Der Swarovski-SongDichter Innenteil

Wie ein Liedchen laufen lernte:

Dass Kinder dazu neigen, ein dynamisches Eigenleben zu entwickeln, weiß ich natürlich, schließlich bin ich dreifache Mutter. Dass das mit Songs auch so sein kann, war mir bis vor kurzem neu. Vor allem, weil die Liedermacher, heute Songwriter, eigentlich abgeschrieben sind.Wie konnte ich das auch ahnen, damals, am Beginn der Wirtschaftskrise, als ich am Bahnhof von Meidling stand, auf den Zug wartete und unschuldig die bescheuerte Gratis-Zeitung aufschlug?

Fiona Swarovski hatte sich in einem Fernsehinterview betroffen gezeigt, angesichts der globalen Entwicklung, und da sie nicht nur reich ist und einen schönen Mann hat, sondern auch gerne zeigt, dass sie geistig was drauf hat, geizte sie nicht mit Tipps fürs Volk, um sich vor dem Privatbankrott zu wappnen: der bekannte Tomaten-Salat-Ausspruch. Richtig. Den hab ich da gelesen und wuush war es wieder da, das Gefühl, und ich kramte sofort nach Schreibzeug, weil da was im Kommen war werdende Eltern wissen, was ich meine (und genießen es, weil sie sich der Konsequenzen nicht bewusst sind, und das ist gut so, denn wer würde da noch aber das ist ein anderes Thema).

Die Geburt war kurz und schmerzlos, und das war auch gut, weil die Zeitungsverkäufer haben schon so hergeschaut, denn wer kniet um 8 Uhr in der Früh schon am Bahnhof Philadelphiabrücke am Boden und bekritzelt alte Supermarktrechnungen?

Die Kinder freuten sich über die neue Melodie, die unsere Wohnung bevölkerte, und das Swarovskilied landete, wie viele Songs vor ihm, im Gitarrekasten. Schließlich hatte ich, alleinerziehend und alleinverdienend, andere Sorgen.

Wie heißt es noch mal so schön? Geteiltes Leid ist halbes Leid? Ja. Also erzählte ich meiner Tontechnikerin, die grad wieder mal ohne Arbeit dastand (obgleich gut ausgebildet, an Erfahrung reich und sympathisch), von meinen finanziellen Ärgernissen, und wir ätzten frischfröhlich drauflos, als er mir wieder einfiel: der Swarovski-Song.

Gut, dass Uli ihn hören wollte, besser, dass sie ihn gleich aufnehmen wollte.

Wir verwandelten das Kinderzimmer wieder in ein Tonstudio (sämtliche Textilien rein, sämtliche Kinder samt DVD-Player ins Bad) und nahmen auf.

Ich stellte das Lied mit mütterlich geschwollener Brust auf MySpace, und da blieb es vorerst, klein, fein und unbemerkt vom Rest der Welt.

Bis die Demo kam.

10.000 Menschen vorm Parlament: „Wir Zahlen Nicht Für Eure Krise.“ Mitten drin: Maria Stern. Die es verständlich, aber traurig fand, dass die Stimmung immer aggressiver wurde. Die beschloss, die Mitmenschen ein wenig aufzuheitern, und der es dann tatsächlich gelang, die Masse mit dem Swarovski-Song zum Lachen zu bringen.

Der CD-Verkauf verlief prima. Dann kehrte wieder Stille ein. Worüber meine Kinder recht froh waren, da sie der Refrain bereits empfindlich zu nerven begann.

Der Sommer zog ins Land, der Herbst, meine Kinder wuchsen und gediehen, längst an unsere bescheidenen Verhältnisse gewöhnt, denn das mit dem Alleinerziehen und Alleinverdienen ist ja immer so eine Gratwanderung, das müsste ich der Fiona eigentlich mal schreiben, vielleicht will sie sich ja tatsächlich mal nützlich machen (Stiftung?), und da befand ich mich wieder auf einem Bahnhof, dieses Mal wars der Westbahnhof. Ich blätterte mich wieder durchs Gratis-Blatt, was mir eh unangenehm ist, aber ich les nun mal alles, was ich zwischen die Finger krieg, und ich las diesen klitzekleinen Artikel, visuell geschmückt von Österreichs schillerndstem Glamourpaar (vor der Zeit ihres Outings als Blitzverdienstermöglicher).

Reichensteuer

Die jungen Roten forderten eine Reichensteuer, ihre Homepage wurde von Fionas Gelaat geziert, und dass die Website www.fionamusszahlen.at heißt, beschwörte gerade die nächste Homepageaffäre herauf, weil das die Fiona gar nicht gut fand, dass man sie plötzlich nicht nur als Jet-Set-Mutter-Überfrau wahrnahm (hat sie eigentlich eine Ausbildung? Ich mein, bei dem Design ), sondern sie in die Verantwortung nehmen wollte, denn was ist denn das für eine Frechheit, wenn da auf einmal Umverteilung verlangt wird, wo doch jetzt auch die Reichen sparen müssen!

Ich schickte den jungen Roten den Song, die stellten ihn auf ihre Homepage, und dann kam der Auftritt im WUK, vor geladenen Politikern nein, der kam nicht, weil ich nämlich krank war, das ärgerte den Song dann schon ein bisserl, weil er hätt so gern im WUK

Und dann der Anruf. Von Jürgen. Gerade als ich mich bei der U-Bahn-Station Währingerstraße/Volksoper befand. Als Folge dieses Anrufes drehten sich alle her, was meiner Ältesten sehr peinlich war („Mama, mach dich nicht wieder so wichtig!“), denn ich hab kurz, aber laut (Sängerin) geschrien: „Fiona will klagen. Wegen meinem Liedchen!“ (Meinungsfreiheit? Künstlerische Freiheit? Verstehen Sie Spaß?) Mein Song auf der Titelseite des Gratisblattes, das mir, uups, langsam sympathisch wurde, ja, man entwickelt da im Lauf der Zeit so familiäre Gefühle, und fast hätt ich das Lied ein wengerl geschimpft, wie ein Kind, das dann doch zu weit weggelaufen ist, aber dann hab ich es doch stolz umarmt, denn es kommt nicht oft vor, dass der ganze Text eines Liedes in einem Gratis-Blatt abgedruckt steht wenn auch falsch, und auf die Reklamation hat der Chefredakteur nicht mal geantwortet. Geld hab ich auch keins gesehen. Da fragt man sich als Urheber auch ein bisserl, wie das denn ist, das mit dem Höflich-gefragt-Werden, ob man den Text ohne zu zahlen, in einem auflagenstarken Gratisblatt veröffentlichen darf, weil geistiger Besitz und so. Aber was solls: Der Artikel war Maria-Stern-freundlich geschrieben. Als mich Katharina fragte, ob der Song denn endlich auf YouTube zu sehen sei, weil die Menschen das möchten, bat ich meinen Vater, also quasi den Großvater des Liedes, uns zu filmen. Nicht, ohne vorher eine Strophe hinzugefügt zu haben, denn inzwischen war Österreich vom BUWOG-Skandal überrollt worden, eh nur kurz, weil dann die Audimax-Besetzung folgen würde, aber so weit sind wir noch nicht, und ich stellte mein gereiftes Liedchen sichtbar ins Netz (unter Swarowski Film, mitten rein in die Kristallpracht, wo es bis auf den heutigen Tag vor sich hin funkelt. Falls mich die altehrwürdige Familie bestechen wollte, weil es ihr Image im Netz schadet: Ich würde mich nicht bestechen lassen, von wegen der Meinungsfreiheit. Wenn die also den Augustin lesen, sind sie gewarnt).

Ja, und dann wurde das mit dem Grasser immer ärger, und das ist ärgerlich, dass er meinem Lied die Show stielt. Aber wer weiß, wir harren geduldig der Dinge und haben keine Angst vor der Justiz, denn es ist ja nur ein Lied.

Und übahaupts gibts bei FM4 den Protestsongcontest bei dem werd ich meinen wackeren Sprössling jetzt anmelden gehen.

Und falls Sie, werte Augustin-Leser, den Text immer noch nicht kennen sollten, bitte, exklusiv, nur für Sie:

Swarovski-Song

Ich bin ein kleiner Glückspilz,

ich bin ein Sonntagskind:

Denn ich hab eine Fensterbank,

auf der Esspflanzen sind.

Mein Konto ist zwar geplündert,

der Kühlschrank wieder leer,

doch seit Fionas Tipp

fällt mir mein Alltag nicht mehr schwer.

Ref: Fiona, ach Fiona,

ich werd jetzt Bäuerin,

dann hab ich in meinem Börserl

wieder mehr Euros drin

Fiona, ach Fiona,

du funkelnder Kristall,

die Börsen stürzen ab,

doch bei uns grünt es überall!

Das Leben, das ist gut,

das Leben ist gerecht:

Manchen geht es gut,

den meisten geht es schlecht.

Doch gut, wenn dann die Manchen

so kluge Leute sind,

drum kür ich dich, Fiona,

zum Wirtschaftsratgeberwunderkind

Ref: Fiona, ach

Fruchtbare Kartoffelfelder

wachsen um mein BUWOG-Haus.

Und dass seit der Privatisierung die Mieten stiegen

macht mir fast nichts aus.

Ich schenke meinem Nachbar

gern Meinl-Kaffee ein,

und denke mir: Der Karl-Heinz

der ist ein richtiger Prinz.

Ref: Fiona, ach

Dank dir zieh ich Tomaten

und drei Häuperl Feldsalat,

und von meinem Fensterbankgarten

wird meine Familie satt.

1 % der Österreicher

hat 1/3 vom ganzen Geld,

fein, dass ein Mensch wie Fiona

den Blick fürs Ganze gut behält

Ref: Fiona, ach

www.youtube.com (suchen nach: „Swarovski Film“)