Eine Attacke auf die Pressefreiheittun & lassen

Seit etwas mehr als einem Jahr ist Janez Janša Ministerpräsident von Slowenien. Freie und demokratische Medien bekommen seine Gangart durch Einschränkungen und Kürzungen zu spüren. Ist die Pressefreiheit gefährdet?

TEXT: TANIA NAPRAVNIK


Seit knapp über einem Jahr ziehen jeden Freitag Radfahrer_innen aus Protest gegen die Regierung durch Ljubljana. Bis zu 40.000 Menschen sind es, die wöchentlich gegen die jüngsten politischen Entwicklungen unter dem rechtskonservativen Ministerpräsidenten Janez Janša demonstrieren. Janša ist seit 1993 Vorsitzender der Slowenischen Demokratischen Partei (SDS), die im Diskurs mit der Freiheitlichen Partei Österreichs vergleichbar ist. Die SDS ist eine der vier Parteien der aktuellen Koalitionsregierung, nächstes Jahr stehen Neuwahlen an. Das Klima für die progressiven Kräfte in Slowenien ist rauer geworden: Kritisch Denkende stehen unter Druck – sie bangen um ihre Existenzen. Dieser Zustand ist nicht neu, neu ist nur, dass die Attacken gegen sie immer häufiger direkt von regierenden Politiker_innen kommen: Verwaltungsposten erhalten durch Neubesetzungen ein anderes Make-up, Förderrichtlinien für linke bzw. humanitäre Organisationen verändern sich schleichend. Wer die Verantwortung der Krise trägt, ist für die SDS klar: «parasitäre» Nicht-Regierungsorganisationen (NGOs), die vom Staat leben und ihm Geld entziehen, welches wiederum im Gesundheitssystem fehlt. Janša, der ähnlich wie einst Donald Trump viel über Twitter kommuniziert, wettert öffentlich gegen renommierte Journalist_innen, Sozialwissenschafter_innen und Kulturschaffende. Die Stimmung im Land ist aufgeheizt, die mediale Rhetorik der SDS läuft entlang des Mottos «Krieg mit den Medien». Feindbilder werden kon­struiert und auf den sozialen Kanälen von SDS-Sympathisant_innen vielfach verbreitet, geliked und retweeted. Špela Stare vom slowenischen Journalist_innenverband hält die Pressefreiheit in Slowenien insgesamt für gefährdet: «Die Regierung deklariert die Mainstreammedien zu ihrem Feind und schafft ihre eigenen Kanäle, um ihre Botschaften unterzubringen.» In diesen regierungsnahen Medien würden Opfer als Täter_innen dargestellt. «Die regierende Partei betreibt eine Propaganda gegen bestimmte Gruppen, gegen jene, die ihnen nicht ins eigene Weltbild passen», meint Iztok Šori, Soziologe und Direktor des Friedensinstituts Mirovni Inštitut. «NGOs sind in deren Augen Parasiten, die den Wohlfahrtsstaat attackieren. Und das, obwohl es eigentlich genau umgekehrt ist: Janša ist dabei, den Wohlfahrtsstaat abzubauen, er setzt auf die Kräfte des freien Marktes.»

Ausgehungerte Medien.

Die Mitarbeiter_innen des unabhängigen Mirovni Inštitut forschen unter anderem zu Gleichberechtigung und Menschenrechten. Die wissenschaftliche Einrichtung feiert heuer ihr 30-jähriges Bestehen, die Büros befinden sich im Gebäude von Metelkova 6, wo auch 17 andere NGOs ihren Sitz haben. Derzeit ist unklar, wie lange und ob das Friedensinstitut dort länger bleiben darf, weil das Kulturministerium das Objekt räumen lassen will. Die Mieter_innen interpretieren das als Attacke auf Zivilgesellschaft, unabhängige Kultur und kritische Öffentlichkeit. Iztok Šori meint, gegenwärtig sei nie klar, wen die Angriffe der Regierung als nächstes treffen werden. Sicher sei nur, dass «Medien und NGOs auf ähnliche Art und Weise attackiert werden, ein Art, die den Rechten in die Hände spielt». Fest steht auch, dass beide Bereiche gegenwärtig monetär ausgehungert werden. Der Wissenschafter verweist auf die slowenische Presseagentur STA – ihr droht wegen der eingestellten staatlichen Finanzierung die Insolvenz. Die STA ist im Rahmen ihres öffentlichen Dienstes gesetzlich verpflichtet, über wichtige Ereignisse im Land zu berichten. Für den öffentlichen Auftrag wird sie aus dem Staatsbudget finanziert, jedoch hat die STA heuer noch kein Geld erhalten. Špela Stare meint in diesem Zusammenhang, dass «die Regierung die STA kontrollieren möchte. Alle Mediengesetze sind unter Janša erlassen worden, die Mainstreammedien verlieren ihre Unterstützungen zunehmend».

Balance statt Demokratie.

Auch beim nicht-kommerziellen Radio Študent spitzt sich die Situation zu. Der Sender hat jüngst seine Hauptfinanzierung durch die Gründerin und Eigentümerin, die Studierendenvertretung der Universität Ljubljana (ŠOU), verloren. «Diese 100.000 Euro sind sehr wichtig für uns, die haben wir bis dato jährlich bekommen. Doch auf einmal gibt es das neue Förderkriterium ‹Balance›, und alles ist anders als zuvor. Diese Kategorie ist zu hinterfragen, sie wird nicht einmal näher definiert, aber wegen ihr verlieren wir unsere Existenzgrundlage», so die Journalistin Gea Saje. Die Mission von Radio Študent ist, «sich um Inklusion, Diversität und Verteidigung der Demokratie zu bemühen». Das Medium wurde in der jugoslawischen 1968er-Bewegung als Alternative zu den Staatsradios gegründet. Aktuell engagieren sich bei diesem unabhängigen Radio rund 200 Menschen, einige von ihnen sind prekär beschäftigt, andere arbeiten ehrenamtlich. Die Redakteur_innen broadcasten über Themen, die andere Journalistin_innen vernachlässigen – etwa Berichte über Länder des Globalen Südens –, zugleich bilden sie neue Journalist_innen aus. Auf die jüngsten finanziellen Lücken reagierte das engagierte Team mit Crowdfunding, Solidaritätskampagnen und Spendenapellen. «Es ist schrecklich, dass wir uns um Geld für gut etablierte Medieninstitutionen selbst kümmern müssen. Das sollte nicht passieren. Wir und die STA müssen nachhaltig ausfinanziert sein, wir sind schließlich keine Charity-Organisationen», äußert sich Saje betroffen.

Der bittere Geschmack der Selbst­zensur.

Diese Einschüchterungen und finanziellen Engpässe bei Medienorganisationen haben den bitteren Beigeschmack, dass sie zu Selbstzensur führen. «Journalist_innen berichten immer seltener scharf und konkret», räumt Saje ein. Erschwerend kommt hinzu, «dass Nachrichten von Nicht-SDS-Kanälen immer öfter von der Regierung und der Bevölkerung als Fake News disqualifiziert werden». Dabei schenken mehrheitlich Personen aus den unteren Einkommensschichten der Janša-Propaganda gegen Migrant_innen, Obdachlose und LGBTIQ Glauben – sie wählen ihn.
«Es sind vor allem Menschen mit niedriger Bildung, die Janša unterstützen», sagt Šori. «Und das, obwohl er eine Politik für die Reichen betreibt. Auch in der aktuellen Krise wird vor allem die Wirtschaft unterstützt. Unternehmen erhalten Förderungen, und das, obwohl die Folgen der Krise vor allem jene ärmer macht, die ohnehin schon arm sind, wie etwa Pensonist_innen oder Alleinerziehende.» Insofern erscheint es derzeit besonders wichtig, genau über jene marginalisierten Gruppen nicht abwertend zu berichten, die Hilfe benötigen. Ein Sozialprojekt, das sich dieser Aufgabe widmet, ist beim Verein für Hilfe und Selbsthilfe für Obdachlose, Kralji ulice, angesiedelt: Er vertreibt unter anderem eine Zeitung, die von Armutsbetroffenen auf der Straße verkauft wird und ein inhaltlich reiches Spektrum bietet.

Alle gemeinsam.

Nicht nur die progressiven Eliten des Landes haben es derzeit besonders schwer in Slowenien, sondern auch marginalisierte Gruppen. Die Regierung hat kürzlich vorgeschlagen, die Strafe für «aufdringliches Betteln» auf bis zu 500 Euro zu erhöhen. Trotz dieser feindseligen Stimmung im Land lassen sich die kritischen Denker_innen in Slowenien nicht den Mut nehmen, ihre Stimmen zu erheben und auf den Straßen zu protestieren. Zudem ist es laut Iztok Šori vom Mirovni Inštitut wichtig anzuerkennen, dass die Situation in Slowenien ein globales Problem ist: «Dieser Rechtspopulismus zerstört aktuell viele Länder in Europa, der zivilgesellschaftliche Raum schrumpft. Wir müssen dafür sorgen, dass diese autoritären Tendenzen von vielen unterschiedlichen Akteur_innen aufgegriffen und letztendlich gestoppt werden.»

www.kraljiulice.org
www.mirovni-institut.si
https://radiostudent.si

Foto ©www.mirovni-institut.si

Bildunterschrift: Metelkova 6, Ljubljana: Hier haben NGOs wie das Friedensinstitut ihren Sitz, die Regierung würde das Haus gerne räumen lassen

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