Elysium der Marchfeldliebevorstadt

Mitten im Marchfeld ist ein Museum vorzufinden, das vielleicht nicht mehr lange ein Geheimtipp bleibt. Unter anderem ist das Anton
Tantner (Text und Fotos) geschuldet, der dieses Trockenrasenmuseum in Lassee besuchte.

Spektakuläre Museumsbauten und internationale Kunsttempel wie das Guggenheim-Museum Bilbao oder der Louvre Abu Dhabi veranlassen die Feuilletons der Zeitungen und die Kultursendungen der Fernsehstationen regelmäßig zu überschwänglichen Lobpreisungen und Ehrerbietungen, und auch in kleinerem Maßstab ziehen neu errichtete Museen die Massen an, bei der letzten Mai erfolgten Eröffnung der Landesgalerie Niederösterreich in Krems etwa waren 11.000 Besucher_innen anwesend.

Ein Park für Sand und Steppe.

Die Fertigstellung des Trockenrasenmuseums in der Marchfeldgemeinde Lassee blieb demgegenüber ohne entsprechende Resonanz, dabei ist das knapp mehr als zehn Radminuten vom Bahnhof Lassee befindliche neu errichtete Gebäude – und erst recht der darum angelegte Park – eine Pflichtdestination für die Liebhaber_innen von Sand und Steppe. Grund genug dafür, dass der AUGUSTIN sich seiner annimmt und die schändliche mediale Omertà durchbricht!
Der bereits 2013 mit EU-Geldern finanzierte Schauraum des Trockenrasenmuseums ist derzeit nur nach Vereinbarung zu besichtigen; der vor zwei Jahren um das Museum errichtete Park ist dafür frei und ohne Anmeldung zugänglich. Wissenshungrige können sich hier über die einzigartige Vegetation dies- und jenseits der March informieren und die Pflanzen auf einer Fläche von 7000 Quadratmetern auch in natura bewundern, wurden doch deren Lebensräume nachgebildet:
So befinden sich im Park Bereiche, in denen die vor allem im nördlichen Weinviertel vorkommenden Lösssteppen gezeigt werden, des Weiteren vorhanden sind Stationen für die Felsrasen der Hainburger Berge und die rund um Lassee befindlichen Sandrasen. Es ist kein leichtes Unterfangen, diese Böden und deren Bepflanzung quasi künstlich nachzuahmen, und es dauert Jahre, bis das gewünschte Ergebnis erzielt werden kann.

Die Poesie der Flora.

Die Namen der Pflanzen, denen es gelingt, auf diesem kargen Untergrund zu überleben, zeugen jedenfalls von poetischer Schönheit: Typisch für den kalkhaltigen Lössboden etwa sind die wehrlose Trespe, der Kriech-Quendel und die Rispen-Flockenblume, während Scharfer Mauerpfeffer, Seidenhaar-Backenklee, Esparsetten-Tragant und Berg-Gamander es sich auf dem Felsrasen gemütlich machen. Auf dem Sandrasen des Marchfelds wiederum gedeihen die Küchenschelle und die Sandschwertlilie, die Gräser hören auf Bezeichnungen wie Kleinwüchsiger Furchen-Schwingel und Steppenkamm-Schmiele; im Herbst werden Rispen-Gipskraut und Sand-Gipskraut zu sonst nur aus Western-Prärien bekannten Steppenrollern, die der Wind kugelförmig über die Ebene weht.
Wer nun wissen möchte, wie es dazu kam, dass das Marchfeld Pflanzstätte für derartige Naturschönheiten werden konnte, erfährt Näheres dank der im Museumsgebäude befindlichen Schautafeln der Ausstellung Mange mögen’s heiß und lernt gleich mal, zweierlei Sandböden voneinander zu unterscheiden: So stammt der von March und Thaya angeschwemmte Sand aus kristallinen Regionen und zeichnet für saure Böden verantwortlich; im Weinviertel ist er von Bernhardsthal bis auf der Höhe von Drösing anzutreffen, auf der slowakischen Seite der March im Naturschutz- und Militärgebiet Záhorie. Die Lössböden und Sandstandorte des Marchfelds wiederum wurden durch die Donau angeschwemmt; sie sind sehr kalkhaltig, das harte Grundwasser setzt nicht zuletzt den Waschmaschinen der Region zu.
Dass in diesem Gebiet nun überhaupt Trockenrasen und manchmal sogar frei liegende Sandflächen entstanden, ist Folge menschlicher Tätigkeit (siehe auch AUGUSTIN Nr. 403), im Mittelalter einsetzende Rodungen und Beweidungen drängten den ursprünglichen Bewuchs zurück.
All dies ist mittlerweile gut erforscht, wie auch die verschiedenen Strategien der Pflanzen, der Trockenheit und der Sonne zu trotzen. So war schon vor bald zwanzig Jahren unter der Ägide des Landschaftsökologen Heinz Wiesbauer eine im Schloss Niederweiden gezeigte Sonderausstellung mit dem schönen Titel Vom Winde verweht: Sanddünen und Löss zu sehen, mit dem Trockenrasenmuseum haben die Ergebnisse dieser langjährigen Forschungstätigkeit nun ein hoffentlich dauerhaftes Refugium gefunden.

Von Bernhardsthal bis zur Sahara.

Die Schautafeln des Museums können dabei auch als Ausgangspunkt und Inspirationsquelle für weitere Exkursionen in das Gebiet um March und Donau dienen: Ganz im Norden, bei Bernhardsthal etwa liegen zur tschechischen Grenze hin die Erlwiesen, in der Slowakei wiederum befindet sich bei Malacky das Sandgebiet Široká, während bei Plavecký Mikuláš in der Záhorie alljährlich ein sinnigerweise «Sahara» benanntes Militärspektakel steigt. Auch Lassee selbst hat mit einschlägigen Naturschutzgebieten aufzuwarten, worunter vor allem die «Erdpresshöhe» zu nennen ist, in der die bunt gefiederten langschnäbeligen Bienenfresser ihre Bruthöhlen anlegen.
Und wer weiß, vielleicht werden das Trockenrasenmuseum und sein Park in den nächsten Jahren aus ihren Dornröschenschlaf wachgeküsst, bereits diesen Herbst etwa, wenn die Naturwege Lassee eröffnet werden oder mit der für 2022 geplanten Landesausstellung in Marchegg, in deren Zentrum die Natur der Region stehen soll.

Heizwerkgasse 1, 2291 Lassee
Voranmeldung bei der Gemeinde unter (0 22 13) 2311-0 oder gemeinde@lassee.gv.at