Der Film dreht sich klingend weiterArtistin

Musikarbeiter unterwegs … Kontrabässe, Gitarren und Filme

Im Winter 2020 gegründet, legt das Trio Kontrapunk um Heidi Fial mit A Motion Picture ein großartiges Album-Debüt vor.

TEXT: RAINER KRISPEL
FOTO: MARIO LANG

Ein echtes Zauberkonzert!

A Motion Picture war, gerade rechtzeitig zur Live-Präsentation, auf Vinyl und CD anwesend, Band und Konkord-Label-Seele Wolfgang Reitter entsprechend erleichtert. Das Setting am Gelände des Augarten-Open-Air-Kinos des Filmarchivs ein Traum, gespielt wurde auf der Bühne vor und mit dem Baum. Von dem mensch den Eindruck gewinnen konnte, dass er mitspielt. Nicht nur einmal rauschte der Wind so durch die Blätter, dass es wie zur Musik gehörend wirkte. Das Trio Kontrapunk, Heidi Fial (E-Gitarre, Kontrabass), Tobias Pöcksteiner (Kontrabass, E-Bass) und Chris Pruckner (Schlagzeug) in der genau richtigen Verfasstheit zwischen nervöser Doch-Anspannung (eine Album-Präsentation ist eine Album-Präsentation!), Konzentration und mit Fortdauer der Performance zunehmend befreiter Spiellust, die Konzerte fliegen lassen kann. Chris Janka, in dessen Studio A Motion Picture eingespielt wurde, stieg auf dem Toy Piano ein, die anwesenden Menschen waren aufmerksam, fast schon andächtig, trotz des ausgeprägten Schanigarten­-Feelings. Als würden sie ihre eigenen Filme drehen zu den von Fial komponierten und im Trio ausgelegten Stücken. Die dies in den Live-Versionen förderten, gleichzeitig aber immer wieder sehr konkrete Klang-Angebote machten. Eine vielschichtige Instrumentalmusik, die singt und singen lässt. Heidi Fial selbst nennt das Konzert «outstanding».

Baum again.

Einige Wochen später in diesem merkwürdigen Sommer – werden wir ihn als mulmige, in vollen Zügen genossene Fake-Auszeit der Pandemie erinnern oder doch im Rückblick ganz anders? – erzählt Heidi Fial unter besagtem Baum von all things Kontrapunk. «Die Gitarre war mein Einstiegsinstrument, aber später habe ich Kontrabass studiert.» Der Griff zur E-Gitarre der so meist als Bassistin wahrgenommenen Musikerin hat mit ihrer Zeit als Teil von The Ghost And Machine zu tun. Deren Andi Lechner, von dessen neuer Musik unlängst hier zu lesen war, ist einer der begnadeten Gitarren-Wahnsinnigen dieser Stadt. «So laut zu sein und diesen Strom zu spüren in den Fingern …» Was gedanklich dazu eine Perspektive aufmachte, die der Kontrabassistin bislang verstellt war – mit einem anderen Kontrabassisten zu spielen. Nachdem sie Tobi gehört hatte, fragte sie ihn, ob er mit ihr eine Stummfilmvertonung spielen wolle, 2019 im Rahmen der Viennale. Den betreffenden Film
«interessant zu spielen», war eine große Herausforderung, aber das Kontrabass-Duo meisterte diese. Eine gute Ausgangsposition für Weiteres. Im Kopf Fials arbeitete es, war schon Material für eine zu gründende Band gesammelt.

Let’s Talk About It (Peacefully).

Tobi kennt Chris seit seiner Kindheit, der Drummer für das im Entstehen begriffene Trio war gefunden, Konservatorium­-geschult mit der Haupt(punk)band Franz Fuexe. Bald verlagerte sich Heidi mehr auf die Gitarre, auf der sie viel schreibt, genoss das «Reinhauen», den spielerischen Dialog mit einem Instrument, das sie sonst selbst spielt. Und vor allem fand sie mit gutem Amp und ebensolcher Gitarre
einen (und was für einen!) Sound. «Wenn du eine schlechte Gitarre über einen geilen Amp spielst – klingt’s geil!» Was nicht heißt, dass Heidi Fials Gitarre(n) keine ausgesuchte wäre(n). Gleichzeitig wird die Idee zweier Kontrabässe beibehalten und in Zukunft wahrscheinlich wieder ausgebaut. Die Frage Tobis, ob es eine «Wir alle»-Band oder ihre Band sein soll, beantwortete Heidi nach langem Überlegen als «meine Band, aber nicht als Diktatorin, als Vehikel aller meiner Kompositionen». Dabei entstand viel Material für Kontrapunk aus dem Kontext von Fials Filmvertonungen. Zu ihrem Zugang zum Schreiben zitiert sie John Cage, Ansätze wie «den Zufall zu würdigen» und «alles ist wichtig». Eingespielt wurde live und analog. «Es war mein Grundgedanke, dass ich das in einem durchspielen wollte, ich wollte diese Blue-Note-Records-Stimmung haben, dass man jetzt den Moment zur Verfügung hat und dann der Zauber Zeit hat, mitzuspielen.» Diesem speziellen Zauber kann mensch auf dem Album nachspüren, von Opener Charlie’s Daughter bis zu Here­after. Dabei bleibt Kontrapunk in Bewegung: «Mit jeder Begegnung wächst das Repertoire oder entwickelt sich das
ganze weiter.»

Kontrapunk: A Motion
Picture (Konkord)
www.heidifial.com/projects/kontrapunk

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