Oskar Aichingers Flanierfortsetzung führt zu den Rändern von Wien
Oskar «Ossi» Aichinger ist eine herausragende Musikerpersönlichkeit dieses Landes, und zwar mit der Betonung auf Musiker und auf Persönlichkeit. Zwischen Klassik, Jazz, improvisierter Musik und Wienerlied ist ihm kein Genre fremd, nur Scheuklappen lehnt er kategorisch ab. Der im oberösterreichischen Attnang-Puchheim aufgewachsene, seit vielen Jahren in Wien lebende Klavierspieler ist zudem ein passionierter Fußgänger, um nicht zu sagen: Flaneur. Seine Stadterkundungen per pedes haben ihn zum Schreiben darüber veranlasst und sind inzwischen in zwei Büchern, beide im Picus Verlag, dokumentiert. Nach seinem Debüt Ich bleib in der Stadt und verreise. Vom Gehen und Verweilen in Wien erschien nun die Fortsetzung Fast hätt ich die Stadt verlassen. Erkundete er für den ersten Band Wien von daheim in Margareten aus und landete dabei nicht selten im Weinhaus Sittl, so nahm er für Band zwei zur Anreise an gewünschte Ziele öffentliche Verkehrsmittel in Anspruch. Dementsprechend lautet dessen Untertitel Vom Gehen und Verweilen an den Rändern von Wien.
Oskar Aichingers Fußmärsche führen ihn hier unter anderem zum Leopolds-, zum Kahlen- und zum Roten Berg, nach Döbling, Hietzing und in die Donaustadt, an die Alte Donau, in die Brigittenau und in die Seestadt. Es wimmelt in Oskar Aichingers Beobachtungen von Assoziationen, von historischen und politischen Bezügen.
Nebenbei outet sich der Autor als veritabler Vogelkundler – und das Anagramm von Wien und Wein kann kein Zufall sein, findet er. Die kultivierte, oft amüsante Sprache, in der Oskar Aichinger erhellende und aufklärende Worte findet, machen seine beiden Wien-Bücher zum reinen Vergnügen. Jetzt sei aber einmal Schluss mit dem Schreiben, sagte er mir kürzlich, jetzt stehe wieder die Musik in seinem Lebensmittelpunkt – und das Gehen sowieso.
Oskar Aichinger: Fast hätt ich die Stadt verlassen. Vom Gehen und Verweilen an den Rändern von Wien
Picus Verlag 2020, 192 Seiten, 20 Euro
