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"Auf der Flucht"- Eine dreiteilige Fernsehshow auf der Theaterbühne

johnny.jpgAus Österreich nach Afrika flüchten!? Ja, das führte Johnny im Schilde, doch er schaffte es nicht einmal ins Flüchtlingslager Traiskirchen. Aber, er traf Menschen, die am Rande der Gesellschaft leben, und solche, die diesen unter die Arme greifen. Für Johnny lautet daher das Gebot der Stunde: die Gesellschaft verändern er wird daher Fernsehmoderator für prekäre Lebenssituationen.

Ein Gespräch mit der Performancekünstlerin Barbara Kraus und Hannes P. Fishy Wurm, über ihr Gemeinschaftsprojekt Auf der Flucht oder Johnnys Suche nach dem Sinn des Lebens, das zurzeit im brut-Theater läuft und im Winter auf dem Sender Okto als Produktion von Augustin TV ausgestrahlt wird.

Wer ist dieser Johnny, und wo treibt er sich herum?

Barbara Kraus: Johnny ist mein Agent, er wird von mir beauftragt, Dinge zu tun oder in Situationen hineinzugehen früher vor allem unliebsame Dinge, die ich nicht machen wollte, wie Pressekonferenzen oder ein Treffen mit dem Morak (Anm.: Franz Morak war von 2000 bis 2006 Staatssekretär für Kunst und Medien) nach dem Regierungswechsel. Das war das erste Mal, dass er die Bühne verlassen hat und ins reale Leben geschickt worden ist. Johnny hat mit Morak über sein Mitlaufen bei der politischen Wende Klartext geredet. Dann folgten aus dem Kunstkontext, in dem ich mich bewege, wie Tanzquartier oder Festivals, Aufträge. Er hat mich dort vertreten.



Welches Konzept steckt dahinter?

BK: Johnny war von seiner Anlage her immer eine Strategie, die sich gegen Instrumentalisierung gewehrt hat. Ich habe den Eindruck, dass er jetzt in einem seltsamen Zwischenzustand steckt, den ich aber von außen betrachtet sehr interessant und fruchtbar halte. Ursprünglich habe ich den Johnny 1999 für die Arbeit Wer will, kann kommen entwickelt. Es ist darum gegangen, wie Frauen in der darstellenden Kunst ins Bild gerückt werden, welche stereotype Zuschreibungen bei Frauen gemacht werden. Ich wollte zeigen, dass das Geschlecht eine soziale Konstruktion ist. Den Johnny habe ich damals sehr platt konstruiert, damit er gut lesbar ist. Um dieses soziale Konstrukt Mann überzeugend rüberzubringen, wurde er mit Machoattributen ausgestattet. Er kommt aus einem Milieu, das stark mit meiner Kindheit verknüpft ist spricht Dialekt, ist nicht besonders gebildet, hat aber Bauernschläue. Jetzt ist er nachdenklicher geworden femininer, hat mir gestern (Anm.: nach der zweiten Talkshow) jemand gesagt. Im Grunde hat das 2005 in Leipzig im aussterbenden Stadtteil Plagwitz begonnen. Er ist dort herumspaziert und fragte PassantInnen, was Demokratie sei. Die Leute haben ihm erzählt, dass sie von 160 Euro im Monat leben müssten, Stichwort Hartz IV. Das war der erste Moment, wo der Johnny mit Wohlstandsarmut konfrontiert war, das hat ihn sehr betroffen gemacht. Es war auch das erste Mal, dass Johnny als Mann in Frage gestellt wurde. Meine These, dass Männlichkeit ein soziales Konstrukt ist, dem Eigenschaften zugeschrieben werden, und dass Mitgefühl nicht unbedingt eine ist, mit dem sich Männer ihre Identität konstruieren, wurde dadurch bestätigt.



Wie kam es zur Talkshow-Reihe?

Hannes P. Wurm: Der Ursprung des Projekts ist im Buch von Klaus Brinkbäumer mit dem Titel Der Traum vom Leben. Eine afrikanische Odyssee zu finden. Der Autor, ein Journalist, hat mit einem ehemaligen Flüchtling dessen Fluchtroute bereist über die Sahara nach Europa, also all die Stationen, für die der Flüchtling mit dem Immer-wieder-Zurückgeschicktwerden über vier Jahre gebraucht hat.

Ich dachte mir, wie wäre es, wenn man die Flucht umdreht, d. h. wenn wir nicht mehr in Europa sein wollten und uns in Afrika ein Ideal aufgebaut hätten. Das hat natürlich etwas Zynisches, denn der Europäer hat natürlich die Möglichkeit, jederzeit hin und her zu fahren. Mir war es aber ein Anliegen, Vergleiche herstellen zu können und das Ganze in einen abstrakteren Rahmen zu setzen. Das Projekt hat sich dann auf die Situation in Österreich konzentriert, wo der Rechtsschutz für AsylwerberInnen nicht mehr gegeben ist, wo der Europarat dezidiert gesagt hat, Schubhaft ist eine Art Folter und ist nicht mit den Menschenrechten konform. Man kann meinen, in anderen Ländern schaue es noch schlimmer aus, aber ich bin in Österreich und möchte hier mindestens Rechtsnormen haben, die nicht mit Füßen getreten werden, wie es mit Verfassungsmehrheit bei der letzten Reform (Anm.: zum Fremdenrecht) geschehen ist.


BK: Philip Sonderegger (Anm.: von SOS Mitmensch) meinte, es sei ganz wichtig, diese Rechte zu erstreiten. Man muss ein Bewusstsein schaffen, dass man als Mensch eine Verantwortung trägt; es passieren Dinge, zu denen man sich in Beziehung setzen muss.

HPW: Dass der oder die Andere auch als Mensch wahrgenommen wird. Welche Menschenschicksale hinter Flüchtlingen stecken, sieht keiner das ist irre. Herr Bulayumi vom Afroasiatischen Institut war in der zweiten Talkshow zu Gast und hat in der Vorbesprechung ein sehr schönes Statement gebracht, nämlich: Die Fluchtbewegung nach Europa ist eine politische Flucht, denn durch den Imperialismus können die Leute dort nicht mehr überleben, während die Wirtschaftsflucht zu einem Liechtensteiner Bankkonto führt.



Das Problem solcher Veranstaltungen wie Auf der Flucht ist, dass 99 Prozent des Publikums für diese Themen sensibilisiert sind. Diejenigen, die man erreichen sollte, gehen nicht hin. Ist es daher nicht ein selbstreferenzielles Projekt?

BK: Spannend dabei finde ich, dass es im Theater stattfindet die Theaterwelt hat ja auch eine totale Selbstreferenzialität. Viele Leute aus dem Theaterbereich waren anwesend, somit beginnen sich diese Welten zu vermischen. Ich finde es wichtig, diese in sich geschlossenen Zirkel zu infiltrieren, deshalb ist der Johnny auch eine super Figur, da er in jede Welt hineingehen kann. Er ist ein Zwischenwesen, das die Spielregeln bis jetzt nicht so gut kennen gelernt hat und sie dadurch auch hinterfragen kann.

Die Gäste der ersten beiden Shows ziehen ideologisch am selben Strang. Was würde dagegen sprechen, jemanden einzuladen, der keinen liberalen Zugang zur Flüchtlingsthematik hat.

BK: Erstens hat es einen ganz pragmatischen Grund: Es ist viel schwieriger, an die Andersdenkenden heranzukommen. Neben diesem pragmatischen Grund war es auch eine bewusste Entscheidung, einerseits einen Ist-Zustand aufzuzeigen und zu analysieren, andererseits sollen die Leute mit einem Gefühl rausgehen, dass nicht alles hoffnungslos ist, dass man etwas tun kann, wie Zivilcourage entwickeln. Das war uns wichtiger als einen kritischen Diskurs einzuführen im Sinne von Meinung und Gegenmeinung, was aber rein dramaturgisch betrachtet interessant hätte sein können.

Hast du als bekennende Radiohörerin einen selbstironischen Zugang zum Format Fernseh-Talkshow?

BK: Was ich mit diesen Talkshows bezwecke, ist im Grunde ganz simpel: Ich möchte etwas über diese Themen lernen und dem Publikum einen Anreiz geben, sich mit diesen Themen nicht nur auf einer intellektuellen, sondern auch auf einer emotionalen Ebene zu beschäftigen. Ich habe den Wunsch, damit bei Leuten etwas in Bewegung zu setzen, sie sollen sich denken: Was könnte ich in meinem Umfeld beitragen, damit die Welt ein besserer Ort wird. Somit hat der Johnny einen Auftrag. Revolution wäre ein bisserl zu viel, denn wer glaubt schon daran, aber wenn man Revolution so definieren würde das habe ich heute in der Früh im Radio gehört: Viele Einzelne, die sich engagieren, können eine kollektive Kraft entwickeln, das ist schließlich auch das Prinzip, das der Demokratie zugrunde liegt, dieses Zitat stammt von Leo Hickman, der das Buch Fast nackt über ethisch korrektes Leben geschrieben hat.

Wir wollten ein Format entwickeln, um Themen wie Armut oder prekäre Lebenswelten besser ins Scheinwerferlicht rücken zu können. Ich habe noch immer viele Fragezeichen, denn ich schaue nicht fern, bin auch ohne Fernseher aufgewachsen und habe nur ganz wenige Fernseh-Talkshows gesehen. Ich finde dieses Format sehr schwierig, um Themen ernsthaft behandeln zu können. Aber ich finde auch, der Johnny ist dafür sehr gut geeignet.

fishy: Letztendlich ist es auch ein Theaterprojekt. Wir überlegten, die Talkshows im Studio zu drehen, doch mir war es lieber, ins Theater zu gehen. Dort ist eine Unmittelbarkeit gegeben, die Emotionen hervorruft.



Eine Besonderheit dieser Talkshows ist, dass Johnny KomoderatorInnen an seiner Seite hat, aber weshalb?

HPW: Die Idee war, den Johnny etwas zu entlasten, dass er sein erworbenes Wissen nicht abrufbar parat haben muss und dass er auch ein Lernender sein kann, d. h. er kann noch Interesse oder Neugierde entwickeln, die Zusammenhänge auch verstehen zu wollen. Die Komoderatorin Corinna Millborn hatte den Auftrag, dem Johnny die Zusammenhänge zwischen Globalisierung, Flucht und Finanzkrise zu erklären. Im Publikum sitzen vielleicht Leute, die es auch nicht genau verstehen, aber sich nicht trauen, das zuzugeben, und sich nicht trauen, nachzufragen. Johnny traut sich nachzufragen, das ist sein großes Plus.

Info:

Auf der Flucht oder Johnnys Suche nach dem Sinn des Lebens

Der dritte und letzte Teil der Talkshow-Reihe ist zum Thema: Solidarisches Handeln und Denken Alternativen gegen die Ohnmacht.

Mit: Anna Gruber (Verein Grenzenlos), Astrid Hackl (Plattform der Bürgerinitiativen), Martin Haiderer (Wiener Tafel Verein für sozialen Transfer), Klaus Hofstätter (connecting people), Manfred Ecker (Linkswende) u. a.

Komoderation: Philipp Sonderegger (SOS Mitmensch)

Dienstag, 25. November, 20 Uhr

brut im Konzerthaus

Lothringer Straße 20

1030 Wien

Eintritt: 13,/ 7, ermäßigt

Die Sendetermine der von Augustin TV mitproduzierten und aufgezeichneten Shows standen bei Redaktionsschluss noch nicht fest. Sie werden im Augustin in der Rubrik Augenschmaus und im Web unter folgender Adresse veröffentlicht: www.okto.tv/augustin

Radiohinweis: Am Montag, dem 24. Nov., bringt Radio Augustin auf Orange 94,0 (im Kabel auf 92,7) nicht nur das Interview mit Barbara Kraus und Hannes P. Wurm, sondern darüber hinaus auch noch ein Exklusiv-Gespräch mit Talkmaster Johnny.