Augustin 373 - 09/2014

Gleichgeschaltete Medien?
Von allem, was passiert, ist nur weniges «wichtig». Was «wichtig» ist und worüber «die Stadt» sprechen muss, entscheiden die führenden Medien. Die sind sich auf wunderbare Weise immer einig, was «Thema» ist. Wenn ein an der Latschengrenze angesiedelter Popsänger die Töchter aus der Bundeshymne entfernt, wissen die Journalist_innen unabhängig voneinander, dass sie darüber berichten müssen, weil sämtliche Konkurrenz darüber berichten wird. Eine strukturelle Vereinheitlichung breitet sich aus.Wenn das Thema der Töchter nicht mehr angesagt ist, weil das Geheimnis des Kommerzes im dauernden Auswechseln liegt, sind alle Medien voll von Kommentaren zu einer niederschmetternden Banalität: 2500 Schulanfänger_innen können nicht Deutsch. Und wenn die Polizei, wie jüngst in Ferguson, einen schwarzen Jugendlichen hinrichtet, löst sie ebenfalls aus, was vorauszusehen war. Wie das Amen nach dem Gebet erfolgt in den (nicht nur) österreichischen Medien nach solchen Skandalen die Entdeckung, dass «trotz Obama» der Rassismus in den USA immer noch alltäglich ist. Jedes Medium entdeckt das genau dann, wenn es alle anderen auch tun. Für kaum ein Medium ist es ein Thema, wenn die «spektakulären» Anlässe fehlen.
Auch kritische Menschen ereifern sich über den US-Rassismus, dessen aktuelle Form, die Masseninhaftierung von Drogen-Delinquenten, nicht wahrgenommen wird, weil sie alltäglich ist, weil sie von Politiker_innen getragen wird, denen nicht die geringsten rassistischen Äußerungen nachzuweisen sind (Obama!), weil sie aufmerksamkeits-ökonomisch betrachtet mit dem Sensationellen und Skandalösen, das in Ferguson geschah, nicht konkurrieren kann.
Ist schon jemandem aufgefallen, dass sich der Augustin von diesem Prozess der Parallelisierung der Nachrichten, der konzertierten Selektion des «Wichtigen», relativ fernhält? Dass man fast eine Wette abschließen kann, dass im Augustin kein Satz über die Bundeshymne steht, nachdem der Boulevard sie zum Thema der Stadt / Thema der Woche erklärt hat? Dass es immer eine Überraschung ist, mit welchen Inhalten die neue Ausgabe herauskommt? Dass der Sturz von Spindelegger ignoriert wird? Dass der Augustin sich geradezu einer antizyklischen Themenauswahl befleißigt?
Das Dorf, das in Bezug auf den Pfarrer gespalten wird, nachdem dessen Gewalt gegen ein ihm anvertrautes Mädchen öffentlich wurde; der Fußballplatz in Simmering, der plötzlich wie in einem überdimensionalen Schwimmbecken verschwunden ist; der Schweizer Kurort Vitznau, der einen inoffiziellen Dorfdiktator bekommen hat, nämlich den österreichischen Sängerknabenmäzen Pühringer; die Schallaburg, deren Ausstellungsarchitekten raffiniert die Erste-Weltkriegs-Ausstellung im Arsenal konterkarieren; die isländische Hauptstadt, in der der Bürgermeister, Ex-Punk, zurücktrat, um nicht wie alle Bürgermeister zu enden; eine Provinzstadt, für deren elf Kilometer lange Autostraßenumfahrung Geld ausgegeben wird, mit dem man sämtliche bedrohte Regionalbahnen retten könnte … Das sind die für diese Augustin-Ausgabe ausgewählten partiellen Orte, in denen sich das große Ganze widerspiegelt. Wer wählte sie aus? Journalistische Mitarbeiter_innen, die erfreulicherweise nicht unterrichtet sind, welches Thema gerade en vogue ist.