Donald Trump und das Land OberösterreichDichter Innenteil

Herr Groll auf Reisen (306. Folge)

Der Dozent hatte seinen Freund Groll in ein Spezialitätenrestaurant der Wiener Innenstadt eingeladen, um mit ihm zwei Fragen der condition humaine* zu besprechen. Beim Leberkäs-Pepi in der Operngasse kam er nach einem Spargelleberkäse und einem Glas Bier zur Sache. Ob Herr Groll schon vom neuesten Deal des amerikanischen Präsidenten gehört habe.

Freie Fahrt zurück!

Foto: Mario Lang

Groll verzehrte den letzten Bissen seines Sauerkraut-Leberkäses und nahm einen Schuss von der Hausrucker Rabiatmolke. «Hat er Russland Milliarden amerikanische Kaugummis zu einem überhöhten Preis angedreht?

«Das wäre harmlos», erwiderte der Dozent und verlangte nach der Rechnung.

«Hat er China zehn Milliarden Tischtennisbälle zu horrenden Preisen verklopft?»

«Auch das wäre nicht so schlimm.»

«Hat er sich selbst den höchsten amerikanischen Tapferkeitsorden verliehen? Hat er sich bei der Preisrede dafür beschimpft, dass er das nicht schon längst getan hat? Und hat er daraufhin sechs Minister entlassen, die ihn auf dieses himmelschreiende Unrecht nicht schon früher aufmerksam machten?»

«Auch das wäre für die meisten US-Bürger noch zu verkraften.»

«Dann muss ich passen». Herr Groll kippte die Rabiatmolke in eine Tischvase. Was Donald Trump nun vorgeschlagen habe?

Der Dozent beugte sich vor. «Der Präsident plant Einschnitte bei der staatlichen Krankenversicherung für arme und behinderte Menschen. Für das entsprechende Programm Medicaid seien drastische Kürzungen vorgesehen, heißt es in der Washington Post. Trump will das Budget des Programms Medicaid, das Menschen mit geringem Einkommen kostenlose Arztbesuche ermöglicht, in den nächsten zehn Jahren um 800 Milliarden Dollar kürzen. Berechnungen des US-Kongresses würde das rund zehn Millionen US-Bürger ihrer Gesundheitsversorgung berauben. Zudem werde erwartet, dass Trump ein weiteres Programm kürzen wolle, eines, das arme Amerikaner mit Essensmarken versorgt.» Der Kellner legte die Rechnung vor, der Dozent suchte in seiner Geldbörse nach Münzen. Erstaunt registrierte Groll, dass der Dozent nahezu achtzig Cent Trinkgeld gab. Der Dozent fuhr fort: «Im laufenden Haushaltsjahr werden dem Verteidigungsministerium 15 Milliarden Dollar mehr zur Verfügung gestellt.»

«Der Mann bleibt sich und seinen Wahlversprechen treu», sagte Groll. «Die Kälber haben ihren Metzger gewählt. Der schreitet nun zur Tat.»

«Ihre Gelassenheit ist befremdlich. Vielleicht, weil die Lage in Österreich wesentlich besser ist?»

«Da muss ich leider widersprechen», sagte Groll. «Dieser Tage beschließt die Oberösterreichische Landesregierung eine Novelle zum Landes-Antidiskriminierungsgesetz. Es sollte ein Kernstück der Menschenrechts- und Integrationspolitik des Landes darstellen.»

«Ich ahne Schlimmes», meinte der Dozent.

«Sie untertreiben», sagte Groll. «Viele Menschenrechtsorganisationen als auch die Volksanwaltschaft laufen gegen diese Novelle Sturm, sie verstoße gröblich gegen grundsätzliche, menschenrechtliche Standards, welche von der Republik Österreich völkerrechtlich anerkannt wurden. Die zuständige Landesrätin Gerstorfer wird im übrigen von der SPÖ gestellt.»

Der Dozent zückte sein Notizbuch.

Groll fuhr fort. «Zum einen ist die Antidiskriminierungsstelle nicht unabhängig, sie weist auch nicht die erforderliche personelle und finanzielle Ausstattung auf. Auch wird kritisiert, dass die Leitung nur durch Landesbedienstete besetzt werden soll und eine rechtskundige Ausbildung nicht erforderlich ist.»

«Das ist stark», sagte der Dozent und schrieb.

«Des Weiteren werden die Tätigkeitsberichte der Antidiskriminierungsstelle nicht jährlich, sondern nur ‹bei Bedarf› verfasst. Der Bericht wird nur an die Landesregierung ergehen, also nicht öffentlich sein. Darüber hinaus widerspricht die Ausstattung und Praxis des Landes-Monitoringausschusses den fundamentalen Grundsätzen der UN-Behindertenrechtskonvention diametral.** Zu guter Letzt sind von den massiven Kürzungen der Mindestsicherung für Asylwerber auch behinderte Menschen betroffen, die seit Jahrzehnten in Oberösterreich leben.»

Der Dozent schüttelte den Kopf.

Herr Groll resümierte: «So fügt das eine sich ins andere. Vom Rassismus zum Sozialdarwinismus ist es nur ein kleiner Schritt – und schon ist die Straße der Zivilisation verstopft.»

* La condition humaine / So lebt der Mensch, Roman von André Malraux, 1933. Im selben Jahr malte René Magritte sein berühmtes gleichnamiges Gemälde

** Gunther Trübswasser, Vorsitzender von SOS-Menschenrechte Österreich, selbst Mitglied des oberösterreichischen. Monitoringausschusses sowie des Unabhängigen Monitoringausschusses beim Bund, sieht in dem Vorhaben einen Rückfall in finsterste obrigkeitsstaatliche Praktiken. (Bizeps.at)