernball besuchen. Hitler wollte mit der reschen Frau Riess-Passer ein Tänzchen machen. Aber das wurde verhindert. Denn Hitler wurde gewaltsam festgenommen und wegen des Verdachts der Wiederbetätigung stundenlang verhört…Es war ein spektakulärer Auftritt von Hubsi Kramar, dem Schauspieler, Regisseur und Autor, sowie Mitinitiator der neuen Kulturstätte Kabelwerk. Er selbst bewertet die Verhaftung und versuchte Anklage als ein schreckliches Zeichen.

„Hitler lebt für die Österreicher,“ schließt er aus den Ereignissen. „Sie lieben und sie fürchten ihn und sie wissen nicht, ob sie davon laufen oder sich freuen sollen, wenn ich als Hitler durch die Straßen gehe.“ Bereits vor zwei Jahren ist Hubsi Kramar als Hitler in Graz einmarschiert und auch damals waren die Reaktionen irgendwie nicht von dieser Welt: „Ich hätte glauben können, ich bin Hitler.“

Dabei verfolgt Hubsi Kramar die Theorie, daß erst dann, wenn die Menschen endlich über Hitler reden und lachen könnten,- wenn zum Beispiel tausende Hitlerfiguren durch die Straßen Österreichs gehen würden,- dann erst würden sich die Menschen von diesem Schreckgespenst befreien können und das ganze Kapitel wirklich aufarbeiten können. Stattdessen aber findet eine Dämonisierung statt, die jeglichen Befreiungsprozeß lähmt.

„Aber es ist schon eine Gratwanderung, was ich da mache,“ weiß Hubsi Kramar. „Denn es gibt ja wirklich einige Menschen, die ernsthaft davon überzeugt waren, ein Rechtsradikaler käme zum Opernball.“ Und er fügt hinzu: „Es gehört halt schon eine Portion Kronenzeitungsdummheit dazu, das zu glauben. Aber das Land ist halt im KZ – also im Kronenzeitungsdenken. Wir haben uns nie aus den KZ’s befreit und diese Zeitung ist eine der Hauptverantwortlichen dafür, daß das Land geistig umnachtet dahindämmert und in die nächste Falle rutscht.“

Kunst als Mittel des Widerstands gegen rückschrittliche Kräfte und Rassismus, das ist für Hubsi Kramar nichts neues. „Jede Art von Ausschließlichkeit ist Rassismus. Und meine Art von Theater ist immer ein dialektischer Prozeß. Nicht Schwarz-Weiß-Theater, was eben faschistoides Denken ist, sondern immer These-Antithese-Synthese.“

In Scheibbs geboren, eckte er schon in seiner Kindheit an. Drei Tage blieb er im Kindergarten, keinen Tag länger. Und dafür ist er seinen Eltern heute noch dankbar, daß sie ihm halfen, dem Zwangssystem einer Nachkriegserziehung zu entkommen. „Das war ja 1951, da war bereits alles in Österreich wieder fest in Nazihänden. Die Österreicher wollten gar nicht befreit werden, denn jetzt rennen sie ja geradeaus ins nächste Unglück, nur daß sie halt nicht die Hand heben.“

Der Scheibbser „Nestbeschmutzer“, der er von Anfang an war, absolvierte das Max Reinhardt-Seminar, verbrachte einige Zeit an der Filmhochschule und hatte dann zahlreiche Engagements an renommierten Theatern in Deutschland und Österreich. Lange blieb er nie, denn auch in Theaterbetrieben fühlte er sich an seiner freien Meinungsäußerung massiv behindert. Gute Filmrollen, wie z.B. in Steven Spielbergs „Schindlers Liste“ ermöglichten es ihm, seine freien Theaterprojekte voranzutreiben. Das jahrelange öffentliche Ärgernis Hubsi Kramar mußte natürlich immer um Subventionen kämpfen, aber immer wieder bekam er sie auch.

 „Sie sollen mich nicht lieben, sie sollen Gesetze erfüllen“

„Ich kann zwar nicht erwarten, daß sie mich lieben,“ sagt er und meint die öffentlichen SubventionsgeberInnen. „Ich liebe sie ja auch nicht. Aber ich verlange, daß sie die Gesetze erfüllen. Im Kunstförderungsgesetz steht, daß experimentelle und andere Kunst gefördert wird.“

Die ständige persönliche Veränderung, das ist für Hubsi Kramar höchstes Ziel: Einige Wochen seines Lebens verbrachte er bei den Hopi-Indiandern in der Wüste Mexicos, er holte sich neue Erfahrungen in einem antroposophischen Altenheim und er erwarb einen Buisness-Abschluß einer amerikanischen Universität.

„Für mich hat dieser Beruf mit einer Recherche zu tun,“ erklärt Hubsi Kramar seinen ungewöhnlichen Weg. „Mit einer Art Suche nach ständig neuen Ufern.“ So kommt es auch, daß er in den dreißig Jahren seiner Theatertätigkeit mit so vielen verschiedenen Projekten in Verbindung gebracht wird, daß auch sein Publikum immer wieder wechselte. „Verschiedene Inhalte bringen eben unterschiedliche ästhetische Notwendigkeiten mit sich,“ sagt er. „Die Gesellschaft verändert sich ja auch ständig und ich mich selber auch.“

Zur Zeit inszeniert Hubsi Kramar gemeinsam mit Karl Wozek „ham.let, es ist etwas faul im Staate“ im Kabelwerk in Meidling, eine Produktion, die Shakespeares Hamlet und Heiner Müllers Hamletmaschine verknüpft. Und natürlich ist es kein Zufall, wenn Hubsi Kramar dieses Thema gerade jetzt aufgreift.

„Der Hamlet war für mich immer aktuell,“ sagt er. „Aber jetzt ist er noch aktueller für die Situation in der wir stecken, mit diesem Verrat vom Schüssel.“ Der junge Hamlet wird betrogen und scheitert an seiner Ehrlichkeit und den herrschenden Machstrukturen. Zwar könnte er sich fügen und schweigen und dadurch eine gesicherte Position erlangen, aber gleich von Anfang an weigert er sich, dieses Spiel mitzuspielen. Also wird er schließlich Opfer des Systems.

Mit Heiner Müllers Hamletmaschine wird die persönliche Tragödie Hamlets auch noch kollektiviert und auf die Geschichte des 20. Jahrhunderts, auf das Scheitern an Macht und Lüge umgelegt.

„Alles, was wir als böse und schlecht in anderen erkennen, haben wir auch in uns selbst,“ weiß Hubsi Kramar. „Wir projizieren es nach außen und wir schrecken uns davor. Die Paranoia des Sauberen, Anständigen und Guten vermutet ja überall den Feind. Wenn man jetzt die Menschen auf ihre existentiellen Sorgen reduziert, dann sind das lauter Mittel, sie in Angst und Schrecken zu versetzen, damit sie überall mitmachen.“

Und Hubsi Kramar nennt ein aktuelles Beispiel: alleine der Bericht über ein bestimmtes künstlerisches Ereignis gefährdete die Position eines Redakteurs des ORF, so daß sich dieser entschloß, nichts zu berichten.

 „Wie lange muß sich Morak auskotzen, bis er in den Spiegel schauen kann?“

„Das Schlimme an Haider ist ja nicht nur, daß er rechtsradikal und dehalb so gefährlich ist,“ sagt Hubsi Kramar. „Er bindet auch alle Kräfte, die Angst vor der Zukunft haben. Damit wird das Unterste im Menschen ist hochgekehrt. Und dazu kommt, daß uns bereits zum dritten Mal das Christlichsoziale in den Faschismus reinreitet. Und jetzt verlangt der Schüssel auch noch den Schulterschluß. Und das heißt Schulterschluß mit dem Rechtsradikalen, dem Nationalsozialismus. Denn die FPÖ ist nationalsozialistisch: sie nennen sich sozial und sind als Rassisten absolut national. Und auch diese Tendenzen: raus aus der EU, damit sie keine Kritiker mehr haben, das gehört alles dazu. Ich frage mich auch, wie lange braucht der Kunstfutzi da, der Morak, wie lange muß sich der in der Früh auskotzen, bis er sich in den Spiegel schauen kann. Sicher so lang, bis die Maskenbildnerin kommt. Und ich bin auch deshalb so zornig auf die Regierung, weil sie uns soviel Arbeit aufhalst, die einfach gemacht werden MUSS.“

Hubsi Kramar ist nicht nur zornig. Er weiß, daß Widerstand ein hohes Lustpotential braucht, um lebendig zu bleiben. Es soll gelacht werden, es soll geredet werden. Am 20. April, zu Hitlers Geburtstag, gibt es daher im Kabelwerk wieder „Über-Lebenskünstler“ zu sehen: Dr. Zilk hat Hitler in seine Sendung eingeladen und Hitler kommt nicht zu Wort.

„Ich liebe ja diese Hitlerrolle,“ sagt Hubsi Kramar. „Ich kann mich dadurch auf meine Art rächen.“

Altbürgermeister Zilk hat das Programm noch nicht gesehen, enge Freunde von ihm schon. „Die sind am Boden gelegen vor lauter lachen,“ sagt Hubsi Kramar. Und er fügt hinzu: „Auch der Herr Zilk ist herzlich eingeladen.“

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