«Deppad ist das nicht»vorstadt

Lokalmatador Klaus Eckel

Klaus Eckel ermutigt sein Publikum nicht nur zum Lachen, sondern auch zum Nachdenken. Von Uwe Mauch (Text) und Mario Lang (Foto).

Wenn der Kabarettist zu Fuß von seinem Zuhause in Klosterneuburg rüber nach Wien spaziert und dabei in sein Mobiltelefon spricht, strebt er meistens auf den Himmel zu. Die ehemalige «Schnackselwiese», wie er sie noch in Erinnerung hat, ziert heute ein tadelloser Baumkreis, der an diesem Freitagvormittag menschenleer ist.

Ein ideales Umfeld, um sich in einen ebenso wort- wie geistreichen Redefluss zu bringen. Sein Handy nimmt alles auf: «Es geht um Gefühle.» Der menschlichen Emotion will Klaus Eckel sein neues Programm widmen.

Zuerst die gute Nachricht: So beeilen wie mit dem Reden muss er sich mit dem neuen Programm nicht, denn das aktuelle «Zuerst die gute Nachricht» ist derart gut, dass man damit noch auf Monate Stadtsäle in der gesamten Republik füllen kann.

Andererseits sind die Ansprüche an sein elftes Programm gestiegen, vor allem seine eigenen. Einer wie Eckel will auf sein Publikum nicht bloß Anekdoten loslassen, er will, dass möglichst viele Leute beim Heimgehen sagen: «Deppad ist das nicht, was er erzählt hat.»

Es ist Kabarett mit Tiefgang, das hier am Himmel Schritt für Schritt entsteht: Während etwa die Science Busters ihre Schmähs aus der Naturwissenschaft destillieren, steht ihr Kabarettkollege Klaus Eckel der Abteilung Psychologie & Soziologie vor. Und er sieht sich dort als eine Antipode zur allgegenwärtigen Selfie-Schönfärberei: «Was mich wirklich interessiert, ist mein persönliches Scheitern.»

Apropos. Dass ihn der Himmel wie ein Magnet anzieht, hat wohl auch mit seiner Sozialisation im Nobelbezirk Döbling zu tun. Geboren wurde er am 1. Mai 1974, und klar hat er zum Tag der Arbeit auch eine Wuchtel parat: «Der Vater hat mir erklärt, dass sie die Straßenbahnen für mich schmücken. Als ich dann draufgekommen bin, dass das nicht stimmt, war das für mich noch schlimmer als die Entzauberung des Christkinds.»

Als er noch an das Christkind glaubt, übersiedelt die Familie von Ottakring in Richtung Himmel, in eine richtig rote Enklave mitten in Döbling. Alles im Leben hat seinen Preis: In der neu gebauten Reihenhausanlage im Herzen des Klassenfeinds müssen die auserwählten ­Genossenschafter_innen am 1. Mai Fahnen in ihre Fenster hängen.

Eckels Vater, Jahrgang 1942, kann sich als Beamter der Gemeinde Wien mit viel Fleiß und Sparsamkeit nach oben arbeiten. Sein Sohn weiß: «Nach dem Krieg wächst er in ärmsten Verhältnissen auf, am Ende seiner beruflichen Karriere ist er Leiter des Rechenzentrums der Stadt.»

Dem sozialen Aufstieg der Eckels wohnen auch Gefühle des Scheiterns inne. Der Sohn erinnert sich genau: «Die Väter meiner Freunde fuhren Mercedes und BMW, wir hatten lange einen Opel. Und wenn wir Skifahren gingen, kehrten wir niemals in eine Skihütte ein, sondern aßen unsere Wurstsemmeln am Lift.»

Schnell fügt der erfolgreiche Kabarettist hinzu, dass andere in ihrem Leben unendlich schlechter dran waren. Doch was hilft dieses Faktum einem Kind, das gerade mitbekommt, nicht so richtig dazuzugehören? Immerhin verdankt er seinen Erfolg auch der sozialen Schieflage. Mit seinem flotten Spruch gelingt es ihm früh, Startnachteile zu kompensieren: «Ich war der Klassenkasperl, und Lehrer_innen, die heute zu mir in die Vorstellung kommen, erklären, dass sie ganz baff sind, wenn sie sehen, was aus mir geworden ist.»

Wenn Klaus Eckel von seiner Oberstufen-Zeit im katholisch-musischen Privatgymasium erzählt, bemüht er ganz kurz die Hochsprache, um bald wieder in sein umgangssprachliches Stakkato zurückzukehren, mit dem er auch auf der Bühne für Unverwechselbarkeit sorgt.

Nach der Matura trennt sich die Spreu vom Weizen, endgültig: Während die Mercedes- und BMW-Kader in Richtung Vermehrung des familiären Eigentums tendieren, arbeitet Eckel für DHL und später für die Gebrüder Weiss, wo er Logistikprojekte plant. Berufsbegleitend absolviert er eine vierjährige Fachhochschule. Am Tag der Sponsion weiß er jedoch: «Immer nur Zahlen, immer nur Geld verdienen, das ist nicht Meines.»

Besuche im Theater am Alsergrund bringen ihn dorthin, wo er heute seine Berufung sieht. Sein inzwischen verstorbener Mentor Andreas Hutter bestärkt ihn in seiner Kunst. Anders übrigens als seine Freunde, die nach dem allerersten Vorspielen ehrlich zu verstehen geben, dass «das» für sie nicht lustig ist.

Man wird hier oben, wo einem die Stadt scheinbar zu Füßen liegt, das Gefühl nicht los, dass es der derart Beurteilte so wie sein Vater mit viel Hartnäckigkeit geschafft hat. Damit schließt sich im Baumkreis der Kreis – und wir sind zurück bei den Gefühlen.

Akribisch bereitet sich Klaus Eckel auf sein neues Programm vor. Noch denkt er nicht viel über die Pointen nach, sondern mehr über den Weg dorthin. Zwei ­E-Bücher pro Woche sind das aktuelle Arbeitspensum. E-Bücher deshalb, weil er zu den Zitaten Assoziationen flott hinzutippen kann. Am Rande bemerkt: «Bücher sind für mich Gespräche mit mir.»

Premiere von Ich werde das Gefühl nicht los soll im November sein. Nebenbei schreibt er auch einen Roman: zur Frage, wie wenig der Mensch braucht, um glücklich zu sein.

Mehr über den Kabarettisten: www.klauseckel.at.