Bauernbund kein Bund der Bäuerinnen und Bauern – Aspekte der Raiffeisen-Dominanz (Teil 4)
Bundesregierung, Nationalrat, Bundesrat, Landtage: Keines dieser Gremien kann offensichtlich auf Mitglieder mit einem Naheverhältnis zum «Stillen Riesen» verzichten. Lutz Holzinger und Clemens Staudinger haben für den Augustin nachgeschaut.Die Herangehensweise der Raiffeisengruppe an Politik und politische Entscheidungsprozesse hat System: zuerst Karriere innerhalb der Raiffeisengruppe oder zumindest eine Funktion bei der «Bauern-Selbsthilfe-Organisation», dann ein Mandat im Parlament, in einem Landtag oder ein Sessel am Ministerratstisch. Alle, von denen wir jetzt sprechen, sind Mitglieder der ÖVP. Frage: Hält sich die ÖVP die Raiffeisengruppe zwecks Finanzierung der Parteiarbeit oder halten sich die Giebelkreuzler eine politische Partei zwecks optimaler Durchsetzungsmöglichkeiten diverser Interessen? Stimmt vielleicht beides? (Die Geschichte mit dem «freien Mandat», das den Mandatar ausschließlich seinen Wähler verpflichtet und sonst niemanden, lassen wir jetzt beiseite; sie wäre zwar schön, steht aber derzeit, sorry, in Parlament und in den Landtagen nicht am Programm!)
Ein Beispiel ist Nationalratsabgeordneter Fritz Grillitsch, Obmann des österreichischen Bauernbundes und Klubobmann-Stellvertreter der ÖVP-Fraktion, Vizepräsident der steirischen Land- und Forstwirtschaftskammer. Seine Karriere begann als Revisionsassistent des Raiffeisenverbandes.
Beispiel Niederösterreich: Die NÖ-VP stellt derzeit 11 Abgeordnete im Nationalrat. Sechs davon sind Mitglieder des Bauernbundes und wurden von dieser ÖVP-Teilorganisation erfolgreich auf die Kandidatenliste der NÖ-VP gehievt. Dazu ist zunächst den Bauern zu gratulieren, denn die Berufsgruppe derer, die in der Landwirtschaft tätig sind, ist bedeutend kleiner, als es der Mandatsanteil der Bauern innerhalb der NÖ-VP-Fraktion im Nationalrat vermuten lässt. Jetzt sagt keiner der Bauernbundmandatare: «Ich handle in meinem Gremium im Auftrag der Raiffeisengruppe». Jedoch: Wesentlicher Sponsor des NÖ-Bauernbundes ist die Raiffeisengruppe.
Zumindest zwei der NÖ-Abgeordneten sind stolze Träger weiterer wichtiger Funktionen: Abgeordneter Karl Donabauer erledigt nebenberuflich die Obmannschaft der Sozialversicherung der Bauern, Abgeordneter Hermann Schultes präsidiert nebenberuflich die Landwirtschaftskammer Niederösterreich und sitzt im Exekutivkomitee der IFAB (International Federation of Agricultural Producers), einer Vereinigung, die nicht unbedingt als raiffeisenferne gilt..
Oder Beispiel Steiermark: Wilfried Thoma ist Präsident des Aufsichtsrates der Raiffeisenlandesbank Steiermark und, weil Bank mit Geld zu tun hat, ist er Kassier des Bauernbundes Steiermark der ÖVP.
Auch in Oberösterreich funktioniert das System: Der Abgeordnete zum Nationalrat Jakob Auer beschließt im Nationalrat Gesetze. Kann aber wesentlich mehr: Er war Obmann der Raiffeisenlandesbank Oberösterreich von 2000 bis 2004. Seit 2004 ist er Aufsichtsratspräsident der Raiffeisenlandesbank Oberösterreich, und zudem ist er auch Genossenschaftsanwalt des Raiffeisenverbandes Oberösterreich.
Konrad und Lenin
Weil wir uns hier mit dem System Raiffeisen beschäftigen, ein gedanklicher Ausflug in die Sphären des untergegangenen Sozialismus: Im Statut des «Bundes der Kommunisten» ist 1847 erstmals die Rede vom demokratischen Zentralismus. Damals entstand dieses Organisationsprinzip, das gewährleisten sollte, dass einheitliches Handeln aller Mitglieder und die Durchführung der von den leitenden Organen gefassten Beschlüsse außer Frage stehen. Lenin hat den demokratischen Zentralismus weiterentwickelt, und theoretisch sollte das so funktionieren: Leitung der Partei von einem gewählten Zentrum aus, periodische Wahl aller leitenden Parteiorgane von unten nach oben, Rechenschaftspflicht der Parteiorgane gegenüber den Organisationen, die sie wählten. Erinnern wir uns: Die örtlichen Raiffeisengenossenschaften wählen die Landesleitungen, die Landesleitungen die Chefs in Wien. Das demokratische Paradies ist garantiert. Wenn dem so wäre. Vielleicht will sich Christian Konrad in Moskau erkundigen, wie lange das gut gegangen ist. (Morgen steht in der «Kronen Zeitung», Augustin sagt, Raiffeisen sei eine sozialistische Organisation Konrad dementiert! Alle lachen.)