Ein Hut für Sisi und das Teleskopvorstadt

Foto: Susi Mayer

Wiener Berufung

Die Brille von Katharina Lehrkinder beschlägt, als sie den Filzrohling über die Dampfdüse hält. Danach dehnt sie den Filz über eine Hutform und ­nagelt ihn fest. Das Holz der Form ist speckig und abgegriffen vom jahrelangen Gebrauch. Der Prozess bis zum fertigen Hut dauert mehrere Tage, denn die Hutmacherin hat keinen Trockenofen. Zwar ersetzt Strom ­mittlerweile die Kohle in den Verdampfern, die ­Geräte und Hilfsmittel funktionieren aber noch so wie vor hundert Jahren.
Vom Hutmachen allein kann die 37-Jährige nicht leben, sie übt auch eine Lehrtätigkeit an einer ­Modeschule aus: «Österreich hat keine Tradition des Hütetragens», sagt Lehrkinder. Die Handvoll Hutmacher:innen, die es in Österreich noch gibt, ringen um die Hinterlassenschaften pensionierter Kolleg:innen: Lehrkinders Werkstattausstattung und Hilfsmittel hat sie zum Großteil von Hutmacher:innen im Ruhestand oder aus dem Theater­fundus. Auch Hutformen aus Holz werden kaum noch hergestellt, ­darum baut Lehrkinder sie heute im 3D-Drucker nach.
Ihre besten Kund:innen sind Historienfans aus der Reenactment-Szene, die Nachbildungen von Requisiten aus vergangenen Jahrhunderten wollen. Lehrkinders Kreationen sind so nah am Original, dass sie es auch auf die Leinwand schaffen: In den Filmen Corsage oder Angelo tragen Schauspieler:innen unter anderem Hüte von Lehrkinder.
Ihr speziellster Auftrag hatte allerdings andere Dimensionen. Das zwei Meter lange Refraktorrohr der Kuffner Sternwarte benötigte einen Zylinder, der die sensible Linse vor Staub schützt. Der Auftrag beschäftige sie über mehrere Monate, die ungewohnten Dimensionen machten vom Schnitt bis zum Nähen des dicken Filzes von Hand jeden Arbeitsschritt zur Herausforderung.
Das Beste an ihrem Job? «Die ­Materialvielfalt! Ich arbeite mit Filz, Leder, Stroh, Federn, Holz, ­Wolle bis hin zu zweckentfremdeten Nespressokapseln», sagt Lehrkinder. Die wichtigste Fertigkeit als Hutmacherin sei die Fähigkeit zur Improvisation: «Es gibt kaum ein Modell, wo ich nicht ein wenig tricksen muss.»

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