Eine Million für faires Wohnentun & lassen

Europäische Bürgerinitiative: billiger wohnen, weniger spekulieren

Die Bürgerinitiative Housing for All will Wohnen wieder leistbar machen. Europaweit sollen dafür eine Million Unterschriften gesammelt werden. Illustration: Much

Es ist ein banges Warten gewesen. Bis zuletzt. Denn die bei der Europäischen Kommission eingereichte Bürgerinitiative Housing for All hätte genauso gut abgewiesen werden können. Grünes Licht dafür gab es durch einen Kommissionsbeschluss in Straßburg am 12. März, der per 18. März in Rechtskraft getreten ist. Die Sprecherin der Initiative, Karin Zauner-Lohmeyer, ist sichtlich erleichtert. Sie und sechs weitere private Initiatoren aus Spanien, Deutschland, Schweden, Zypern, Portugal, Kroatien müssen nun die nächste Hürde nehmen. Gefordert sind mindestens eine Million Unterschriften – europaweit. Was nach viel klingt, sollte aber umsetzbar sein. Dafür hat die Europäische Bürgerinitiative (EBI) exakt ein Jahr lang Zeit.

Geförderten Wohnbau fördern.

Worum geht es aber der Bürgerinitiative? «Mit dem Menschenrecht auf leistbares Wohnen wird heute in ganz Europa spekuliert. Wohnen ist in vielen Städten Europas für breite Bevölkerungsschichten unerschwinglich geworden. Es wird viel zu wenig in bezahlbares Wohnen investiert», sagt Karin Zauner-Lohmeyer. Daher soll der Zugang für alle zu leistbarem und sozialem Wohnbau erleichtert werden. Denn in den vergangenen Jahren sind die Miet- und Immobilienpreise am freien Wohnungsmarkt dramatisch angestiegen. Rund 82 Millionen Menschen geben in Europa mehr als 40 Prozent ihres Einkommens fürs Wohnen aus. Wenn nun aber, wie europaweit zu sehen ist, der geförderte Wohnbau stark reduziert wird, dann verschärft das die Wohnungsnot noch mehr. Zauner-Lohmeyer: «Die Wartelisten für geförderte soziale Wohnungen werden immer länger und länger. In fast allen Mitgliedsstaaten in Europa steigt die Zahl der obdachlosen Menschen.»
Daran sind auch die Maastricht-Kriterien schuld. Derzeit scheitert ein expansiver geförderter Wohnbau in Wien oftmals, weil für jedes größere Wohnbauprojekt auch die Straßen, die Anbindungen an den öffentlichen Verkehr sowie an die Gas-, Wasser-und Stromleitungen, Kindergärten, Schulen mitfinanziert werden müssen. Das ist aber ein finanzieller Spagat, da sich die Stadt Wien an die Maastricht-Kriterien bei der Aufnahme von Krediten halten muss. Und genau diese, den Wohnbau lähmenden Schrauben sollen durch die EBI künftig gelockert werden.

200 Millionen Euro mehr.

Kräftige Unterstützung erhält die EBI Housing for All auch von Arbeiterkammer-Präsidentin Renate Anderl: «Die Forderungen der Bürgerinitiative würden allein in Österreich 200 Millionen Euro an Investitionsspielraum für den leistbaren Wohnbau bringen.» Ein weiterer Punkt der EBI ist die Ausformulierung von sozialen und wettbewerbsgerechten Regeln für Kurzzeitvermietungen über Online-Plattformen wie Airbnb. Denn durch derartige lukrative Nebengeschäfte von Wohnraum wird dieser dem eigentlichen Wohnbedarf entrissen. Dazu plant die Bundesregierung eine Meldepflicht bei Airbnb und anderen Online-Plattformen sowie eine Registrierungspflicht für Vermieter_innen. Immerhin übernachten pro Jahr etwa 770.000 Gäste via Airbnb in Österreich.

Von der Initiative zum Gesetz.

Damit dem Bedürfnis auf faires und leistbares Wohnen entsprochen wird, müssen nun die erforderlichen Unterstützungserklärungen gesammelt werden. In Österreich können alle EU-Bürger_innen ab 16 Jahren die Bürgerinitiative unterschreiben. Und zwar über die Homepage www.housingforall.eu. Es ist also kein Gang zum Amt nötig. Einfach das Formular ausfüllen (Reisepass- oder Personalausweis-Nummer ist erforderlich) und mitstimmen. Wenn eine Million an Stimmen zusammen ist, müssen die EBI-Anliegen von der Europäischen Kommission und dem Europäischen Parlament angehört und behandelt werden. Binnen drei Monaten nach Eingang der Initiative setzt die Kommission folgende Schritte: Ein Treffen mit Vertreter_innen der Kommission und den Organisator_innenen; die Organisator_innen können ihre Initiative bei einer öffentlichen Anhörung im Europäischen Parlament vorstellen; und dann veröffentlicht die Kommission eine offizielle Antwort, mit der erklärt wird, ob und welche Maßnahmen durchgeführt werden.
Beschließt die Kommission, einen Rechtsakt vorzulegen, läuft das reguläre Gesetzgebungsverfahren an: Der Vorschlag der Kommission wird dem Gesetzgeber unterbreitet (zumeist: Europäisches Parlament und Rat). Wird dieser angenommen, so wird er zum Gesetz. Ein solches könnte dann die Wohnkosten senken und gleichzeitig unseren finanziellen Spielraum erhöhen. Obendrein könnten auch die vielen, die Wien wegen unbezahlbarer Mieten verlassen haben, wieder zurückkehren. Und das wäre für alle ein Gewinn.