Hartgeld auf Knopfdrucktun & lassen

Ohne Schmach und Pein und in der Gegend Herum-Knien

Einen Bettler-Automaten, nach einem Modell der Stadt Wien von 1927 gebaut, stellte der Künstler Johannes Heuer im Bezirksmuseum Floridsdorf aus zwischen Schusterkugeln, zivilen Perkussionspistolen und mit Hakenkreuzen bestickten Taschentüchern.
Schiffsmodelle in Schaukästen, davor steht das metallene Absperrgitter des Express-Dampfschiffes Helios, erbaut 1922, auf dem Boden. Um die Ecke die Bücherstube der Maria Adamec-Schlinger als eigener Raum orginalgetreu eingerichtet. «Sie half mit, das Bildungsniveau der Arbeiterschaft zu heben», steht an der Wand. «Die Bücherstube stammt aus Ersparnissen der Adamec-Schlinger, die sie sorgfältig jahrelang zusammen gelegt hat.» Im Bezirksmuseum Floridsdorf finden sich, liebevoll pädagogisch zusammen gestellt, die seltsamsten Dinge: Eine Pulverflasche aus Kuhhorn und ein Messingportionierer um 1900, eine zivile Perkussionspistole mit linkem Schloß, um 1850, oder eine mystisch leuchtende Schusterkugel! Gesteine vom Bisamberg, Gneis, Tonmergel, Sarmat Meer, Schnecken die Venus vom Bisamberg stammt aus der Urnenfelderkultur des Mittelneolithikum.

Der zeitgenössische Künstler Johannes Heuer steht vor seinem Bettlerautomaten neben der Stiege und erklärt seine Kunst. Nach einem Foto aus dem vergriffenen Buch von Lothar Rübelt «Österreich zwischen den Kriegen» konstruierte Heuer ein stahlblechernes Modell, aus dem man sich echte Münzen heraus drücken kann.

Im Jahre 1927 hatte die Stadtregierung unteer Karl Seitz im roten Wien tatsächlich mehrere Bettlerautomaten aufgestellt. «Ich möchte nicht die Zeit der Juli-Revolte mit achtzig Erschossenen und mit dem Brand des Justizpalastes schön reden», sagt Johannes Heuer. «Aber die Stadt Wien war damals schon so weit, dass sie die Schmach zu betteln reduzierte, die Erniedrigung ausschalten wollte. Der Automat wird sich aber nicht durchgesetzt haben, sonst würde man in den Unterlagen mehr finden.»

Fünf Wiener Bezirksämter beteiligten sich an dem Projekt, aktuelle Kunst neben ihren gesammelten Erinnerungsstücken zu zeigen. «Können wir das Graffelwerk jetzt endlich weg räumen?!», sagt ein Herr im blauen Arbeitsmantel und öffnet den Glasdeckel einer Vitrine, in der mit kleinen roten Hakenkreuzen bestickte Taschentücher und andere Wäschereistücke der Künstlerin Frenzi Rigling ausgestellt sind: «Das gefällt mir nämlich gar nicht». In der Nähe der «Siebenbürger Sachsen in Floridsdorf»-Ecke zeigt Johanna Kandl ein Video. Als ihre Familie ihr Grundstück in der Brünnerstr. 165 verkaufte, legte sich die Künstlerin in einer Performance nackig in den dortigen Sumpf. Geschnitten sind die Bilder mit einem Kurzfilm, in dem sie als Mädchen am Springbrunnen im Badeanzug und mit Zöpfen steht.

Bitte nachbauen

Johannes Heuer will, dass sein Prototyp des Bettlerautomaten nachgebaut wird, und stellte deswegen die Konstruktionspläne auf seine Homepage. Ein Automat kostet in der Produktion 300 bis 400 Euro, gefüllt muss er dann noch werden. Die Automatenfabrik Kralik, die u.a. alte Automaten rekonstruiert, beriet den Künstler. Heuer ließ das Metallgehäuse aus Stahlblech von einer Metallbaufirma machen, der simple Schubmechanismus braucht den ganzen Platz. Auf die Orginal-Klappe zum Rausziehen der Münzen verzichtete er.

Auf der Vernissage räumte ein vorwitziger Besucher gleich den ganzen Automaten aus. Damals sollen Bettler einen Bettlerethos gehabt und sich aus dem Automaten nur so viel heraus gedrückt haben, was sie für einen Tag zum Leben brauchten. Behauptet zumindest die Bildlegende im Buch. «Wollte man die Bettler mit Automaten in die Außenbezirke locken? Sollte eine Belästigung der Bürger vermieden werden, indem das Bettlerwesen automatisiert wird?», spekuliert Heuer. «Heute verfügt die Stadt Wien über keine innovativen Konzepte, die fördern oder umleiten es gibt nur die Abschirmung, die Vertreibung der Bettler durch die Polizei.» Ursprünglich wollte er seine Automaten in ganz Wien aufstellen und auch einen Einwurfschlitz konstruieren, damit jeder mit zu viel Kleingeld Münzen einschmeißen kann.

Vor der Türe des Bezirksmuseums Floridsdorf steht ein großes Mahnmal «Niemals vergessen» mit original Eisenbohlen, denn auch in Floridsdorf befanden sich Außenlager des KZ Mauthausen. «Wir hatten in Floridsdorf durch die vielen Fabriken die erste Eisenbahn, das erste Flugzeug», schwärmt Viktor Trittner, der für das Museum historische Zeichnungen und Schulführungen macht. Der stille Herr Direktor Professor Uhlmann, der von seinen acht Ehrenamtlichen fröhlich bequatscht wird, lächelt freundlich.

Fund im Betonwerk

Den Bettlerautomaten fand ich zufällig. Auf der Ausstellung «Beton x 9 Werkumspannend» rund um das Betonwerk in Wopfing fragte ich einen Unbekannten, ob er mir die «Futterkrippe» von Max Seibald fotografieren könne. «Für den Augustin?», sagte Johannes Heuer, «ich habe gerade einen Bettlerautomaten konstruiert».

Max Seibald stellte im Betonwerk als ironische Kritik am Kapitalismus eine goldene Scheibtruhe mit Betonbarren aus. Und unter dem Förderband der Betonfabrik, auf dem ständig riesige Steine transportiert werden, die Metallgitter-Skulptur «Futterkrippe», in der ein Betonlaib oder Betonleib liegt, der wie zerfließender Marmor ausschaut und durch die Gitter dringt. «Im Winter liegt für das Wild im Wald Heu in der Futterkrippe», erklärt der Kärntner Seibald. «Für verarmte Menschen gibt’s wenig Vergleichbares. Irgendwie passend für ein Betonwerk, das Leiharbeiter nach drei Monaten wegen Husten und Hautausschlägen kündigt.

Später, im Bezirksmuseum, drängt sich der Vergleich auf: der Bettlerautomat, das wäre doch so etwas wie die Futterkrippe in den Zeiten der sozialen Kälte.