„Die Behäbigkeit der Stadt aussitzen“tun & lassen

Ein Haus für Punks ist kein Geschenk, sondern ein Sozialprojekt

pankahyttn_208_2.jpgDie Initiative Pankahyttn, eine Gruppe von zirka 50 Punks, verhandelt seit zwei Jahren mit der Stadt Wien, um ein Haus auf Betriebs- und Energiekostenbasis als Untermieter zu bekommen. Laut der von beiden Parteien unterzeichneten Zielvereinbarung sollte mit Ende September 2007 ein Objekt bereit stehen, doch das Magistrat agiere behäbig, meint eine Punk-Aktivistin im Gespräch mit dem Augustin.

Wir sind in der umgekehrten Situation wie die Leute vom EKH (= Ernst-Kirchweger-Haus), die haben ein Haus, aber keine Verträge. Wir haben Verträge, aber kein Haus, so bringt die Punkerin und Vertreterin der Initiative Pankahyttn Lisa (Name von der Red. geändert) die Beziehung zwischen der Stadt Wien und den organisierten Gruppen von Punks und Autonomen auf den Punkt. Das von der Initiative geforderte Haus sollte in erster Linie Wohnraum für fünfzig Punks, einen Werkstättenbereich, Probe- und Partyräume bieten. Darüber hinaus auch einen Bereich für SozialarbeiterInnen, was bei den Diskussionen rund um die Pankahyttn bei weniger wohlwollenden Stellungnahmen gerne außer Acht gelassen wird. Mit anderen Worten, die Pankahyttn soll als Sozialprojekt realisiert werden und ist nicht als Geschenk der Stadt an arbeitsscheue Asoziale zu verstehen.

Der Mietenwitz

Die Forderung der Punks ist weder aus Jux und Tollerei noch aus einer schnorrerischen Haltung heraus entstanden, sondern fußt auf gesellschafts- und wirtschaftspolitischen Überlegungen, die eigenartigerweise nur von sehr kleinen Minderheiten vertreten werden. Obwohl hierzulande große Schichten, insbesondere die Menschen in prekären Arbeitsverhältnissen, einen beträchtlichen Teil ihres Einkommens für die Wohnkosten aufbrauchen, werden kaum Forderungen artikuliert. Auch politische Parteien erkennen anscheinend nicht das Potenzial des Themas Wohnkosten oder haben es schlichtweg vergessen.

In anderen europäischen Ländern wird schon fortschrittlicher gedacht, und die Grund- und Hausbesitzer-Lobby dürfte in unserer Mietwucherrepublik zu den besonders starken gehören. Die Arbeiterkammer errechnete zwischen den Jahren 2001 und 2005 einen realen, d. h. inflationsbereinigten Anstieg der Mieten in Österreich um 8,4 Prozent.

Georg (Name von der Red. geändert) nennt die radikale Kernideologie der Pankahyttn: Wir fordern allgemein Mietfreiheit, denn Miete zahlen zu müssen ist ein Witz. Also besetzten die Punks seit langem leer stehende Häuser in Wien, um auf ihre Situation und allgemeine Wohnpolitik hinzuweisen. Dabei wählten sie bewusst Objekte mit besonderer Vorgeschichte aus und besetzten nicht das nächstbeste leere Haus. Bei Häusern in Privatbesitz fiel ihre Wahl auf solche, wo der Leerstand selbst bei starkem Gegenwind nach reiner Finanzspekulation roch. Lisa nennt Beispiele und erläutert: Die Poliklinik hatte den Hintergrund, eine Klinik für Arme gewesen zu sein. Das Haus in der Lidlgasse, eine ehemalige Rettungsstation, war im Besitz der Gemeinde Wien, ebenso der Storchentempel. Die Gemeinde lagert Häuser an gemeindenahe Bauträger aus und sagt dann, sie habe keine leeren Häuser. Georg kommentiert und verweist auf die kommunale Strategie: Die Gemeinde drückt sich um die soziale Verantwortung. Es werden ja auch kein Gemeindebauten mehr errichtet, das machen jetzt die Genossenschaften. Bei solchen so genannten atypischen Gemeindebauten werden auch Wohnungen, wenn sie nicht mehr rentabel sind, an die Mieter verkauft.

Warum billig, wenn die Stadt Wien auch teuer kaufen kann

Die Punks haben mit den Häuserbesetzungen begonnen, weil die Gemeinde, nach Aussage der VertreterInnen der Pankahyttn, die Zusage, ein Haus mit Herbst 2006 zur Verfügung zu stellen, nicht eingelöst habe. Andrea Jäger, die im Auftrag der MA 24 für Gesundheits- und Sozialplanung mit der Initiative verhandelt, dazu: Von Seiten der Stadt Wien gab es nie eine Zusage für ein fixes Objekt. Lisa und Georg erzählen, dass sie laut aktueller Zielvereinbarung mit der Gemeinde aus dem Frühjahr 2007 mit dem kommenden Herbst ein Haus haben sollten. Ist für Andrea Jäger diese Vereinbarung umsetzbar? Um dieses Ziel zu erreichen, werden leer stehende Immobilien auf ihre Eignung und ihre Realisierungschancen für das Projekt überprüft. Wir sehen uns an, ob die Miete dem üblichen Marktwert entspricht und angemessen ist. Das schlägt genau in die Kerbe, die oben Lisa und Georg kritisieren. Bund oder Gemeinden lagern ihre Besitztümer meist zu nahen Verwandten aus und präsentieren sich selbst als Besitzlose, die auf dem freien Markt suchen müssten was natürlich lange dauern kann.

An dieser Stelle sei an das wirtschaftliche Geschick der Stadt Wien beim Kauf des EKH erinnert. Die KPÖ hatte es für einen Pappenstiel angeboten, die Stadt verzichtete vorerst auf den Kauf. Ein Geschäftsmann aus der Security-Branche, dessen Gesinnung nachgewiesen in einem rechten Lichte stand, musste bei diesem günstigen Angebot über 600.000 Euro einfach zuschlagen. Erst auf öffentlichen Druck hin, das EKH nicht (privat-)wirtschaftlichen Interessen zu opfern, rang sich schlussendlich das Rote Wien, genauer wieder wohnen, eine Tochter des Fonds Soziales Wien (= FSW) doch noch zum Kauf durch für läppische zwei Millionen Euro. Dieser Betrag brauchte aber nicht mehr dem Unternehmer Christian Machowetz überwiesen werden, denn dieser verkaufte in der Zwischenzeit für kolportierte 1,7 Millionen Euro an Enola, ein Tochterunternehmen der Baufirma Porr AG (die Porr und die Wiener SPÖ kennen sich gut, so wurde der ehemalige Finanzstadtrat, Vize-Bürgermeister und Vorsitzende der Wiener SPÖ Hans Mayr Präsident des Aufsichtsrates der Porr AG), die besonders gern mit der Stadt Wien (Gegen-)Geschäfte macht. Alles in allem agierte der FSW sehr sozial für die Zwischenhändler.

Mit entsprechenden Gesetzen gegen Immobilienspekulation und zur Erleichterung von friedfertigen und grundvernünftigen Hausbesetzungen, wie in den Niederlanden gegeben, hätte auch die Initiative Pankahyttn schon längst ein Haus. Dort darf ein Objekt, das bloß ein Jahr ungenützt und ohne konkretes Vorhaben leer zu stehen braucht, legal besetzt werden. Auch die Schweiz ist im Vergleich zu Österreich freundlicher zu BesetzerInnen, wie Georg anmerkt, dort muss der Besitzer die Kosten der ersten Räumung übernehmen, was auch wir natürlich auch fordern, denn es hat abschreckende Wirkung. Über das eigene Geräumtwerden meint Lisa: Wir haben der Polizei nie Stress gemacht. Es hätte keinen Sinn, rausgeprügelt zu werden. Wir verhandeln mit der Polizei und mit der Stadt, d. h. wir setzen auf Durchhalten, die Behäbigkeit der Stadt Wien aussitzen.


Anmerkung des Autors: Ich habe Frau Andrea Jäger telefonisch um einen Termin für ein mündliches Interview gebeten. Sie zeigte sich dazu mit zwei Einschränkungen bereit. Sie könne mir aus terminlichen Gründen nur den darauf folgenden Werktag anbieten und müsse aber vorher noch die Presseabteilung darüber informieren. Kaum eine Stunde später rief mich der Pressesprecher Gerhard Klein an und teilte mir mit, Frau Jäger sei schon außer Haus, deswegen melde er sich. Klein weiter, Frau Jäger habe in der Zwischenzeit viele wichtige Termine hereinbekommen. Daher sei es ihr nicht möglich, mir ein mündliches Interview zu geben. Sie würde per E-Mail meine Fragen beantworten.

Die plötzlich eintretende Häufung wichtiger Termine weist darauf hin, dass ein ursprünglich zugesagtes Treffen mit einem Medienvertreter bzgl. der Causa Pankahyttn zum nichtigen Termin abgestempelt wurde. Und es zeigt vielleicht auch, wie wichtig der Stadt Wien ein Sozialprojekt für Punks ist.