Thomas Maurer ist zuversichtlich: Die Lächerlichkeit stirbt nicht aus
In seinem Programm Menschenfreund spielte Thomas Maurer Thomas Maurer. Die beiden sind nicht unbedingt identisch. So ist es auch kein Widerspruch, dass der eine Maurer auf der Bühne über die Augustinverkäuferinflation am Naschmarkt lästert und ihre Zeitung verspottet, während der andere Maurer sich gagenlos für die Nacht des Augustin im Wien-Museum am Karlsplatz zur Verfügung stellt.
Was hat der Augustin-Redakteur mit Elfriede Jelinek gemeinsam? So eine große Auflage, und niemand liest daraus. Danke für diesen ehrenwerten Vergleich. Auf unserer Website gibt es eine Eintragung ins Forum. Lasst ihr euch gefallen, was der Maurer in seinem neuen Programm über den Augustin sagt, fragt ein Leser. Was sollten wir ihm antworten?
Ich muss ausholen. Dieses jüngste Programm führte zu mehr Missverständnissen, als ich erwartete. Das ergab sich daraus, dass die Rolle, die Figur auf der Bühne meinen Namen trägt und meinen Beruf ausübt, aber mit Überspitzungen ins Paranoide, ins Hypochondrische hinein. Während ich bei früheren Programmen rechte Politiker vorführte, geht es mir bei Menschenfreund um den gegenwärtigen Zustand des linksliberalen Milieus. Ich hab mich relativ spät entschlossen, den Kabarettisten Maurer auf die Bühne zu stellen. Die Figur verkörpert das verdrängte schlechte Gewissen eines Linksliberalen, der inzwischen, wie sich das Publikum vorstellen kann, durch seine Kabarettprogramme gut leben kann und der sich in den Bobo-Lokalen des Naschmarkts aufhält, wo es zu dieser Begegnung mit dem Augustin kommt. Dort sitzen Leute, die ein bisserl ein Geld haben aber sich noch ein bisserl dafür genieren, und alle fünf Minuten kommt ein Augustinverkäufer und bietet ihnen ihr Blatt an. Für mich ist es ein Rollenprogramm und ich finde es weitgehend unerheblich, was davon meiner Privatmeinung und meiner privaten Situation entspricht und was nicht. Zu meiner privaten Lage: Ich bin tatsächlich nicht mehr in der Situation, zu überlegen, ob ich mir lieber eine Kiste voll hervorragenden Weinen zulege oder eine warme Wohnung habe. Ich bin kein Asket. Ich stehe zu Dingen, die schön sind und Freude machen. Und ich wünschte mir, dass sich Möglichkeiten auftun, diese begehrten Dinge allen Menschen zur Verfügung zu stellen ein utopischer Wunsch. Das Programm hat die Aufgabe, zu irritieren. Der Zuschauer muss sich fragen: Stimmt das, was der da sagt? Oder ist er ein Arschloch? Wenn die Leute im Publikum sagen, der Maurer formuliere genau das, was ich schon hundertmal selber gedacht habe, so erfüllt sich die Intention meines Programms. Die Augustin-Passage endet ja mit der Thematisierung der Ängste der Besucher der schicken Locations, dass ihr Wohlstand wegkippen kann und dass der Augustinverkäufer einen gar nicht so unerreichbaren Standard symbolisiert. Wenn ich in den Bundesländern auftrete, wird der Augustin durch die entsprechenden Straßenblätter-Titel ersetzt. Fakt ist, dass ich privat den Augustin öfter kaufe als lese.
Wenn es stimmt, dass du den Augustin gelegentlich sogar liest: Was hältst du von ihm?
Ich wollte mich ja für das Interview präparieren und die letzten zwei Ausgaben sorgfältig durchlesen, aber dann hab ich den Termin verschwitzt (Anm. der Red.: Erst ein Telefonat eine halbe Stunde nach dem vereinbarten Treffpunkt erinnerte Th. M. an die Vereinbarung). Ich finde vieles im Augustin langatmig, er hat auch was Vereinszeitungsmäßiges, er sammelt Beiträge von Leuten, die einander kennen und aufeinander in der Zeitung mit ihren Texten reagieren.
Du erreichst mit deinem Programm, das ja fast immer ausverkauft ist, ein breites Publikum. Und es herrscht Einverständnis. Wie ist es zu erklären, dass dieses Publikum scheinbar unisono akzeptiert, dass der Kabarettist die Welt aus einer linken oder linksliberalen Perspektive betrachtet? Alle, die da klatschen und lachen, können doch unmöglich Linke sein. Ist Kabarett per definitionem links? Muss man als Publikum von dieser Erwartung ausgehen?
Ich kenne nicht viele Satiriker, die rechts stehen und trotzdem komisch sind. Komiker müssen wohl Personen sein, die sich permanent an etwas reiben. Theoretisch kann sich auch ein Rechter an etwas reiben, es gibt auch eine rechte Wut. Die führt aber selten zu komischen Resultaten. Anläufe zu Satire, die ich aus rechten Blättern kenne, wo zum Beispiel der nordische Gott Wotan das österreichische Zeitgeschehen kommentiert, fallen leider ganz erbärmlich aus. Die Voraussetzung von Komik ist das Erfassen der Lächerlichkeit, auch der eigenen Person, die Reflexion über die eigene Inkonsequenz. Wenn ich aber eher autoritär strukturiert bin und stets aufpassen muss, mein Gesicht nicht zu verlieren, um ein rechtes Persönlichkeitsmerkmal zu nennen, fehlt mir die Fähigkeit zur Selbstironie, ohne die komische Kunst nicht funktioniert. Wenn man eine Neigung dazu hat, nichts als bombensicher anzusehen, kommt man zu einer etwas komplexeren Weltanschauung und damit fast automatisch ins linke Lager.
Wärst du Kabarettist in einer linken Gesellschaft? Regierung links, Bevölkerung links?
Da drängt sich die Frage auf, wie das Links heutzutage wirklich ausschauen würde. Einer der Gründe für den etwas desorientierten linksliberalen Typen auf der Bühne, der apolitisch geworden ist, aber immer wieder überraschend Analysen des gesellschaftlichen Zustands heraussprudelt, jedoch keine persönlichen Konsequenzen daraus zieht, ist der Umstand, dass ihm jegliche Vorstellung fehlt, wie eine linke Regierung heute regieren könnte. Und dass jeder ahnt, dass man in e i n e m Land nicht links regieren kann und dass so ein Experiment zumindest europaweit angegangen werden müsste. Egal, welche Farbe die Regierung trägt, ob sie links oder rechts ist: Die Lächerlichkeit wird nicht aussterben. Das Paradies auf Erden wird nie kommen. Es wird immer etwas geben, woran man sich reiben kann. Selbst wenn zehn Menschen meines Vertrauens die absolute Gestaltungsgewalt in globalem Maßstab gewännen, würden sie neben vielem, was richtig wäre auch viel Schas bauen. Alles andere wäre sehr erstaunlich.
Aus der Literatur kommt die Erfahrung, dass ein literarischer Text nicht so sehr aus dem eigenen Erleben des Autors, der Autorin kommt, sondern aus anderer Literatur. Wie entstehen deine Programme? Sind ihre Quelle deine eigenen Erlebnisse und Erfahrungen, oder entstehen sie aus Lektüre?
Natürlich hinterlässt jede Lektüre Spuren. Wenn sie das nicht täte, bräuchten wir keine Bücher. Bewusst verwende ich keine Vorlagen. Der regelmäßige Konsum von Programmen guter Künstler schärft das Gefühl dafür, was gut ist und wie weit man gehen kann. Insofern gibt es Verbindungen zum Werk anderer. Was den Eintrag meiner Erfahrungen in mein Programm betrifft: Ich bin nicht der Typ, der alles einfängt und notiert, was er im Alltag beobachtet und für das Programm verwendbar hält. Ich beginne zu sammeln, wenn ich das neue Programm zu schreiben beginne. Ich weiß, bevor ich mich an den Schreibtisch setze, nicht, wohin ich hinaus will. Ich starte die Arbeit mit einer abstrakten These, mit einer abstrakten Idee, die aber schon die Struktur des Abends vorgeben kann. Die Pointen sind Resultate des letzten Arbeitsganges, das ist wie Tapezieren, wenn man mit dem Haus fertig ist. Ich nehme mir für die Arbeit am neuen Programm viel Zeit zwei, drei Monate, in denen ich mich von Auftritten befreie. Am Beginn jeder neuen Arbeit steht eine Art Meditationsphase, in der ich überlege: Was liegt in der Luft und in welche Metapher kann man das fassen, was in der Luft liegt. Ich erfasse intuitiv, was mich juckt. Es sind mehr Bauch- als Kopfentscheidungen, die zum Thema des neuen Programms führen. 2002 war, was in der Luft lag, die Reizabstumpfung nach zwei Jahren schwarzblauer Regierung. Und vor zwei Jahren muss dieses Unbehagen der Ex-Linken darüber, beim Genießen kein Unbehagen mehr zu spüren, in der Luft gelegen sein.
Die Raimundsche Zaubermärchen-Dramaturgie in der zweiten Halbzeit deines Programms führt vom üblichen Kabarett, das pausenloses Lachen erlaubt ziemlich weit weg, ins Ernste. Würdest du auch gern nur Ernstes machen?
Hab ich ja schon gemacht. Der Kameramörder vom Thomas Glavinic im Rabenhof war eines dieser anspruchsvollen Projekte. Mein an sich gutes Textgedächtnis ist da an seine Grenzen gestoßen. Solche ernsten Intermezzi leist ich mir eh gelegentlich. Ansonsten liebe ich die Abwechslung. Ich mag den Zyklus zwischen dem ganz Monomanischen und der Gemeinschaftsarbeit, die dich aus dem eigenen Saft wieder herausholt. Vielleicht reiß ich mich eines Tages zusammen und schreib einen Roman. Demnächst werden wir an der neuen Folge von „Die 4 da“ arbeiten (Anm. d. Red.: Rupert Henning, Thomas Maurer, Florian Scheuba und Erwin Steinhauer schlüpften als die 4 dadie in der „Donnerstag Nacht“ von ORF 1 in immer neue Rollen und nahmen in vorerst zehn Ausgaben das politische, gesellschaftliche und soziale Zeitgeschehen aufs Korn). Ich habe also eine Riesen-Schreibarbeit, zusammen mit den anderen Herren, vor mir. Solokabarett werde ich immer wieder machen
Hast du als Kabarettist Vorbilder?
Vorbilder im Sinne von Genau so will ich es auch machen habe ich nicht. Vor der Hölle der Imitation wollte ich mich bewahren. Aber vieles hat mir gut gefallen. Qualtinger-Platten habe ich mit derselben Begeisterung genossen wie Musikalben. Das prägt natürlich, genauso wie die Lektüre von Anton Kuh und Karl Kraus oder die Filme mit Valentin. Ich wusste, dass das beste, was aus mir werden kann, ein guter Maurer ist, und steuerte nicht auf eine schlechte Qualtinger-Kopie zu. Befruchtend natürlich war Josef Hader, der ein paar Jahre früher als ich anfing. Vor allem deshalb, will er sich stilistisch sehr weit hinaus getraut hat aus dem, was man von Kabarett erwartete. Er hat sich auf Felder hinausgewagt, die von Haus auf keineswegs gmahde Wiesn waren. Hader hat die Grenzen dessen erweitert, was man als Kabarettist machen kann. Das heißt nicht, dass ich je wie der Hader sein wollte.
Wie schätzt du die Qualität Wiens als Kabarettstadt ein?
Wien ist eine gute Stadt für das Kabarett. In Wien gibt es ein großes Grundverständnis für Hinterfotzigkeit, auch für Indirektheit. Wir Kabarettisten müssen dafür dankbar sein wir kennen die diesbezüglichen Kulturbarrieren, wenn man sich nach Deutschland hinaufwagt, wo das Kabarett von alternativer Qualität ist: wo der Kabarettist auf der Bühne steht und pointiert seine private Meinung von sich gibt. Die Fähigkeit, einen Satz durch die Wahl des Tonfalls zum Gegenteil dessen zu formen, was er semantisch ausdrückt, ist da oben nicht so ausgeprägt. Dieses Indirekte, diese Variationsmöglichkeit, die im Wiener Dialekt liegt, ist ein ideales Basismaterial fürs Kabarett.
Info:
Papiertiger
Maurer liest Maurer und schwadroniert dazu
Premiere am 24. Oktober im Niedermair
Thomas Maurer in der Nacht des Augustin
Freitag, 12. Oktober, etwa 20 Uhr
WienMuseum am Karlsplatz
Das Programm Menschenfreund läuft nach 2 Jahren aus. Es ist noch am 3. November im Donauhof, Zwentendorf, zu sehen.