Städte unterm Radar: Lipnice nad Sázavou
Weit unter 1.000 Einwohner:innen und trotzdem seit Jahrhunderten eine Stadt: Lipnice nad Sázavou ist eine Pflichtdestination für alle, die Die Abenteuer des guten Soldaten Švejk schätzen. Nach dem Plan seiner Gefährt:innen sollte der erst wenige Monate zuvor aus der Sowjetunion zurückgeholte Jaroslav Hašek hier ab Sommer 1921 Gelegenheit finden, unbehelligt an seinem Monumentalwerk zu arbeiten. Dies klappte nur bedingt, sein Alkoholismus fand auch in den Tavernen der Kleinststadt ausreichend Nahrung – der Švejk blieb unvollendet, sein Autor starb bereits Anfang 1923 und wurde am oberen Rand des Friedhofs begraben. Der Einkehrgasthof U České koruny, wo Hašek zunächst wohnte, wird mittlerweile von seinen Nachkommen betrieben. Wenige Schritte weiter befindet sich das vom Schriftsteller im Herbst 1922 bezogene Haus; heute Sitz eines kleinen Museums.
Von Wien aus ist die in der Vysočina, der Böhmisch-Mährischen Hochebene gelegene Gemeinde mit öffentlichen Verkehrsmitteln leider nur umständlich zu erreichen. Bei einem mehrtägigen Aufenthalt bleibt Zeit für Wanderungen: Wer die Wälder der Umgebung durchstreift, wird in den aufgelassenen Granitsteinbrüchen mehrere Kunstwerke antreffen, die Spitzelwesen und Überwachung thematisieren. Drei Meter hoch etwa ist das über eine Steilwand an einem Gewässer eingemeißelte Ohr des Zivilpolizisten Bretschneiders, den gleich zu Beginn des Švejk ein unehrenhafter Tod ereilt. Zur Reisevorbereitung sei Beppo Beyerls Na Pivo. Eine mährisch-böhmische Bierreise (Löcker 2016) wärmstens empfohlen.