Ein Nachmittag im Museum …Artistin

… kann teuer werden. Manche Eintrittspreise kratzen schon an der 20-Euro-Marke. Aber für wen sind Museen eigentlich gedacht?

TEXT: MAGDALENA MAYER
Illustration: RUTH WEISMANN

Mit der hohen Inflation ist das Leben teurer geworden und vor allem die Steigerung der Energiekosten stoppt vor keiner Branche. Das macht sich auch im Kulturbereich bemerkbar. So denken Museen laut nach, wie sie den Teuerungen begegnen – und stellen eine Erhöhung der Ticketpreise in den Raum. Hieß es etwa im August von der Albertina modern, dass Preise die ­letzte Stellschraube für die ­Abfederung der Mehrkosten sein sollen, so ­erhöhte die Albertina den regulären Eintrittspreis für eine erwachsene Person schon im September um einen Euro und ­somit auf 18,90 Euro. Auch das Belvedere verlautbarte, die Eintritte anheben zu müssen. Ebenso denkt die Nationalbibliothek über eine punktuelle Preissteigerung für ihre Museen nach, andere Häuser planen ähnlich. Aber ist der ­Zugang zu ­Museen dann noch leistbar, auch für Einkommensschwächere? Und ist die Kunst in Sammlungen und Schauen noch für alle da, wenn man für sie tief in die Geldbörse greifen muss?

Kostenintensiv.

Die Debatte über den Preis als nötige oder vermeidbare ­Zugangsbarriere zum Museum ist derzeit jedenfalls von den ­Teuerungen ­bestimmt. Unter anderen betont ­Sabine Fauland vom Museumsbund Österreich, dass Museen aktuell besonders auf Geld angewiesen sind, um den ­Betrieb zu ­erhalten und die Qualität zu sichern. «Die Frage nach dem Eintrittspreis ist eine Quadratur des Kreises», stellt die Geschäftsführerin der nationalen Dachorganisation für die Interessen ­aller österreichischen Museen und ­deren Mitarbeiter:innen einem Gespräch mit dem Augustin über die Preisgestaltung für Besucher:innen voran. Die Basisabgeltungen für die Bundesmuseen wurden mit 2022 zwar angehoben, um laufenden Lohn- und Preissteigerungen ­gerecht zu werden. Das ­federe aber die ­Teuerungen im Muse­umsalltag ab und nicht die ­Eintritte, erklärt Fauland. Die Bundes­museen mit einem finanziellen ­Eigendeckungsgrad von 70 bis 90 Prozent hätten wegen der Pandemie auch noch den Wegfall des Kulturtourismus zu verkraften. Bei Landesmuseen mit rund 10 Prozent Eigendeckung ist das ­weniger ­relevant, Energiepreise abfedern müssen alle Häuser. Und Ausstellungen seien nur die sichtbare Spitze der Arbeit, die Ressourcen braucht, erinnert Fauland: Das Sammeln, Bewahren, Forschen – all das mache die Häuser zu personal- und kostenintensiven Betrieben.
Ein Haus, bei dessen ­Kalkulation Eintrittsgelder wesentlich sind, ist das Belvedere. Vor der Pandemie ­kamen bei einem Gesamtbudget von rund 30 Millionen Euro etwa neun aus der Basis­subvention des Bundes und 15 von Ticket­erlösen. Werde erste nicht in entsprechendem Ausmaß steigen, dann müsse der Preis der zweiten ­angepasst werden, so der ­wirtschaftliche ­Geschäftsführer Wolfgang Bergmann. Derzeit kostet ein Ticket 8,90 Euro im Belvedere 21, 13,90 Euro im Unteren und 15,90 Euro im Oberen ­Belvedere. Das Budget für nächstes Jahr steht noch nicht, dennoch gab man bereits eine Warnung heraus. Es gäbe nicht viele andere Komponenten, wo man ­sparen ­könne. Im Ausgleich Programm und Ausstellungskosten zu reduzieren, ­könne sich nach hinten richten.

Kein Personalabbau.

Der größte ­Hebel seien Personalkosten, stellte kürzlich auch Sabine Haag, Direktorin des Kunsthistorischen Museums, in einem Interview mit Der Standard fest. Personalabbau solle aber nicht die ­nächste Schraube werden. Im ­Belvedere weiß man aus der ­Vorpandemiezeit, dass ­üblicherweise 80, im Oberen ­Belvedere sogar 90 Prozent der Gäste Tourist:innen sind. Dementsprechend ist das Haus auf Einmalbesucher:innen ausgelegt, von denen man annimmt, dass sie ­einen ­höheren Preis zu zahlen bereit sind. Die Botschaft aus dem Belvedere: Wer es sich leisten kann, soll Kulturkonsum entsprechend bezahlen; der Staat ­solle vielmehr weiter bei jenen einspringen, die den Kulturpass «Hunger auf Kunst und Kultur» verwenden.

Freier Eintritt?

Ob sich aber Personen, ­deren Einkommen knapp über der ­Grenze für den Kulturpass liegt oder die aus anderen Gründen den Pass nicht ­erhalten, oder etwa auch Low-Budget-Reisende, den Eintritt weiterhin und ­öfter leisten? Dazu kommt eine kulturpolitische Überlegung: Wäre ein geringerer oder freier Eintritt nicht prinzipiell ein ­gesellschaftlicher Gewinn? Besonders für hier ansässige ­Menschen, die sich nicht wie Tourist:innen einmalig etwas Besonderes leisten, sondern ­einen ­Museumsbesuch in den Alltag und in ihr alltägliches Budget integrieren wollen? Diese Frage beschäftigt insbesondere das Wien Museum, das über 50 Prozent lokales Publikum hat und mit der Wiedereröffnung 2023 die Dauer­ausstellung umsonst anbieten ­möchte. «Das Wissen über die ­Geschichte der Stadt, in der man wohnt, sollte kein Privileg, sondern ein Recht sein. Das gilt auch in schwierigen ­Zeiten», sagt ­Florian Pollack, der Kommunikationschef des Museums. Man erhofft sich, auch Leute zu erreichen, die dann spontan einen Sprung ins Haus kommen oder kurzfristig entscheiden, dann auch in die Sonderschauen zu gehen, die weiterhin etwas kosten werden – wohl wie anderswo auch mehr als bisher. Ob der freie Eintritt in die Dauer­ausstellung finanzierbar ist, bleibt noch offen: ­Gespräche über die nötigen Mittel laufen. Der Blick ist jedenfalls auf den Vorreiter Großbritannien ­gerichtet: In britischen ­Nationalmuseen, wo ­freier Eintritt in Dauerausstellungen seit 2001 gang und gäbe ist und daher ­Daten dazu vorliegen, stiegen die Besucher:innenzahlen zu Anfang der Einführung sichtbar; Einnahmen kamen von der Querfinanzierung mit kostenpflichtigen Sonderausstellungen, neben etwa Geld von Spendenaufrufen und staatlicher Finanzierung.
Wäre es nicht auch ein gesellschaftlicher Gewinn für die Stadt, in der das Museum steht, wenn ebenso in einem sonst auf touristisches Publikum ausgelegten Haus wie dem Belvedere mehr ortsansässiges Publikum käme – und freie Eintritte ein Anreiz dafür? Für ­die Stadtbevölkerung habe man ­günstigere Jahreskarten, wird im Belvedere argumentiert: Darüber hinaus gäbe es insbesondere das Community Outreach Programm im Belvedere 21, das gratis zugänglich ist und bei dem Gruppen im Umfeld des Belvedere 21 aktiv einbezogen werden soll.
Über freie Eintritte und derartige Angebote muss man allerdings erst mal Bescheid wissen. Das ist die Grundvoraussetzung, gibt die Kunsthistorikerin Luise Reitstätter zu bedenken: Das Wissen hätten nämlich meistens die Personen, die sowieso ins ­Museum gehen. Reitstätter ist Universitäts­assistentin und leitet das Labor für ­empirische Bildwissenschaft der Universität Wien. Im Frühjahr 2022 wurde ihre Studie

Recht auf Museum?

10 Erkenntnisse zu musealen Öffentlichkeitskonzepten und deren Wahrnehmung veröffentlicht, die sie mit einem Team seit 2020 durchführte. Sie untersuchte, wie der Anspruch auf öffentlichen ­Zugang zu Kulturgütern in ­demokratischen ­Gesellschaften heute mit der Realität übereinstimmt. Und sagt, auch bezugnehmend auf andere Studien, bei denen eine ­gewünschte soziale Öffnung durch ­einen freien Zugang nicht eindeutig ­belegt werden konnte: «Wenn Menschen grundsätzlich nicht ins Museum gehen, kommen sie auch nicht durch ­freien Eintritt. Freier Eintritt fördert jedoch Mehrfachbesuche und kommt Menschen mit ­geringen Budgets zugute.»
Recht auf Museum. Reitstätters Projekt verschränkte Archiv- mit Feldforschung. Bei fünf Museen – dem ­Belvedere, Kunsthistorischen ­Museum, Volkskundemuseum, MAK und Haus der Geschichte – wurden Mission Statements zur öffentlichen ­Aufgabe seit ­deren Gründung analysiert. ­Danach führte man mit zwei Gruppen Museumsbesuche durch und erfragte, wie die Selbstbeschreibung der ­Museen mit Besuchserfahrungen übereinstimmt. Eine Frage ­betraf den Eintrittspreis 2021: Er wurde von 47,8 Prozent der Teilnehmer:innen als angemessen, von 38,4 Prozent als zu teuer ­bewertet; in Kommentaren wird ­allerdings deutlich, dass er relational zum Angebot, zur Einkommenssituation oder zur Möglichkeit von Mehrfachbesuchen unterschiedlich bewertet wird. Die ­wichtigste Erkenntnis für ­Reitstätter: «Der Preis ist ­zumeist nicht die Barriere.» Aus der Nicht-Besucher:innen-Forschung ­kenne man andere Gründe, auch ­fehlende Zeit oder fehlendes Interesse. «Aber Preis ist Symbolik, wie kulturell zugänglich ein Museum ist. Wie und für wen ist es ­offen? In dieser ­Frage steckt auch ­soziale Gerechtigkeit.»
In einer Evaluation der Bundesmu­seen 2004 zeigte sich, dass für die Mehrzahl der Befragten ein Preis bis 10 Euro als akzeptabel gilt. ­Dieselbe ­Preisschwelle zeigte sich auch beim Forschungsprojekt Recht auf Museum – doch liegen die Preise nun meist deutlich darüber. «Wenn Be­su­cher:innen den regulären Preis bezahlen, wollen sie im Sinne eines guten Preis-Leistungs-Verhältnisses häufig möglichst viel mitnehmen. Das führt nicht unbedingt zu einer positiven Museumserfahrung», thematisiert Reitstätter Probleme der Überforderung und schlägt vor: «Sobald ich zum selben Preis öfter kommen kann, ­werde ich entlastet.» Abonnements wären auch eine Möglichkeit weiterer Preissche­mata, neben bestehenden wie dem Kulturpass, dem freien Eintritt bis 19 Jahre, Jahreskarten oder der Bundesmuseen-Card (die nur zum Einmalbesuch ­ermächtigt). «In der Preisgestaltung gibt es viele ­Dinge, die man machen könnte. In Österreich ist noch nicht ­alles davon schon angekommen», verweist ­Sabine Fauland auf Pay as you wish oder Austrittsgeld-Experimente je nach Aufenthaltsdauer; diese seien aber verwaltungsintensiver. Der Museumsbund sieht als mögliche ­Lösung eine landesweite ­Museumskarte zu ­einem Jahrespreis, wie es sie etwa in skandinavischen Ländern gibt; in Österreich gibt es noch keine konkreten politischen ­Überlegungen diesbezüglich.
Museen haben einen Kultur- und Bildungsauftrag. Reitstätter betont: Überlegungen, wie sie inklusiver, diverser und benutzer:innenfreundlicher werden, ­seien dafür wichtig. Auch Lebensstile haben sich diversifiziert, dennoch ist das Museumspublikum vorwiegend ein traditionelles, wie auch ihre Studie zeigt: weiblich, mit hohem Bildungsgrad und bereits großem ­Museumsinteresse. «Im Sinne eines Rechts auf Museum fände ich es schön, wenn das Museum ein alltäglicher Besuchsort wäre, ein dritter Raum neben Arbeit und dem ­Zuhause. Ein Ort nicht nur für Konsumation, sondern ein Verweilort», sagt die Forscherin. «Es wäre schön, wenn Museen ein bisschen wie Bibliotheken auch Orte des ­sozialen Zusammentreffens sind, die gute Inputs und Impulse fürs Nachdenken und Austauschen geben können.»