Die „Mamsch“ vom Slovanvorstadt

Mit 80 als Zeugwartin am Heimplatz des FC SW Augustin

Friedrich__Wito.jpgBeim Slovan HAC sorgen gleich drei Frauen für einen reibungslosen Spielbetrieb: Präsidentin Tatjana May, Vizepräsidentin und Kantineurin Jutta Burg und Zeugwartin Gertrude Friedrich. Letztere ist eine Institution beim Verein und wurde nun mit dem silbernen Ehrenzeichen für ihre Verdienste um den Fußball ausgezeichnet. 40 Jahre Fußballplatz das Porträt einer Frau.

Drückend überlegen ist der Tabellenführer der Oberliga A, Slovan HAC May am Sonntagvormittag beim Heimspiel gegen Nachzügler Galatasaray Wien. Während draußen am Platz der Offensivdrang zum 4:1-Sieg auf Hochtouren läuft, ist es wenige Meter entfernt in einem Nebenraum des Vereinsgebäudes der Schleudergang einer Waschmaschine.

Hier, auf vielleicht zehn Quadratmetern, ist das Refugium von Gertrude Friedrich. Denn die agile 80-Jährige ist Zeugwartin bei Slovan. Seit 33 Jahren, wie sie sagt. Seit 40, wie ihr Sohn Herbert, der Platzwart, meint. Wichtig ist das für die Mamsch, wie sie hier alle liebevoll nennen, nicht. Sie lebt fast mehr am Platz als im nahen Zuhause und verbringt oft den ganzen Tag zwischen Waschmaschine, Trockner und Stapeln von Dressengarnituren. Dementsprechend ähnelt ihr Arbeitsplatz auch mehr einem Wohnzimmer als einer Waschküche. Mit einer bequemen Sitzecke und einem Fernseher hat sichs die Zeugwartin gemütlich eingerichtet: I bin die Erste, die kommt, und die Letzte, die geht, erklärt sie, wie sie hinter den Kulissen den Spielbetrieb aufrechterhält. Woche für Woche, Sommer und Winter, gilt es die Dressen aller zwölf Slovan-Teams sauber zu kriegen. Von der U7 bis zur Kampfmannschaft: 200 Trikots, 200 Hosen und 200 Paar Stutzen, jedes Wochenende. Bei der Ersten kommen noch Unterleibchen dazu und Handtücher, die sie extra weich wasche, damit sich die Herren nicht irgendwo wehtun, macht sie sich über die Kicker lustig. Weil die sind ja Mimosen, legt sie angesichts der hohen Wäscheberge noch ein Schäuferl nach.

Da wundert es nicht, dass sie grantig wird, wenn ein Spieler wieder einmal seine Unterhose zu den schmutzigen Dressen wirft. Host ka daham?, faucht sie denjenigen dann in jenem Dialekt an, der für das Biotop Fußballplatz so charakteristisch ist. Mit ihrer Mischung aus grantelndem Charme und Wiener Schmäh kommt die Mamsch auch jenen Nachwuchskickern bei, die lieblos mit Vereinseigentum umgehen oder frech zu ihr sind. Da kann es schon vorkommen, dass sie lauter wird: I ärger mi über alles. Der Herbert sagt immer: Di trifft amoi der Schlag. Aber i brauch des. Wann i nix sag, dann ärgerts mi. I schrei lieber umadum, weil fein war i nie. Nach vier Jahrzehnten am Fußballplatz weiß Gertrude Friedrich, wie man sich bei Männern und solchen, die es gerade werden, Respekt verschafft.

Slovan HAC eine Herzenssache

Genau das schätzen die Buam an ihrer Mamsch, die sich ihre jugendliche Art auch im fortgeschrittenen Alter bewahrt hat. Als sie vor kurzem den Achtziger feierte, kamen über hundert Spieler, Ex-Spieler, Fans und Funktionäre, um ihr zu gratulieren. Darunter auch jene Kicker, mit denen ich am meisten gekeppelt hab, lacht Friedrich. Hunderte, wenn nicht Tausende Fußballer, meint Sohn Herbert, hätte seine Mutter beim Slovan schon erlebt, darunter die tschechoslowakischen Teamspieler Popluhar und Kadraba, die Legende Antonin Panenka und natürlich Ümit Korkmaz, der bis 2005 hier spielte.

Einer der Gratulanten war WFV-Präsident, Kurt Ehrenberger, der ihr das silberne Ehrenzeichen für ihre Verdienste um den Wiener Fußball überreichte. Eine Ehrung, die zeitgleich auch Slovan-Funktionär Willibald Sodl zuteil wurde. Freilich hab i mi gefreut, sagt Mama Friedrich über den Festakt und erklärt, warum sie noch aktiv sei: Ka Urlaub, nur da und vü Arbeit, aba i hob mi immer woi gfühlt. Und fügt hinzu: Bereichern kannst di da ned, da musst schon a Herz haben.

Dass die Mamsch zum Slovan kam, war für sie reine Herzenssache. Ihr Mann Gustav wurde 1974 Platzwart und gemeinsam kümmerte man sich um alles: Platz ebnen, Linien ziehen, Reparaturen erledigen, Dressen waschen. Damals war der Slovan-Platz a Gstättn, wo der Schutt vom zerbombten Westbahnhof abgeladen worden war. Bei Wind, hast glaubt, du bist in der Sahara, erinnert sich Friedrich. Als ihr Mann erkrankte, halfen zunächst der Schwiegersohn und dann der ältere Sohn aus. Der Jüngere, Herbert, kickte derweil im Nachwuchs und schaffte es in die Erste. Sein Vater Gustav verstarb 1985, kurz bevor der erste Kunstrasen verlegt wurde, doch Mutter Gertrude machte unterstützt von ihren Kindern weiter. Heute setzen Sohn Herbert als Platzwart und Tochter Elfi in der Kantine die Familientradition fort.

Kunstrasen: Fluch oder Segen?

Als die Firma rotsprint am Slovan den Kunstrasenplatz errichtete, bedeutete das eine Wende. Vorbei waren nun die mühsamen Platzebnungen, wobei an ein altes, geschenktes Auto ein Gitter gespannt wurde, mit dem man im Kreis fuhr, erinnert sich Herbert an frühere Nachmittagsbeschäftigungen mit seiner Mutter. Was bei Regen ein Gatsch war, auf dem man super reinrutschen konnte, versteinerte bei Trockenheit, und die Linien auf der Sahara verschwanden. Mit Pflöcken und Schnüren zog die Mamsch die Kalklinien wieder und wieder nach. Noch heute ist sie stolz, dass sie all diese Arbeiten selbst erledigte neben der Wäsche natürlich.

Der Kunstrasen am Slovan war jedoch nicht nur ein Segen. In der Saison 1987/88 wurde die Truppe um Panenka & Co. Regionalligameister und schuf damit die sportliche Grundlage für den Aufstieg in die 2. Division. Doch die anderen Vereine sträubten sich, auf dem neuen ungewohnten Terrain anzutreten, und nach misslungenen Versuchen, die Heimspiele ins Hanappi-Stadion zu verlegen, erhielt der Slovan HAC vom Verband keine Lizenz. Heute spielt Salzburg auf Kunstrasen und keiner regt sich auf, ärgert sich Herbert noch immer über die damalige Entscheidung. Die Folge: Die besten Spieler wanderten ab und in der Saison darauf stieg Slovan in die Wiener Liga ab.

Panenkas Sparbuch

Einer der Stars jedoch blieb zumindest der Mamsch treu: Antonin Panenka. Von seinen Engagements bei Rapid und Slovan hatte er Sparbücher, für die er lange vor dem Fall des Eisernen Vorhangs einen sicheren Ort suchte. Diskret wandte sich der geniale Tscheche an seine Zeugwartin, und die Waschküche erhielt fortan eine zusätzliche Bedeutung. Ein Dienst am österreichischen Fußball, für den die Mamsch bislang noch nicht geehrt wurde …