Nik Hummer produziert Musik in seinem Studio minusgroundzero. Er macht sich aber auch Gedanken zu Architektur, Film, (Kultur-)Politik und zur Solidarität unter Kunstschaffenden.
INTERVIEW: ANDREAS FELLINGER
FOTOS: JANA MADZIGON
Nik, du bist zurzeit nicht mehr als Musiker aktiv, sondern vorwiegend als Produzent. In deinem Studio arbeitest du etwa mit Daniel Rieglers Studio Dan und mit Elektro Guzzi, fallweise auch mit beiden gemeinsam, und mit Lukas König. Welche Beweggründe haben dich zu dieser Initiative bewogen?
Das hat sich langsam entwickelt. Ich habe alle meinen bisherigen Musikprojekte selber aufgenommen und gemischt. Beim Projekt Metalycée kamen zu meinem Synthesizer noch Bass, Schlagzeug und Stimme dazu. Da mich das Aufnehmen in einer Proberaumsituation genervt hat, hab ich angefangen, meinen Proberaum in ein Studio umzubauen. Als sich dann Metalycée aufgelöst hat, stand ich mit einem passablen Tonstudio da und dachte mir, dass es nur fair wäre, es zu teilen. Irgendwann habe ich angefangen, Bands, die bei mir gearbeitet haben, aufzunehmen und abzumischen. Außerdem ging mir meine eigene Musik ein paar Jahre lang ganz schön auf den Wecker. So hat sich langsam ein spezieller Ort entwickelt: halb Tonstudio, halb Proberaum.
Da ich mein Einkommen nicht nur über die Musik erwirtschafte, kann ich Projekte ermöglichen, die Zeit brauchen. Ungewöhnliche Instrumentierungen, neue Stile: Das mag ich. Das ist zwar nicht immer leicht, aber für beide Seiten produktiv und lehrreich. In der Zwischenzeit hat sich ein reger Betrieb entwickelt, zwar hauptsächlich Stammgäste, aber es macht Freude, zu sehen, wie sie sich entwickeln. Ich denke, dass es in Zukunft viele solche Orte geben wird bzw. geben muss. Dienstleistung, nicht nur als Geschäft gedacht, sondern als immaterielle Infrastruktur … und das nicht nur im Kulturbereich.
Leider sehen das Fördergeber, ob im Kulturbereich oder in der Kreativwirtschaft, bisher nicht. Manchmal wundere ich mich schon, wenn ich neue Fördercalls lese. Die haben oft keine Ahnung davon, was es wirklich braucht und welche neuen Produktionsformen gerade entstehen. Meist zwei Schritte hinten, und wenn sie mal was unternehmen, wie zum Beispiel jetzt diese kurzhaltigen Digitalisierungsförderungen, dann sind es meist die lauten und nervigen Netzwerker – ich hasse das Wort und die Personalie! –, welchen sie zuhören. Und eines hab ich in meinen bald 30 Jahren in diesem Geschäft gelernt: Sternschnuppen gibt es jede Nacht!
Zwischen deinen großartigen Musikarbeiten hast du auch in den Disziplinen Architektur und Film gearbeitet. Magst du uns etwas über die Motive darüber erzählen?
Ich wollte eigentlich immer Filme machen oder Architekt werden. Ich sehe meine künstlerische Arbeit ganzheitlich. Ein Musikstück braucht eine entsprechende Architektur, dessen Form und Klang immer eine historisch beeinflusste Behauptung ist. Ich denke bei allen meinen Audioprojekten, die letzten waren fast alle Klanginstallationen (meist mit Michael Moser), immer an Verräumlichung und Klang als Objekt. Deshalb habe ich auch ein paar Jahre Raumklangarbeiten für Tanzperformances gemacht. Außerdem ist mir meine DIY-Haltung sehr wichtig. Man kann die Orte auch selber bauen und die Filme auch selber drehen, die einem fehlen. Ich wollte immer mit Menschen arbeiten, die eine ähnliche Haltung haben: keine Angst, Risiko zu nehmen, auf das gerade Angesagte zu scheißen und dem Stillstand des meritokratischen Systems (in der Kultur ganz schlimm!) großräumig auszuweichen. Wenn sich viele Leute am selben Platz tummeln, schau‘ ich meist, dass ich die Beine in die Hand nehme. So geht’s mir oft in der Kunstszene, und deshalb mach ich seit 20 Jahren auch Innenarchitekturprojekte. Das ist zwar auch kreative Arbeit, aber das Umfeld ist ganz anders, und das tut gut. Mir kommt vor, dass Vorurteile gegenüber Künstler_innen manchmal nicht ganz unbegründet sind. Mittlerweile haben wir eine Schule und die ersten zwei Coworking Spaces Wiens gebaut, ein paar sehr erfolgreiche Animationsfilme gedreht, und im Moment planen wir einen kleinen Park.
Du bist auch als politischer Kopf bekannt. Was kannst du etwa in der Initiative mitderstadtreden und auch in anderen Zusammenhängen bewegen?
Ich wünsche mir einfach mehr Solidarität unter Kolleg_innen und gemeinsamen Widerstand gegen die totale Kommerzialisierung, auch der freien und per Selbstdefinition unabhängigen (Indie-)Musikszene. Ich bin dort zwar nicht mehr persönlich dabei, unterstütze die Sache ideell natürlich weiter. Interessant war für mich, wie einfach es sich manche Kolleg_innen machen. Vor allem Leute aus dem Pop-Umfeld hätten uns in der Sache stärken können, zogen es aber offenbar vor, die Stadt nicht zu kritisieren. Das war schon sehr strange.
Haltung als Mode? Das ist neu.
Ich denke, dass die Linke in dieser Hinsicht gerade total scheitert. Deshalb ist für mich zeitgenössische Kunst auch komplett erledigt. Weißer oberer Mittelstand betrachtet weißen oberen Mittelstand … Wait!, mittlerweile gilt: Bunter oberer Mittelstand betrachtet bunten oberen Mittelstand. Ich bin mit Punk, Jazz und der Fanzinekultur sozialisiert worden und beziehe nach wie vor Kraft daraus. DIY und Widerstand als Primärhaltung für ästhetische Formen, das gibt’s in der von weißen, christlich sozialisierten dominierten Linken im Moment nur in Spurenelementen. Abwehrhaltung gegenüber Ungerechtigkeiten und das Vermeiden von Vorteilnahmen sollten für Linke doch eigentlich selbstverständlich sein. Was beim Kinderkanzler schlecht, ist manchen unbewusst ganz recht. ORF-Journalisten, die ihre eigenen (öffentlich finanzierten!!) Festivals leiten, ist eine Sache, die eigenen Veranstaltungen ankündigen und besprechen, das ist aus meiner Sicht eine fatale Unvereinbarkeit. Es hat sich eine desatröse «The winner takes it all»-Haltung in einem Sektor breitgemacht, der vor allem junge und anders denkende Menschen (heute: Konsumenten) ansprechen und bilden sollte. Das darf, ethisch betrachtet, einfach nicht passieren. Ganz zu schweigen von der Macht, die manche Leute dadurch erlangen und oft genug auch grausam ausspielen. Von meiner Seite: Fuck off!
Für viele deiner Kolleg_innen aus der Musikbranche, insbesondere der avancierten, schaut’s zurzeit nicht rosig aus. Welche Strategien hast du für dich entwickelt, um nicht auf der Stelle zu treten? Und wie stellst du dir eine Zukunft vor, mit der du gut leben kannst?
Nicht in Form von Streamings und schon gar nicht in Form von Livestreamings. Ich sehe das sehr problematisch. Einzig die minimale Reströte (in Form einer roten Kulturstaatssekretärin!) der Grünen hat die Kunstszene vor der tumben Pranke der nationalkatholischen Führerpartei gerettet. Und die Wiener SPÖ. Aber abwarten: Sie werden es wieder versuchen, dieses Mal grad so: «Geh, diese Onlinegeschichte, das ist doch super! Macht’s was draus! Schaut’s, eine Förderschiene für Digitalisierung hätt’ ma für euch! Wollt’s ned was digitalisieren? Zukunft ist digital! Ein Onlinefilmfestival, das wär doch was …» Ich glaube, dass uneitles, vorausschauendes und nachhaltiges Handeln und das Vermitteln ebendessen an die nächste Generation unverzichtbar ist. Das geht auch analog. Hand in Hand!