Die Schanze von Parndorfvorstadt

Ein Erdwall als Mittel habsburgischer Aufstandsbekämpfung

Die Kuruzzenschanze reichte von Mähren bis in die Steiermark  und erinnert an den ungarischen Widerstand gegen die rücksichtslose Katholisierungspolitik des habsburgischen Imperiums. Von Anton Tantner (Text und Foto)

Südlich des Ortszentrums der burgenländischen Gemeinde Parndorf frisst sich seit seiner Eröffnung 1998 das an der A4 gelegene Outletcenter immer weiter in die Landschaft hinein, dem Shoppingalptraum fallen und fielen dabei nicht nur bislang unversiegelte Freiflächen zum Opfer, sondern auch Teile einer historischen Befestigungsanlage: Diese verlief einst vom mährischen Göding
(Hodonín, an der Grenze Tschechiens zur Slowakei gelegen) über das diesseitige Marchufer durchs heutige Burgenland bis in die Steiermark nach Radkersburg und Slowenien hinein.
Zu Beginn des 18. Jahrhunderts errichtet, geriet der Zweck des Walls bald in Vergessenheit, und den Reisebeschreibungen des Biedermeiers galt das «Riesenwerk» als «merkwürdige, räthselhafte Schanze», über die die Autoren mutmaßten, dass sie «zum Schutze Österreichs gegen die Einbrüche der Türken» angelegt worden war, während andere gar die Römer als Urheber nannten. Dies war allerdings mitnichten der Fall, die «alte Schanze» sollte weder Osmanen noch wilde Germanen abwehren, sondern Ungarn, die gegen habsburgische Okkupation und Katholisierungspolitik kämpften. Sie wurden als Kuruzzen bezeichnet und verfolgten zum Teil auch sozialrevolutionäre Ziele wie die Abschaffung der Leibeigenschaft, weswegen sie von vielen Bauern unterstützt wurden.
Bis zu 100.000 Krieger waren es, die einen Guerillakrieg führten, bei dem die Truppen weit ins feindliche Territorium, nach Mähren, ins Weinviertel, heutige Burgenland sowie in die Steiermark vorstießen. Die zur Aufstandsbekämpfung eingesetzte habsburgische Armee terrorisierte auf ungarischem Territorium ihrerseits die dortige Bevölkerung, was den Hass auf das katholische Imperium nur wachsen ließ; letztendlich unterlag die ungarische Seite militärisch, bekam beim Friedensschluss von Szatmár 1711 aber zumindest ihre Religionsfreiheit garantiert.

Bescheidener Nutzen. Die «Kuruzzenschanze» zählt zum archäologischen Erbe dieses Krieges; sie wurde ab 1704 errichtet und bestand an manchen Orten aus Verhauen und hölzernen Wachtürmen – den sogenannten Tschartaken –, während an neuralgischen Stellen regelrechte Wälle, denen ein Graben vorgelagert war, aufgeschaufelt wurden. Kein einfaches Unterfangen, fiel es doch den kommandierenden Militärs keineswegs immer leicht, die dafür nötigen hunderten Spitzhacken und Schaufeln zu organisieren, geschweige denn die zwangsverpflichteten Untertanen zu motivieren. Von militärischem Nutzen war das geschaffene Bauwerk kaum: Die 1708 erfolgte Einnahme Neusiedls durch die ungarischen Kämpfer zum Beispiel konnte dadurch nicht verhindert werden.
Am besten erhalten ist heute jener Abschnitt der Kuruzzenschanze, der von der Donau bis zum Neusiedler See verläuft; wer will, kann diese Strecke zwischen den Orten Petronell und Neusiedl zumindest teilweise mit dem Rad (nicht immer auf legalen Wegen) entlangfahren. Am bequemsten zugänglich sind die Überreste von Parndorf aus: Die nördlich des Ortskerns befindlichen Abschnitte sind durch den «Schanzweg» bestens erschlossen, auf einer einstigen Flesche, einer dreieckigen Fläche, deren Spitze Richtung Osten weist, ist ein Rastplatz mit Infotafeln angelegt. Die Kuruzzenschanze zieht sich von hier aus nach Norden und ist klar als ein von Bäumen bewachsener Geländeabfall wahrnehmbar, der die Felder voneinander trennt. Am deutlichsten erkennbar ist das Bauwerk unter der Nordostautobahn: Dort, wo eine Brücke der A6 über die Schanze verläuft, wurde der bis zu zwei Meter hohe Wall gerodet und kann in seiner erdigen Reinform bewundert werden.

Für Geschichte- und Erdwall-Freaks. Nördlich der Donau wird es schwieriger, Überreste der Schanze auszumachen, und es braucht findige Archäologen wie Paul Mitchell, die den Gelsen der angrenzenden Marchauen trotzen und sich mit geschultem Blick, Luftbildaufnahmen und historischem Kartenmaterial ausgestattet durch Gestrüpp und Unterholz kämpfen, um jene Relikte ausfindig zu machen, die sich bei Markhof, Marchegg, Zwerndorf oder südlich von Angern in der Landschaft verbergen. Das Ergebnis seiner Arbeit liegt unter anderem in Form eines Katalogs vor, der nicht weniger als 106 Fundstellen vom steirischen Laafeld bis zu Sierndorf an der March penibel mit exakten Koordinatenangaben verzeichnet. Es handelt sich dabei um einen idealen Wanderführer für Geschichte- und Erdwall-Freaks, die sich von Ausflügen in unwegsames Gelände nicht abschrecken lassen, und wer weiß, vielleicht wird in einer nicht zu fernen Zukunft ein Wander- oder sogar Radweg diesem Mahnmal für Widerstand gegen habsburgische Expansionspolitik entlangführen.

Der Publikationen von Paul Mitchell sind unter independent.academia.edu/PaulMitchell einsehbar; selbstredend sei auch
Erwin Riess‘ Drama Kuruzzen wärmstens empfohlen!