Gnadenlos gutArtistin

Musikarbeiter unterwegs ... mit dem Waglhund und Superhelden

Mit «foin» haben woschdog – Ende 2021 veröffentlicht – ein Album des Jahres 2022 gemacht.

TEXT: RAINER KRISPEL
FOTO: MARIO LANG

Gerade noch singt Elvis einem Menschen zum Abschied. Er tut das öfter. Das Mindeste, bei so einer Gelegenheit den King aufzubieten. Am Weg vom ­Friedhof ­rekapituliere ich den Abend und die Nacht zuvor. Einer von den guten Abenden, eine von den guten Nächten. ­Lebendig, voll, knapp nicht ausufernd. Eigentlich wollten die ­Musikarbeiter woschdog (Eigenschreibweise) bei ­ihrem Konzert in der Sargfabrik ­abbilden, fotografisch und reportagetechnisch. Die Rückkehr der extended Konzertkritik als «Fuck you!» an die Diktatur der Ankündigung. Dem machte die Absage wegen ­krankheitsbedingter ramponierter Stimme von Ingrid Lang einen Strich durch die Rechnung. Stattdessen soziales Band-Get-together mit Medienbegleitung (!), in der Kantine in der Porzellangasse, womit wir auch ­einen aufrichtigen Lokaltipp unterbringen. Schon wird der neue Sargfabrik-Termin über den Tisch kommuniziert: der 23. Mai 2023, noch nicht bestätigt.

«De bleede Sun».

An besagtem Tisch sitzen, wenn sie nicht gerade vor der Tür rauchen sind, neben Ingrid und uns ­Sebastian Seidl (Keyboards/Electronics), Karl Stirner (Zither), Johannes Wakolbinger (Schlagzeug) und Lukas Lauermann (Cello). Lukas, der unlängst sein jüngstes Album Interploitation (col legno) veröffentlichte, ist, nachdem er live den Sound von woschdog immer wieder vollständiger und noch gültiger machte, seit August 2022 ­fixes Bandmitglied. woschdog begannen dabei 2017 in der Konstellation Lang – Seidl – Stirner, die sich in Johannes den ­genau richtigen und unverzichtbaren ­Drummer (programmierte Beats hätten es nicht ­getan) für ihre Musik fanden. Eine Musik, die so einzigartig nicht nur in Wien ist. Sie selbst sprechen dabei von den ­Texten als «gnadenloser Poesie im Wiener ­Dialekt». Mario, der uns im Verlauf des Abends zu ebener Erde und im ersten Stock ablichten wird, schloss ­seine ­Rezension von foin in ebendieser Zeitung (Nr. 545) mit den Worten: «Selten war niedriger Puls so aufregend.» Für den Ballermann-Rave von drogengestützten Party-Enthirnten ist foin definitiv nicht geeignet, in einem dann bei aller Dichte doch herrlich brüchigen (hier gehen wenig und mehr zusammen) Sound wird Downtempo mit einem gegenwärtigen Meta-Wiener:innenlied (acht der neun Liedtexte sind von ­Ingrid Lang, ein Text ist von Karl Stirner), das sich nicht länger anlügt und etwas vormacht, subversiv kurzgeschlossen. Wenn wir, und dafür spricht ja einiges, in einer echten Scheißzeit leben, sind woschdog die Band, die uns in ihrer Kunst nicht durchs eskapistische Daran-Vorbeischauen ­damit versöhnen will – hier kommt die vielleicht schwierige Schönheit vom Hinschauen und einer Musik, die dem Raum lässt.

«Gean no a Bier».

Und schön ist ­diese Musik zweifellos. Sei es, wenn in «huach» die Frage schlechthin ­gestellt wird – «12341234 – schlogt do no a heaz?» – oder wenn das Titellied mit diesen unglaublichen Zeilen endet: «heit nah i ma a klaad / ka plan ka obsicht kane zoin / aus deiner nossen haut / a klaad zum taunzen filang und foin». Meisterlich produziert von ­Sebastian Seidl war das Album im Oktober 2021 fertig und wurde noch knapp vor Jahresende in ­Eigenregie veröffentlicht. Ganz ohne Marketing/Medienarbeit-Vorlauf oder gar Vertriebs-Akquise oder mühsam vorgebuchter Tournee. It’s about the music, stupid! Weil die Beteiligten neben woschdog einiges zu tun haben, sind Konzerte derzeit noch rar, aber umso besonderer. Lang, die einst im Verband mit Ernst Molden und dem ­heuer so schmerzlich von uns gegangenen Willi Resetarits Musik machte (Weida Foan, 2011, monkey), leitet mittlerweile das Theater Nestroyhof Hamakom, wo ­Sebastian für den Ton zuständig ist. So reden wir eigentlich mehr über A brenhassa Summa, einen «Theaterabend mit Musik» zu Texten von Viktor Noworski, der in der Regie von Ingrid Lang und mit Live-Zither von Karl Stirner im ­Dezember Premiere hat, als über woschdog. Die mit foin eines meiner drei Alben des Jahres 2022 gemacht haben, neben Soulsides A Brief Moment In The Sun (Dischord Records) und ?0?? von den Fehlfarben (Tapete ­Records) – beide ebenso mit in Wien wirkenden Protagonisten entstanden. Dies im ­Sinne einer wirklich begeisternden Musik, die über, zu und aus dieser Zeit sprechen und die dies weiter tut. «schau ma dass ma funktionieren / hauptsoch mia san griffbereit / hauptsoch mia san fesch» («Scht!»).

woschdog: Same (Eigenverlag)
Live: 23. Mai 2023, Sargfabrik (tbc)
www.woschdog.com