13. August 2004F13

♦ Neunerhaus ♦ Unicampus Besetzung ♦ Slow Forward ♦ F13 Volxküche ♦ Peckerl ♦ Fest

Neunerhaus

Klare Mehrheit für Freifahrt für Obdachlose. Das Team des neunerHAUS (unabhängige Obdachloseneinrichtung im 3. Bezirk) zieht nach F13 eine tolle Bilanz. Schauplätze: Opern-Passage, dann Jonasreindl. Mittels einer Bodenzeitung wird ein Voting durchgeführt. Eine Volksbefragung. Die Frage lautet: Wie finden Sie es, dass Obdachlose in Wien für die Öffis voll zahlen? Die Abstimmung fällt ganz klar zugunsten der Armen und sozial Ausgegrenzten aus. Von Rund 100 Passanten, die ihr Kreuz auf die Bodenzeitung setzen, sprechen sich 40 für die Freifahrt für Obdachlose aus, 25 sind für ein Halbpreisticket (schon das wäre eine revolutionäre Verbesserung gegenüber dem Istzustand). Nur sieben Menschen finden es gut, dass Obdachlose voll zahlen.

«Wir haben mit unserer Forderung nach einem Sozialticket für einkommensschwache Menschen also die öffentliche Meinung auf unserer Seite. Im Zuge der Umfrage haben wir auch Unterschriften für unsere Sozialticket-Petition gesammelt. Über 100 Menschen haben während der F13-Aktion unsere Forderung nach sozial vertäglichen Tarifen bei den Wiener Linien unterstützt. Für das neunerHAUS war F13 also ein voller Erfolg», meinen die Initiator_innen.

Besetzung Uni Campus

Die neuen «Narren» geben nicht auf. Neben dem Narrenturm im Areal im alten AKH besetzt die Gruppe Freiraum am Freitag den Dreizehnten mit rund 100 Menschen erneut das Objekt ihrer Visionen.

Der zweite Versuch einer Instand-Besetzung beweist, dass die AktivistInnen ihr Anliegen ernst meinen, ein selbstverwaltetes Sozial- und Kulturzentrum auf dem Uni Campus zu etablieren. Gerade m Uni Campus wäre ein von jungen Leuten selbst gestalteter Freiraum im Sinne einer sozialen und lebendigen Balance plausibel. Doch die Besetzung des passenden Areals wird zum zweiten Mal polizeilich beendet.

Es ist drei Uhr früh. Der Universitätscampus im Alten AKH ist menschenleer, in den verschiedenen Höfen brennen gelbe Lichter. Von außen ist wenig zu sehen. Auf der einen Seite der Narrenturm, der runde Turm des Pathologie-Museums, in dem echte Embryos in Gläsern ausgestellt sind, auf der anderen Seite eine hohe Backsteinmauer. Nur vorne am verbarrikadierten Eingang hängt ein großes Transparent. Ängstliche Hunde werden über die Leiter gehoben, die Besitzer klettern hinterher. „Ich komme erst wieder, wenn es Bier gibt. So auf dem Trockenen zu sitzen macht keinen Spaß“, meint ein Punk, der gleich zur nächsten Tankstelle latschen will. Dann bleibt er doch. Ein riesiger Garten mit ein paar alten Bäumen lädt dazu ein. Drinnen im Erdgeschoss werken schweigend ein paar Jugendliche mit bunten Haaren, schneiden Gemüse, rühren in Töpfen. Sie bereiten ein nächtliches Mahl vor. Die Toilette ist hell erleuchtet, es gibt eine Menge Papierrollen und Wasser in Eimern. Der Generator summt. Wer andere Hausbesetzungen gesehen hat, weiß, dass die Leute nur bleiben, wenn es das Areal bzw. das Gebäude wirklich wert ist. Und die BesetzerInnen den Ort wirklich dringend brauchen und nötig haben.

Phettberg gegen Staat. Die nicht gescheiterten Besetzungen in der Geschichte der Freiraumbewegung machen Mut, trotz des Polizeieinsatzes im alten AKH. Im Favoritner Ernst Kirchweger Haus blieben freilich im Endeffekt allein die Leute, die über keinen anderen Schlafplatz verfügten, über. Vom freundlichen Punk namens Dreck bis zu kurdischen Flüchtlingen, die jeden Tag die Stiege mit dem Wasserschlauch abwuschen, bis ein kleiner Bach die Stockwerke hinunter floss. Die Rote Flora mit eigenem Park oder die Hafenstraße direkt an der Elbe in Hamburg sind beides sehr schöne alte Häuser an interessanten lebendigen Plätzen, die sonst abgerissen worden wären. Aber am tollsten ist das riesige Areal am Bahnhof mit mehreren besetzten Häusern in der Metelkova in Ljubljana in Slowenien. Die Stadt hat den verschiedenen Gruppen (Frauen, Lesben, Schwule, MusikerInnen, Punks…) das Gebiet mittlerweile übergeben. Jede Woche gibt es Konzerte, Diskussionen und Feste. Wien muss Ljubljana werden.

Studentischer Campus in fremder Hand. Im gesamten Areal des Alten AKH gibt es kein Lokal, dass von den StudentInnen, die dort zu Tausenden ihre Tage und Abende verbringen, selbst gestaltet wird. Es gibt nur scheußliche teure Touristenlokale, die im Bayrischen Wald besser aufgehoben wären. Der Kommerzialisierung musste auch das früher sehr lebendige lateinamerikanische Lokal „El Sol“ weichen. Am besten Standort steht ein riesiger Billa, direkt neben dem Kinderspielplatz. Der Rubel rollt und die eigentlichen „BewohnerInnen“ des Areals verfügen über keinen eigenen Platz für ihre Kulturformen oder auch nur einen gemütlichen Tratsch in einem kühlen Garten. Das ist unfair. Fanden auch Hermes Phettberg, Hubsi Kramar und Alexandra Reisinger, die die Besetzung demonstrativ unterstützten.

Performance Slow Forward

Langsam sein ist eine Protestform. Zumindest in den speedigen Städten des großen Geldes. Die Gruppe slow forward ist aus „alter Tradition“ bei F13 dabei. Tatort: Rathausplatz. Durch ihre Aktion werden auch die Performer zu „Ausgegrenzten“, da Langsamkeit für viele Menschen eine Provokation bedeutet. Durch die Einbeziehung der Rathausstiege ist die Vorstellung von weitem zu sehen und lockt den Platz überquerende Touristen an. Der Rathausplatz ist plötzlich Privatgrund. Die Slow-forward-Leute werden schon beim Installieren der Luftballons auf die „Bewilligung“ angesprochen und müssen sich schließlich fernab des täglichen Konsumierens platzieren. Auf die Ballons Begriffe des für Ausgegrenzte schwer Erreichbaren: Kreditkarte, Aufenthaltsbewilligung, Meldezettel, Arbeitserlaubnis … Das Fehlen der selbstverständlichen Dinge. Wird ein Begriff (Beispiel: Krankenversicherung) ausgerufen, unterbricht eine(r) der TänzerInnen die Langsamkeit und startet eine Aktion mit Bezug auf das Stichwort, bis der betreffende Ballon platzt. Die anderen wenden sich währenddessen dem Tänzer zu und verkörpern die Kälte der Institutionen oder Gesellschaft durch Kopfschütteln, Abwehr, Wegschauen … Die Mitwirkenden: Britta Groiss, Caroline Heinecke, Claudia Blaukopf, Claudia Schmidt, David Kub, Franz Sramek, Gundi Soyka, Klaus-Peter Pötzlberger, Laura Mello, Maria Fleischanderl, Paul Appoyer, Walter Karl Eggerth. Der Langsame unter den Langsamen. Franz Sramek, Urgestein der F13-Bewegung, entwickelte die Idee zu dieser Performance − inspiriert durch das Projekt „9 X 9“ von Christine de Smeth.

Volxküche

Die „Türkenwirte“ am Heldenplatz. Sie sind in der widerständigen Szene bekannt für die stationäre Versorgung nicht finanzkräftiger Hungriger (im Lokal TÜWI neben der Uni für Bodenkultur) und für die mobile Versorgung. Wenn sie, Gratisessen anbietend, im öffentlichen Raum erscheinen, nennen sie sich Volxküche. Ihre veganen Angebote aus dem großen Topf (aus geldlos beschafften Ingredienzien, denn die Türkenwirte sind Kritiker der Geld- und Warenwirtschaft) sind für die Fleischtiger von der Straße eine kulinarische Abwechslung.

Peckerl

Acht mutige Exhäftlinge auf der Bühne. Klaus Pichler, der den Wettbewerb der Gefängnis-Tatoos konzipierte und organisierte, zieht ein Resümee: „Rückblickend betrachtet bin ich sehr glücklich mit dem Ablauf der `Best of Peckerl`- Aktion. Alle Befürchtungen, die ich zu Beginn der Vorausscheidungen hatte − zu wenige Teilnehmer, kein Interesse an der Aktion etc. − haben sich beim F13- Fest in Luft aufgelöst. Sowohl die Vorausscheidungen als auch die Finalrunde beim Augustin-Fest waren von großem Medieninteresse begleitet. Was mich dabei besonders freute, war, dass alle Berichte gut recherchiert und mit Sympathie für die Kandidaten gemacht waren und sich alle nicht nur auf die Tätowierungen als optisches Zeichen stürzten, sondern sich auch bemühten, den Hintergrund der Aktion zu beleuchten. Sehr glücklich war ich auch mit dem organisatorischen Rahmen, den der Augustin mir bot: vom Raum im Vertriebsbüro, der als Fotostudio eingerichtet wurde, bis zur professionellen Pressearbeit und jeder Menge offener Ohren bei allen Problemen − es hätte nicht besser sein können.

Das Finale beim Fest geriet nicht zuletzt durch die solide Moderation von Markus Buder und die Jury unter der charmanten Leitung von Dieter Schrage zum Erfolg. Aber natürlich wäre es ohne die Hauptdarsteller nicht möglich gewesen, eine derartige Aktion zu inszenieren: 8 Exhäftlinge mit entsprechendem Körperschmuck fassten sich Mut und traten vor den Vorhang, um ihre Tätowierungen zu präsentieren und auf ihre Situation aufmerksam zu machen. Das rechne ich den Kandidaten hoch an, denn für die meisten war es ein großer Schritt, ins Rampenlicht zu treten. Das Publikum im Saal sah das auch so und bedachte die Kandidaten mit jeder Menge Applaus und feierte sie als Sieger. Und das waren sie auch an diesem Abend, jeder für sich ein Gewinner.“

F13 Fest

Freizone – im Prinzip ein schöner Name. Für ein Augustinfest am Ende eines Freitags, des Dreizehnten. Rund 300 Menschen, darunter viele VerkäuferInnen des Augustin, unterhalten sich blendend (wenn sie sich nicht gerade über den Wirten ärgern). Der senegalesische Musiker Kéba Cissokho und die furiose Wiener Newcomer-Band „Frau Neumann“ stellen sich dafür zur Verfügung, ohne einen Cent zu verlangen. Warum DJ Golda Osten ihre Platten ungespielt nach Hause tragen muss, wird auf Seite 3 erklärt. Das Prater-Etablissement „Freizone“ verdient den Namen nicht, den es trägt.