Helmut Köglberger, Nachkriegskind und Shooting Star
Helmut Köglberger ist als Nachkriegskind in Oberösterreich aufgewachsen. Über die Vormundschaft des Jugendamts, eine Kindheit am Land und eine steile Karriere als Fußballer hat er mit Lisa Bolyos und Hannes Gaisberger gesprochen – und dabei viel Zuversicht ausgestrahlt.«Da kost’ des Schnitzel siebzehn Euro», Helmut Köglberger zeigt in Richtung Hotelrestaurant, «na, bin i halt zum Würstelstand gegangen.» Wir treffen Köglberger im Hotel, er ist zur Ausstellung «SchwarzÖsterreich» angereist, die am Abend davor im Volkskundemuseum eröffnet wurde; dort wird die Geschichte der Kinder Schwarzer US-Soldaten und Weißer Österreicherinnen erzählt, die im Nachkrieg geboren wurden. Ob ihn das berührt hat? «Das ist für mich ganz normal», antwortet er, der schon länger mit dem Boltzmann-Institut zusammenarbeitet, «es ist schon gut, dass die Leute ihre Erfahrungen zur Verfügung stellen.» Denn an solche Erfahrungen, findet Köglberger, muss man sich heute wieder halten. «Das Thema ist für mich eigentlich Integration. Ich glaube, das wird in der jetzigen Zeit wieder sehr gefragt sein, und vielleicht kann ich da den einen oder anderen Tipp geben.»
Starke Oma, absenter Vater
Helmut Köglberger ist ein Shooting Star nach Hollywood-Modell: Aufgewachsen in einer Familie von Dienstbot_innen und Hackler_innen auf einem Vierkanter in Oberösterreich wurde er als jugendlicher Kicker beim SV Sierning «entdeckt», wechselte zu Amateure Steyr, dann zum LASK und zur Austria und war kurze Zeit später schon Kapitän der Nationalmannschaft.
Seinen Vater hat er nicht kennengelernt und auch nie eine Spur zu ihm gefunden. «Ich hab schon gewusst, warum er in Europa war, aber mehr habe ich nicht erfahren. Immer wieder sagt dir jemand, ich weiß was, aber wenn du dem nachgehst, ist da nichts Fundiertes.» Eine Frau hätte ihm weiterhelfen können, aber diese Chance hat Köglberger zu spät wahrgenommen: «Dieses Dorf, in dem ich aufgewachsen bin, das waren vier Vierkanter, die im Kreis gestanden sind. Acht oder neun Schwarze Soldaten waren da untergebracht, und die alte Bäuerin hat sicher alles gewusst – aber bis ich das begriffen hab, ist sie mir schon gestorben.» Die Mutter selbst wollte nicht erzählen. Schade, findet Köglberger, aber: «Mir is’ es jetzt wurscht. Wenn’s nix is’, is’ es nix.»
Wie ist so eine Kindheit gewesen, als lediges Kind eines Soldaten, als Spross einer armen Familie am oberösterreichischen Land? «Ich hab da ein bissl ein Glück gehabt. Ich hab eine starke Großmutter gehabt, die sich nichts gefallen lassen hat. Die hat sehr gefightet, wie’s so schön heißt, und mich beschützt.» Die Jugendwohlfahrt war ein ständiges Damoklesschwert. «Die waren ja der Vormund, die konnten jederzeit sagen, die Oma ist zu alt oder es stimmt sonst was nicht, das ist schon bedrohlich gewesen.» Die Kargheit habe er wohl in Erinnerung – «Bad und Klo extern, Samstag Badetag; wurscht, hat man auch ausgehalten» –, und wenn er heute hört, dass die Kinder Schwarzer Soldaten geschimpft und sekkiert worden sind, dann denkt er sich, so wird’s wohl auch bei ihm gewesen sein. «Aber das weiß man selber nicht mehr.» Von seiner frühen Kindheit erinnert er noch, dass er sich selbst (!) im Kindergarten angemeldet hat. Die Jugend war davon geprägt, sich den Alltag zu organisieren, «bist Schul’ gegangen, heimgekommen, der Schlüssel ist irgendwo unterm Fensterbrettl gelegen, hast müssen essen und schauen, wie du schulmäßig zamkommst». In die Schule ist man mit dem Fahrrad gefahren, «Autobus war nur im Winter drin», und die Freizeit war relativ bald von einem geprägt: Fußballspielen. Ein Lehrer ist Köglberger da in Erinnerung, «das war ein Masl, der war selber ein begeisterter Kicker und hat gesagt, jetzt lernt ihr einmal, und um vier treffen wir uns zum Spielen».
Kick it like Köglberger
Dass er zu Amateure Steyr kam, hat nicht nur der Fußballkarriere gut getan, sondern auch Ausbildungsmöglichkeiten eröffnet, der Verein zahlte den Schulbesuch: «Wär’ ja sonst nicht möglich gewesen, dass ich die Schule mach.» Über den Verein kam Köglberger auch zu einem Job, über den Job zu einer Wohnung, «da bist der Chef, da steigst im Wert», er lacht, «da bist einfach nach der Arbeit am Fensterbrettl gesessen, hast ein bissl geschaut, dann bist fortgegangen».
Der Weg über den Fußball ist für Köglberger ein persönlicher und sportlicher Siegeszug. Ab 1965 spielte er (mit Debüt in Ungarn) in der Nationalmannschaft. Das bedeutendste Spiel war für ihn gegen Brasilien, ein 0:0 in Rio 1974, «das war schon eine andere Welt, die waren gerade Weltmeister, 140.000 Leute im Stadion». Am Rande gesagt: Da war Brasilien seit zehn Jahren eine blutige Militärdiktatur. Einen Eindruck von rassistischer Staatlichkeit hat Köglberger bei einem anderen Auslandsspiel bekommen – am Weg nach Mozambique musste das Team der Austria über Johannesburg reisen; dort galt die «Rassentrennung», auch am Klo des internationalen Flughafens. Ob er sich an rassistische Ausgrenzungen auch in Linz erinnern kann? «Später einmal hat es in Linz ein paar Fälle von Rassismus gegeben, da haben sie den Harry Belafonte nicht in die Discothek gelassen. Da waren schon ein paar Depperte am Werk.» Der Sport, findet Köglberger, war eine gewisse Protektion. «Ich hab einfach Möglichkeiten gehabt, die hatte wer anderer nicht.» Rassismus am Fußballplatz, ja, das gab es, aber eher von den Fans – «von den Gegenspielern auch, aber das hat man sich richten können». Wie genau, das fragen wir lieber nicht.
Köglberger war einer der ersten Schwarzen Spieler im österreichischen Fußball. In den 1960er Jahren kam der brasilianische Kicker Jacaré (Waldemar Graciano) zur Austria, kurze Zeit später der portugiesische Chico (Francisco Carlos Correia Lima) zum LASK. «Da hat man gesagt, das sind die Murlis, und jetzt haben wir einen eigenen!», Köglberger lacht in Erinnerung an oder über die österreichischen Fußballkommentatoren. In den 1960ern, sagt er, war es mit dem Rassismus überhaupt nicht so schlimm wie heute. «Das Ganze wird schon schärfer.» Toleranz sei das falsche Konzept – die könne man so leicht wieder demontieren, und die Medien tun ihr Übriges dazu: «Jetzt simma nimmer tolerant, jetzt simma ja schon blau!», und kann trotzdem noch lachen.
Alles hat seine Zeit
Verändert haben sich auch die Fankurven. «Zu unserer Zeit waren die Zuschauer Fachleute. Jetzt kennen die sich gar nicht mehr aus, die hängen sich ein, hupfen, trinken, das ist alles.» Auch das Polizeiaufgebot missfällt ihm, «da kommen auf fünfzig Fans zehn Polizisten». Das hätt’s früher nicht gegeben! «Da gibt’s einen Film, LASK gegen VOEST, ausverkauft, die Leute sind oben rein beim Dachl, und da ist einer gestanden, ‹Achtung, Achtung, hier spricht die Polizei, das Spiel ist ausverkauft›. Einer!»
Aber letztlich ist Köglberger keiner, der alten Zeiten nachtrauert. «Jede Zeit hat ihre Qualität», sagt er versöhnlich, will meinen: Anstatt sich aufzuregen, soll man lieber nützen, was da ist. Zum Beispiel in den Sportvereinen (die, betont er, ein bisschen besser finanziert gehören) die Kinder zusammenbringen, «die haben keine Vorurteile und können zusammenwachsen». Auch wenn die Erwachsenen in Europa gerade alles falsch machen mit ihren Ängsten: «Die Kinder werden’s scho’ regeln.»
Info:
Ausstellung: SchwarzÖsterreich. Die Kinder afroamerikanischer Besatzungssoldaten. Bis 21. 8., www.volkskundemusem.at