Eing'SCHENKt (September 2023)
«Einen Kaffee trinken ist Luxus geworden», erzählt eine ältere Frau. «Sie fangen beim Automatenkaffee in der Klinik an, der kostet jetzt 1,10 oder 1,20 Euro. Sie fangen an zu sparen, Sie suchen sich noch einen Automaten, wo sie ihn noch billiger finden. Sie setzen sich an die Universität, Sie setzen sich da hin, weil Sie wissen, da sind noch Automaten, da kriegen’s um 50 Cent noch einen Kaffee, da können Sie sich zwei gönnen. Da können Sie sich zwei Luxuskaffee gönnen.»
Altersarmut in Österreich heißt Leben unter sozial schwierigen und bedrückenden Lebensbedingungen. Die Betroffenen leiden besonders unter der schlechten Wohnsituation, dem mangelnden finanziellen Spielraum, sozialer Isolation und einem erhöhten Risiko zu erkranken. Armut macht krank und Menschen schneller zum Pflegefall. Menschen mit geringem sozialem Status haben im Alter weniger von Behinderung freie Jahre in Gesundheit zu erwarten als Menschen mit höherem sozialem Status. Pflegegeldbezieher:innen müssen – auf Grund ihrer geringen Einkommen und gleichzeitig hoher Ausgaben – mit einer überaus prekären Lebenssituation zurande kommen. Armutsbetroffene werden im Alter öfter krank und pflegebedürftig sein als Ältere mit hohen Pensionen, aber gleichzeitig weniger Geld zur Bezahlung sozialer Dienstleistungen zur Verfügung haben. Mit geringerem Einkommen steigt nicht nur das Sterberisiko, sondern auch die Dauer der gesundheitlichen Beeinträchtigung beziehungsweise der Pflegebedürftigkeit. Ein Pflegenetz, das über die Familie hinaus reicht, wirkt hier entlastend und reduziert soziale Ungleichheiten. Da braucht es neue Dienstleistungen und Unterstützung, Stichwort «Caring Communities», sorgende Netze vor Ort zum Pflegegeld dazu.
Das höchste Risiko, im Alter auf eine Mindestpension angewiesen zu sein, haben Frauen, selbst wenn sie längere Versicherungsdauer aufweisen, aber in ihrem Leben niedrige Einkommen bezogen haben. Ursachen gibt es mehrere: niedrige Erwerbseinkommen; längere Perioden der Arbeitslosigkeit; Teilzeit, vorzeitige Erwerbsunfähigkeit; längere Krankheiten; Scheidungen; Sorgearbeit mit Kindern. Die Hälfte aller Frauen geht aus der Arbeitslosigkeit in die Pension.
Gesundheitsprävention am Arbeitsplatz ist wichtig. Ältere Arbeitnehmer:innen dürfen mit ihren Sorgen nicht allein gelassen werden. Wie sieht der Arbeitsmarkt für ältere Menschen aus, wie gesund alt werden? Diskutiert wird gerade das Modell des «Pensionssplitting» – das hilft aber nur dort, wo es eine hohe Pension im gemeinsamen Haushalt gibt. Bei niedrigen Einkommen beider wird nur die Armut im Armutshaushalt umverteilt, auch bei Patchworkfamilien oder Alleinerziehenden mit geringem Einkommen erfolgt keine Armutsreduktion. Und wenn jemand Ausgleichszulage bekommt, reduziert das Pensionssplitting nur die Lücke zur «Mindestpension», der Leistungsbezug bleibt aber gleich.
Helfen gegen Altersarmut würden hingegen Maßnahmen wie die Anhebung der Ausgleichszulage in der Pension, ebenso wie die höhere Bewertung der Kinderbetreuungs- und der Ausbildungszeiten bei der Pensionsberechnung. Und: die Streichung der schlechtesten Jahre im Durchrechnungszeitraum.
Insgesamt müssen wir auch aufpassen keinen künstlichen Niedriglohnmarkt zu produzieren – wie Hartz IV in Deutschland oder die Streichung von Mindestsicherung wie Notstandshilfe in Österreich. Das macht Altersarmut größer – und den Schluck Kaffee zu einem Luxus.