«Bildung wird vererbt»vorstadt

Foto: © Mario Lang

Lokalmatador Nr. 538: Dorith Salvarini-Drill

Dorith Salvarani-Drill macht sich dafür stark, dass mehr Kinder wie ihr Sohn reifen können.

Bemerkenswert: Bald 200 ehrenamtliche Mitarbeiter:innen zählt der Verein Frei.Spiel. Sie sind in Wiener Volksschulen, Mittelschulen, Kindergärten und Horten im Einsatz. Sie unterstützen jene Kinder, die in ihren Bildungskarrieren bereits messbar ins Hintertreffen geraten sind, bevor sie noch einen Fuß in ein Schulhaus gesetzt haben.
Gegründet wurde Frei.Spiel vor mittlerweile zehn Jahren, von der Juristin Dorith ­Salvarani-Drill. Die Akademikerin aus akademischem Haushalt war schon damals überzeugt: «Bildung wird vererbt.» Und sie ist es heute noch viel mehr.

Freiraum

Dorith Salvarani-Drill war Managerin in einer Großbank, arbeitete «zu viel», verdiente «wirklich sehr gut», ehe sie ein Ausstiegs­angebot der Firmenleitung annahm, um sich für mehr Bildungsgerechtigkeit engagieren zu können. Die energische Geschäftsführerin weiß dies richtig einzuordnen: «Ich konnte es mir leisten, mich dieser Aufgabe voll zu widmen.»
Auch war in ihrer Kindheit eine schöne berufliche Karriere vorgezeichnet: «Für meine drei Geschwister und mich war es dank der Vorbilder in unserer Familie selbstverständlich, dass wir gut lernen. Ohne dass das von unseren Eltern ausgesprochen wurde, war für uns Kinder klar, dass wir ein ebenso selbstbestimmtes Leben führen wollen.»
Zum ersten Mal konkret mit sozialer Ungerechtigkeit konfrontiert wurde die Bankerin, als sie ihren Sohn erfolgreich zur Matura coachte. Am Ende hat er die Reifeprüfung bestanden, doch auf dem Weg dorthin benötigte er Unterstützung, um von einem extrem starren Schulsystem nicht frühzeitig aussortiert zu werden. «Genau das ist vier Mädchen widerfahren, die gleich alt wie mein Sohn waren und deren Eltern ihnen nicht so einen Rückhalt bieten konnten», erinnert sich Dorith Salvarani-Drill. «Ich habe mir damals schon gedacht, dass man diesen Kindern helfen muss.»
Beim Denken ist es nicht geblieben: Während eines Aufenthalts in New York im Herbst 2011 habe sie den fixen Entschluss gefasst, der Welt des Geldes den Rücken zu kehren. Mit der Unterstützung einer Freundin und ihres Mannes hat sie den Verein Frei.Spiel gegründet. Auf den Ebenen des Geistes und des Gewissens hat sie sich damit selbst freigespielt.

Freiheit

Das Gefühl, in der Schule ein Fremdkörper zu sein, kennt Dorith Salvarani-Drill aus der eigenen Kindheit: Aufgewachsen ist sie in Angern an der March, wohin ihre Familie gezogen war, weil ihr Vater dort zu arbeiten begann. Unmittelbar neben dem Eisernen Vorhang war die Welt noch in Schwarz und in Weiß eingeteilt: hier die Guten, drüben die Bösen. Früh erschien ihr dieser Horizont buchstäblich begrenzt: «Ich war sehr froh, dass ich ab der siebenten Klasse ein Gymnasium in Wien besuchen durfte und damit der Enge des Dorfes entkommen konnte.»
Ihr sei schon als Kind klar gewesen: «Bildung bedeutet Freiheit, die Freiheit der eigenen Entscheidung.» Den Pfad zur erfolgreichen, gut verdienenden Juristin konnte sie auch deshalb beschreiten, weil sie eine finanzstarke Familie hinter sich wusste. Die Möglichkeit, im Alter von 52 Jahren von heute auf morgen noch einmal von vorne zu beginnen, ist ebenso Ausdruck von Freiheit. Zudem ging für ihr Frei.Spiel in der Stadt Wien aufgrund ihrer Kontakte auch die eine oder andere Tür auf, die anderen zumeist verschlossen bleibt.

Freizeit

Begonnen hat Dorith Salvarani-Drill nach der Vereinsgründung mit einer Freiwilligen in einem Hort der Wiener Kinderfreunde am Hebbelplatz in Favoriten. Mit Mut machendem Erfolg: «Die Kinder waren vom ersten Tag an begeistert.» Heute kann sie das erklären: «Für sie ist es außergewöhnlich, dass sich jemand zu ihnen setzt und sich auf Augenhöhe mit ihnen beschäftigt.»
Inzwischen gibt es Frei.Spiel auch in Niederösterreich, alles in allem in bald hundert Bildungseinrichtungen. Noch einmal so viele Standorte stehen auf der Warteliste. Was für die stressgewohnte Managerin auch Stress bedeutet: «Zwar bekommen unsere Freiwilligen keine finanzielle Entschädigung, dennoch benötigen wir für die optimale Organisation ihrer Arbeit zunehmend mehr Geld.» Dieses Geld kommt größtenteils von Einzelpersonen, von Firmen und Stiftungen, zum geringeren Teil aus einem Topf des Sozialministeriums.
Wer ein Ehrenamt bei Frei.Spiel ausüben möchte, wird vom Verein darauf speziell vorbereitet und professionell begleitet. Mehr Infos: www.freispiel.or.at

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