HGM neu? Unkritischer und affirmativer Umgang mit der militärischen Vergangenheit Österreichs, Rechtsextreme Huldigungen – so die Kritik am Heeresgeschichtlichen Museum. Auf der Tagung und Ausstellung #HGMneudenken gab es Anregungen.
Text: Kerstin Kellermann, Foto: Lisbeth Kovačič
Das Heeresgeschichtliche Museum (HGM) in Wien war in letzter Zeit öfters in den Schlagzeilen. «Braune Flecken», Kriegsverherrlichung (etwa rechtsextreme Bücher und Wehrmachtspanzerspielzeug), Misswirtschaft – die Vorwürfe haben es in sich. Und wurden so laut, dass das Verteidigungsministerium diese durch Kommissionen prüfen lässt.
Mit #HGMneudenken, einem eintägigen Tagungs- und Ausstellungsformat, widmeten sich die Autorin und Literaturwissenschaftlerin Elena Messner und der Bildende Künstler und Filmemacher Nils Olger dem Problem. Die beiden beschäftigen sich schon lange mit dem HGM, nun luden sie Wissenschaftler_innen und Kunstschaffende zur ersten breiten Diskussion zur Frage, wie ein zeitgenössisches, kritisches Museum heute aussehen könnte.
Keine Opfer im Museum.
«Man sieht im HGM allein die militärischen Akteure, nicht diejenigen, die den Krieg erleiden», lautete eine Kritik, die auf der Tagung formuliert wurde. «Man muss das Museum komplett neu denken. Der Ort kann nicht so belassen werden. Sich im Depot zu ergehen, ist kein Ausstellungskonzept dafür, was Krieg für eine Gesellschaft bedeutet», befand der Universitätsprofessor für Zeitgeschichte Dirk Rupnow.
Von hier oben sieht der hellrote HGM-Bau des Architekten Theophil von Hansen riesig aus. Die gut besuchte Veranstaltung findet nämlich in einer ehemaligen Offizierswohnung im Arsenal, genau gegenüber dem HGM statt. Ein Ort zwischen Nähe und Distanz. «Es wird keinen Konsens geben, zwischen denen, die hier ein gewisses Geschichtsbild installieren wollen und anderen, die dieses kritisieren», warnte Felicitas Heimann-Jelinek, bis 2011 leitende Kuratorin im Jüdischen Museum Wien. Sie ist gegen Kompromisse. Denn das HGM hätte immer ganz anders gekonnt, wenn es nur wollte. Zum Beispiel besitzt es ein riesiges Kunst-Depot, etwa Schiele-Zeichnungen aus seiner Zeit im Kriegspresse-Hauptquartier. Es will aber nicht.
«Krieg wird nicht als gesellschaftliche Sache gesehen, es gibt keine Akteure in diesem Museum», fasst Walter Manoschek zusammen, der die Ausstellung Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht 1941-1944 mitgestaltete. Die heutige Forschung wäre «null eingeflossen». Erwähnt wird das Militärhistorische Museum in Dresden, bei dem der Architekt Libeskind den «Bruch nach außen weithin sichtbar» darstelle. Mit einem Gebäudeflügel, der wie ein gefallenes Segel ausschaut und gleichzeitig von oben ein gefallenes Dreieck darstellt – angelehnt an die dreieckigen Winkel, die Kennzeichnung der Nazi-Häftlinge?
Nachfahren unterwegs.
Ein zerbrochener Spiegel hängt an der Wand, in weißem Rahmen. Dabei steht: «Meine Großeltern waren Partisanen, was haben deine Großeltern getan?» Ein Kunstwerk von Ljubomir Bratić und Richard Ferkl. Organisatorin Elena Messner ist selbst Enkelin einer mazedonischen Partisanin. Ihre andere Oma wurde als Slowenin zwangsausgesiedelt. Sie würde die in der Arsenal-Wohnung ausgestellten Kunstwerke gleich dem HGM spenden, inklusive der Bildschirme für die Videos, wie sie sagt. Gewisse Menschen werden im HGM ausgelassen, und das hat System. Aus Kärnten stammt auch der ehemalige Direktor des HGM, der auf der Tagung das Wort ergreift. Wer aber seine wissenschaftlichen Publikationen über die Jahrzehnte kennt, kann ihn nicht so harmlos und fortschrittlich sehen, wie er sich hier gibt.
Es wird diskutiert, dass der Militärlogik zufolge nur Offiziere Widerstand leisten durften, «dem einfachen Soldaten im Schützengraben wurde dieses Recht abgesprochen». Im HGM aber «sei es nicht einfach, selbst über Offiziers-Widerstand zu reden», führte Mathias Lichtenwanger aus, der ein Buch zum Netzwerk der NS-Militärjustiz veröffentlichte. Dem «kleinen Mann» wurde allein «Selbstverstümmelung» zugestanden.
Kommentar und Überbrückung.
An vielen Orten in Wien wäre eine Kommentierung von Nazi-Geschichte wünschenswert, wie zum Beispiel im Neuen Institutsgebäude der Universität Wien, an dessen Stelle sich eine Wehrmachts-Kommandatur befand. Oder im Künstlerhaus Wien, in dem die Nazi-Wanderausstellung über Entartete Kunst und Entartete Musik gezeigt wurde – und das nun die Albertina mit Popkunst und Tourist_innen füllen möchte. Die Hohenstaufengasse 3, in der reihenweise Todesurteile gefällt wurden, hat bis heute keine Kennzeichnung. In dem Haus sitzt das Bundeskanzleramt. Immerhin: Die Rossauer Kaserne wurde kürzlich in Bernardis-Schmid-Kaserne, also nach zwei Widerstandskämpfern, umbenannt.
Eine Möglichkeit zur Überbrückung zwischen der Belassung und einer kompletten Neuaufstellung des HGM wäre es, zumindest ein_e fortschrittliche_n Kurator_in für zeitgenössische Kunst anzustellen, um kritische Performances und Interventionen zu ermöglichen – ähnlich wie es Michael Endlicher 2014 in seiner 100-Protagonist_innen-Schau Celle: war was im HGM tat. Das Museum war für einen Abend völlig verwandelt.