Gefängnis für Kinder?Allgemein

Illustration: Thomas Kriebaum

Eing'Schenkt (24. April 2024)

Das Strafrecht ist kein geeignetes Instrument, um auf ­Delikte zu reagieren, die unter 14-Jährige begangen haben. Das Strafverfahren ist ein formales Verfahren, in dem es um den Nachweis der Schuld geht. Eine intensive Auseinandersetzung mit den Hintergründen der Tat und der ­Lebenssituation von Kindern kann im Strafverfahren nicht geleistet werden. Genau das braucht es aber. Gefängnisse sind der denkbar schlechteste Ort für Kinder. Da wird alles noch schlimmer, und nicht besser. Das ist das eine.
Das andere sind die Zahlen. Die hauseigene Polizeistatistik der Anzeigen gegen unmündige Kinder und Jugendliche behauptet einen Anstieg seit 2012. Gleichzeitig zeigt sich im Jahr 2023, dass der Anteil der Kinder und Jugendlichen an den ermittelten Tatverdächtigen von 14,7 auf 13,4 Prozent sinkt. Nun ist es wichtig zu wissen: Ob die angezeigten Unmündigen die entsprechenden Taten tatsächlich begangen haben, wird nicht überprüft. Insgesamt lassen diese Zahlen nicht auf einen tatsächlichen Anstieg von schweren Straftaten bei Unmündigen schließen. Die Verurteilungszahlen bei Jugendlichen sind seit 1975 bei stetig steigender Anzeigenzahl immer weiter zurückgegangen. Hätte es bei dieser Altersgruppe in den letzten Jahrzehnten irgendwann ­einen nachhaltigen Anstieg bei schwerwiegenden Taten gegeben, wären auch entsprechende Verurteilungen die Folge gewesen. Es ist nicht belegt, dass die Entwicklung bei den Unmündigen, bei denen es nur Anzeigen- und keine Verurteilungsstatistik gibt, eine andere wäre.
Die Anzeigenzahlen steigen insgesamt, nicht nur bei Unmündigen. Sie sind in Relation zu setzen zu den steigenden Bevölkerungszahlen. Allein in Wien ist die Bevölkerungsgruppe der 10- bis 13-Jährigen von 62.854 im Jahr 2013 auf 74.303 im Jahr 2023 gestiegen, rechnet das Netzwerk Kriminalpolitik vor. Weiters steigen sie aufgrund erhöhter Anzeigebereitschaft im Allgemeinen, aufgrund von Sensibilisierung in Kindergärten, Schulen und Wohneinrichtungen sowie wegen wertvollerem Besitz bei Kindern (insbesondere Mobiltelefone) und den bestehenden Versicherungen (Anzeige für Schadensmeldung notwendig). Um hier auf unabhängige Forschung und Daten zugreifen zu können, sollten diese Erhebungen zukünftig nicht vom Innenministerium, sondern von der Statistik Austria oder freien Instituten vorgenommen werden.
Gefängnis bringt nichts. Haft als Reaktion muss für Kinder ausgeschlossen bleiben. Alle anderen ­Reaktionen hingegen erfordern gar nicht die Strafmündigkeit und könnten auch im Bereich von Jugendhilfe und Zivilrecht geregelt werden. Es existiert kein belastbarer Nachweis, dass Strafandrohungen eine generalpräventive Wirkung entfalten. Dementsprechend weisen kriminologische Studien nach, dass ein Absenken der Strafmündigkeit nicht zu einer Abnahme von Delikten junger Menschen führt.
Was es hingegen braucht, ist ein bundesweit einheitlicher Kata­log an wirksamen Maßnahmen im Bereich des Jugendhilfe- und ­Zivilrechts für die Altersgruppe der 10- bis 13-Jährigen, ­insbesondere bei den 12- und 13-Jährigen. Jetzt schon kann das Gericht eine Art «Aufsichtsperson» benennen, die in schwerwiegenden Fällen einem Kind zur Seite gestellt wird.
Weitere Stichworte sind hier Schulsozialarbeit, altersgerechte Täter:in-Opfer-Ausgleichsmodelle, Antigewalttrainings, Sozialnetzkonferenzen, betreute Wohnformen und sozialpsychiatrische Begleitung. Man kann viel machen, was erfolgreicher ist als Gefängnis. Und wirksamer: mehr Sicherheit durch weniger Haft.