Das Große Ich mal IchArtistin

Sind Sie das lyrische Ich? Marilies Jagsch und M.a (Foto: © Mario Lang)

Musikarbeiter unterwegs … mit einem lyrischen Ich und berührenden Liedern

15 Jahre nach ihrem Debüt-Album stellt Marilies Jagsch nach langer Pause wieder eigene Lieder ins Zentrum eines Albums. Als MAIIJA mit «I Am».

Ende Jänner 2008 erschien hier im Augustin das Ergebnis eines Treffens der Musikarbeiter mit der 1984 in Linz geborenen, in Wien lebenden und arbeitenden Künstlerin. Die damals kurz vor der Veröffentlichung ihres ersten Albums Obituary For A Lost Mind stand, 2010 folgte From Ice To Water To Nothing. Beide erschienen bei Asinella Records, dem Label der Musikerin Clara Luzia. 2013 folgte noch eine Single bei dem geschmackssicheren Spezialitäten-Verleger Early Morning Melody, in der Folge spielte Jagsch sporadisch live oder tauchte als Vokalistin mit den famosen Vienna Rest In Peace auf. Eigene Lieder aber gab es keine neuen, bis nun im September elf Songs veröffentlicht wurden, deren Titel allesamt mit «I Am» beginnen.

«I Am Not Who You Think I Am». So fangen die auf dem Inner-Sleeve der optisch wunderschönen Vinyl-Version von I Am abgedruckten Liner Notes an. Unterzeichnet von «The Lyrical I», dem «lyrischen Ich». Die Frau, die sich dessen bedient, trifft Ende Oktober 2023 wieder auf die Musikarbeiter, diesmal im Café Benedikt. Dort lässt es sich gut über Musik reden, die sich gut hören lässt. «Der ganze Prozess war circa drei Jahre lang und hat damit begonnen, dass ich Stücke, die schon vorhanden waren, selber arrangiert und aufgenommen und an Peter Paul Aufreiter geschickt habe, der das Album produziert und das Ganze dann noch einmal zerlegt und überarbeitet hat.» Im Lauf dieses Prozesses sind die Musikerin, die auf den Aufnahmen singt, Gitarre und Klavier spielt, und Aufreiter, seinerseits am Bass, Synthesizer und der Gitarre zu hören, und der auch zusätzliche Klänge dafür programmiert hat, «musikalisch immer weiter zusammengerutscht», wie Marilies dies formuliert – trotz des unvermeidlichen Hineingrätschens der Pandemie.

«I Am Not Ready To Let Go». Dem fertigen Album hört mensch die Dauer seines Entstehungsprozesses insofern an, als es einen, in Klang und Atmosphäre sehr dicht gewoben, zugleich von so vielen, immer wieder zu entdeckenden wunderbaren Nuancen lebend, sehr berührt. Nimmt mensch sich die Zeit, in die schon aufs erste Hören so klar daherkommenden Formen tiefer einzutauschen. Ein im besten Sinne ausformulierter Kunst-Pop von mitunter umwerfender Schönheit (bei «I Am Misguided» rühren nicht nur die Streicher – Emily Stewart spielt auf dem Album Viola und Violine, Lukas Lauermann Cello – am Herzen), der keine leichte Unterhaltung liefern will. Was bei Titeln wie «I Am Forever», «I Am A Night­mare» oder dem Zwischentitel dieses Textabschnitts wohl auch niemand erwartet. Zugleich verändert der Kunstgriff, mit dem lyrischen Ich zu operieren, das Hören, die Anmutung der Musik. Nicht zuletzt ist die so charakteristische und schlicht wunderbare Stimme von Marilies Jagsch befreit davon, sie mit einer allfälligen Schmerzensfrau gleichzusetzen, deren Gedanken, Emotionen und Geschichten wir hören, Stimme und Texte bekommen so eine andere, weitergreifende Di-mension. Dazu passt, die Lyrics nicht abzudrucken, sind sie doch Teil, ein Mittel der Musik. «Das ist eine Idee, die schon länger da war … es hat mich gestört, dass früher das lyrische Ich der Texte immer wieder gleichgesetzt wurde mit der Autorin, der Stimme der Sängerin – das ist mir viel zu einfach. Ich habe das auch im Liederschreibprozess ein wenig auf die Spitze getrieben und versucht aus Perspektiven zu schreiben, die nicht unbedingt Menschen ein-nehmen. Dadurch gibt es größeren Interpretationsspielraum. Natürlich steckt nach wie vor Persönliches drinnen, man muss ja von gewissen Themen überhaupt erst einmal berührt werden, dass man darüber schreiben kann. Aber gleichzeitig würde ich nicht sagen, dass das meine Geschichten sind, es sind Geschichten, die ich erzähle.» Und diese Erzählungen, diese Lieder, in denen sie stecken, haben «die Dringlichkeit, dass ich sie wieder in die Welt rausbringen mag», wie Marilies Jagsch sagt. Was es zu einer wirklich guten Nachricht macht, dass schon weitere Lieder als MAIIJA (zu deren Grundbesetzung neben den Genannten noch Gernot Scheithauer an den Drums gehört) entstehen.

MAIIJA: I Am
Noise Appeal Records
Live: 24. 11. Porgy & Bess, Bluebird Festival (ausverkauft!)
www.maiija.net