Eine ewig unfertige Planstadtvorstadt

Realsozialistischer Wandschmuck: Ein Hoch auf die Arbeit! (Foto: © Mario Lang)

STÄDTE UNTERM RADAR: DUNAÚJVÁROS

«Nur wer einen Vogel hat, verweilt länger als nötig in Dunaújváros», soll ein ungarischer Historiker einmal angemerkt haben … Die Kreis- und Stahlstadt liegt rund 70 Kilometer südlich von Budapest am rechten, farbloseren Ufer der Donau. Bis Ende der 40er-Jahre war die heutige Stadt noch ein unbedeutendes Dorf. Ab 1949 hatten die ungarischen Kommunist:innen große Pläne mit dem Kaff. Aus Dunapentele sollte die erste sozialistische Planstadt zu Ehren des sowjetischen Führers werden: Sztálinváros. Arbeit und Wohnungen für das werktätige Volk. Die Stalinstraße, heute Vasmű út (Stahlwerkstraße), führte vom Bett direkt in die Fabrik. Rund um die Prachtallee symmetrische Schlafburgen für die Held:innen der Arbeit. Nur zwei Jahre nach Baubeginn starb der Diktator und viele Vorhaben des Architekten Tibor Weiner blieben unvollendet. Ab 1961 wurde die Stalinstadt in Dunaújváros unbenannt. Ein herzeigbares Stadtzentrum gibt es bis heute nicht, für die Revitalisierung der realsozialistischen Baudenkmäler fehlt das Geld, dafür gibt es eine Menge aus der Zeit gefallener Artefakte: Mosaike, Denkmäler, Wandmalereien und viel sozialistisch realer Klassizismus. Die Tourist:innenströme werden weiterhin einen weiten Bogen um Dunaújváros machen, nur wenige Besucher:innen mit Architektur-, Geschichtsinteresse und einem «g’sunden Vogel» geben sich dem abgerockten Charme der unfertigen Retortenstadt hin.