Auf Urlaub im Genossenschaftsbautun & lassen

Wenn die Gemeinnützigkeit flöten geht

Auf der Wieden kann man in einer gemeinnützig errichteten Wohnung für teures Geld urlauben. Hier zeigt sich ein grundlegendes Problem des «geförderten» Wohnbaus.

Von Christian Bunke

«You want to live like common people», sang einst die nordenglische Band Pulp und machte sich so über Leute lustig, die aus reicher Wohlstandsperspektive mal den Alltag «einfacher» Menschen kennenlernen wollten. Ein Wiener Architektenbüro macht es nun möglich. Im 4. Wiener Nobelbezirk kann man sich für bis zu drei Monate in einem gemeinnützig errichteten Wohnbau einmieten. Zur Auswahl stehen Appartements in einer Größe zwischen 30 und 70 Quadratmetern. Die Firma Urbanauts macht es möglich.

Gemeinnütziger, also geförderter Wohnraum wird von der Wiener Stadtpolitik parteiübergreifend als Synonym für «leistbares» Wohnen benutzt. In keiner anderen deutschsprachigen Stadt, so hört man auf Dauerschleife, werden so viele geförderte Wohnungen errichtet wie in Wien.

Schlupflöcher.

Vom leistbaren Wohnen ist in der Selbstdarstellung der Urbanauts keine Rede mehr. Viel mehr liest man auf deren Homepage: «Die etagerie (so werden die angebotenen Wohnungen genannt, Anm.) steht im Quartier Belvedere, einem der buntesten Viertel Wiens. Hier rollen Kinderwägen durch ruhige Gassen, im Schlossgarten wird gesportelt, beim Bäcker plaudert man zwischen einer Melange und zwischen Kränen und Bäumen entstehen Business Ideen.»

Der Wohnturm, um den es hier geht, wurde in den 1960ern nicht errichtet, damit sich Menschen über neue Geschäftsideen unterhalten können, er wurde erbaut, um auch in teureren Grätzeln wie der Wieden Wohnmöglichkeiten für Menschen mit niedrigem Einkommen zu schaffen. Gemeinnützigen Wohngesellschaften sind gesetzliche Grenzen auferlegt. Vereinfacht gesagt lässt es sich mit einer gemeinnützigen Wohngesellschaft weniger einfach spekulieren als mit einem privaten Immobilienkonzern.

Weshalb es Schlupflöcher gibt, um die Gemeinnützigkeit zu umgehen beziehungsweise aufzuheben. Denn auch gemeinnützige Baugesellschaften sind letztendlich private Konzerne. Das unterscheidet sie vom kommunalen, also dem Gemeindebau. Bei unserem Haus auf der Wieden war das so: Gebaut hat ursprünglich die Gesfö Gemeinnützige Bau- und SiedlungsgmbH, die im Laufe der Zeit an Michael Tojner überging. Tojner ist jener Investor, der am Heumarkt so gerne Hochhäuser bauen lassen möchte. Er verlegte den Firmensitz der Gesfö erst in jenes, dann in dieses Bundesland, um schließlich im Burgenland zu landen. Dort ließ er die Aberkennung der Gemeinnützigkeit beantragen.

Durch die Hintertür.

Nun bleibt für die Bewohner_innen eines mit gemeinnützigen Mitteln geförderten Gebäudes aus Sicht des Verbandes gemeinnütziger Bauvereinigungen (GBV) einerseits alles beim alten. Zumindest für jene Mieter_innen, die dort vorher schon gewohnt haben. Für Neumieter_innen ist dagegen nicht mehr erkennbar, dass es sich hier ursprünglich um einen gemeinnützigen Bau gehandelt hat. Der Eigentümer kann so Mietsteigerungen und Befristungen durch die Hintertür einführen, auch wenn er das eigentlich nicht darf.

Grundsätzlich bleibt auch nach der Aberkennung der Gemeinnützigkeit die sogenannte Vermögensbindung bestehen. Soll heißen: Auch in einem solchen Fall bleibt der Zweck des Gebäudes, einen Beitrag zur Schaffung leistbaren Wohnraums zu leisten, bestehen. Weshalb der GBV auch gegen die Vermietung der Wohnungen im Wiedener Gesfö-Bau wettert. Die Urbanauts bestreiten ihrerseits, dass hier überhaupt eine Vermietung vorliegt. Vielmehr behaupten sie einen Pachtvertrag mit der Firma von Michael Tojner zu haben. Die Urlauber_innen würden dort nicht auf Miete leben, sondern lediglich Gelder zur Begleichung von Einrichtungs- und Reinigungskosten zahlen. Tojner erhalte ein Entgelt, Ortstaxe und Abgaben würden bezahlt.

Spekulationszwecke.

Michael Tojner hat in den vergangenen Jahren bereits öfters Interesse am Erwerb gemeinnützig errichteter Wohnungen gezeigt. Im August gab es einigen Wirbel, weil er rund 3000 von der gemeinnützigen Wohnbauvereinigung WBV-GFW errichtete Wohnungen erwerben wollte. Weil er dies als privater Immobilien-Investor nicht durfte, musste er über einen Mittelsmann agieren.

In Interviews behauptet Tojner immer wieder, für den Gedanken des gemeinnützigen Wohnbaus eintreten zu wollen. Und doch zeigt seine Beteiligung an der De-facto-Umwidmung gemeinnütziger Wohnungen zu Touristenwohnungen auf der Wieden ein grundsätzliches Problem: Je öfter solche Wohnungen die Besitzer_innen wechseln, desto mehr verwässert der Gemeinnützigkeitsgedanke bis zur Unkenntlichkeit. Oder, wie der GBV selber schreibt: «Die Vermögensbindung fällt jedoch in dem Moment weg, in dem ein Objekt an eine Person, die nicht eine gemeinnützige Bauvereinigung ist, veräußert wird. Es fehlen somit Mittel, die in die Errichtung von leistbarem Wohnraum fließen könnten. Es kann zum Abfluss von gemeinnützig erwirtschaftetem Vermögen für Spekulationszwecke kommen.»