Hoffnung in den Karenni-Campstun & lassen

Solidarische Abenteurer (3): Flüchtlingsarbeit in einem kriegsmüden Land

Gabriele Schaumberger ist eine der «solidarischen Abenteuer_innen», die Hans Bogenreiter in seiner Reihe über österreichische Aktivist_innen vorstellt, die sich sowohl abseits der großen Entwicklungshilfemaschinerie als auch abseits der großen medialen Aufmerksamkeit engagieren. Schaumberger gründete die «Burmahilfe». Erst kürzlich ist sie aus dem Grenzgebiet zwischen Burma und Thailand zurück nach Wien gekommen.

Foto: Privat

Bis zu zwei Millionen Binnenflüchtlinge, so wird geschätzt, leben in Burma. Schlagzeilen rufen sie bei Österreichs Blättern keine hervor, nicht einmal Zeilen. Erst als Mitte Mai dieses Jahres 8000 Flüchtlinge aus Burma in einfachen Booten an den Küsten Indonesiens, Thailands und Malaysias abgewiesen wurden, fand die Flüchtlingstragödie Burmas Platz in den Medien. Die meisten waren muslimische Rohingya, denen im vorwiegend buddhistischen Burma als «Staatenlose» fundamentale Rechte verweigert werden.

135 Ethnien gibt es in Burma. Die Karennis zum Beispiel. 20.000 von ihnen leben in den Flüchtlingslagern an der Grenze zu Thailand. Burmas Militär hatte ihre Dörfer niedergebrannt. Ihr Lagerleben wurde im Lauf der Zeit erträglicher, ein Schulsystem wurde eingeführt, Kliniken und Kindergärten errichtet. Bei Hochzeiten wird gefeiert, Begräbnis-Zeremonien werden traditionell abgehalten. Die Karennis stellen selbst das Personal für die gesamte Infrastruktur. Durch ein Umsiedlungsprogramm und durch Abwanderung (Gutausgebildete fanden Asyl in Europa und Amerika) ist aber fast die komplette intellektuelle Elite verschwunden. Nicht nur das Schulwesen droht zu kollabieren. Bis 2018 sollen sämtliche Lager an der Grenze aufgelöst werden. Angesichts der massiven Landenteignungen durch die burmesische Regierung sowie aufgrund der nach wie vor großflächig verminten Gebiete ist die Organisation der Heimkehr der Karennis ein fragwürdiges Unterfangen.

Kliniken ohne Ordinationszeiten

Die «Burmahilfe» finanziert, neben anderen karitativen Vereinen in Österreich, zehn fixe Klinikstandorte. Der «Karenni State» an der thailändischen Grenze ist seit 2013 für Besucher_innen wieder geöffnet. Gabriele Schaumberger erzählt über ihren jüngsten Besuch in einer provisorischen Dschungel-Klinik: «Nach einer zehnstündigen Fahrt über Pisten, denen unser etwas strapaziertes Fahrzeug kaum standhielt, erreichten wir (mein Lebensgefährte und ich) ein offenes Bambushaus, das als Klinik eingerichtet ist. Es war bereits dunkel, trotzdem herrschte reger Betrieb – Ärzt_innen, Patient_innen sowie Freunde freuten sich über den unerwarteten Besuch. Wir waren die ersten «Fremden» hier seit 1990. Wie in den anderen Kliniken ist eine Frau die Verantwortliche. Ordinationszeiten gibt es nicht – versorgt wird bei Bedarf.»

Die Katholische Kirche engagiere sich hier sehr für eine Teilnahme der ethnischen Minderheiten am Bildungsprozess, indem sie Schülerheime führe und Nachhilfe in Burmesisch gebe, so Schaumberger. So sei es für die seit 3000 Jahren in diesen Gebieten lebenden Ethnien möglich, ein Maß an Bildung zu erhalten, das ihnen eine Mitsprache bei der politischen Gestaltung ihres Landes ermöglicht. «Wir übernachteten in einer Missionsstation. Vater Francis, ein Indigener vom Volk der Kayan, ist unser Reiseführer durch die vielen Gemeinden. Besucht werden vor allem Bildungseinrichtungen, die vom Personal – ausschließlich ansässige Bevölkerung – mit viel Mut und persönlicher Aufopferung seit Jahrzehnten am Leben erhalten werden. Die Priester haben sehr wenig gemeinsam mit den uns aus europäischen Kreisen bekannten Geistlichen. Sie leisteten in ‹Karenni State› auch zu Kriegszeiten Hilfe. Mit einer guten Portion an Humor und Charme vollbringen diese ungewöhnlichen Menschen hier kleine Wunder», meint Schaumberger.

Ohne Vertrauen keine Zusammenarbeit

Alles begann 1996. In diesem Jahr habe sie der pure Zufall in ein Flüchtlingslager an der Thailand-Burma-Grenze geführt – ins Karenni Camp 5, das damals offen zugänglich war. Nach einem Monat Zusammenleben mit Familien aus der Karenni-Minderheit habe eine Freundschaft mit vielen dort ansässigen Aktivist_innen begonnen. Nach weiteren Besuchen und immer intensiverer Beschäftigung vor allem mit den politischen Hintergründen dieser Tragödie gründete Gabriele Schaumberger 2006 den Verein «Burmahilfe». Als Quereinsteigerin in der Entwicklungszusammenarbeit habe sie vieles von den Vertreter_innen der im Binnnen-Exil lebenden Gruppen gelernt – «ein leider noch immer unüblicher Zugang zum Helfen«, meint die Salzburgerin.

Ohne Vertrauen keine Zusammenarbeit – das sei ihre erste Lektion gewesen, die sich als sehr fruchtbar erwiesen habe: «Es erfordert Zeit, um Menschen und deren kulturellen Hintergrund kennenzulernen und zu respektieren. Ich versuche, direkt von den Flüchtlingen deren Bedürfnisse zu erfahren und gemeinsam Hilfe dorthin zu leiten, wo sie am nötigsten ist. Die Projekte wurden meist von den Flüchtlingen selbst initiiert, und unsere Position als Verein ist die des Vermittlers: Wir kümmern uns um die Finanzierung und die damit verbunden bürokratischen Abläufe.»

Schaumberger zur Philosophie der «Burmahilfe»: «Die im Laufe der vergangenen 20 Jahre erworbenen Einsichten in die komplexen Probleme Burmas und seiner Minderheiten sowie der persönliche Kontakt zu den aktivsten Mitgliedern der Minderheiten ermöglichte mit geringstem finanziellem Aufwand ein Maximum an Unterstützung. Wir lernen wohl mehr von diesen wunderbaren alten Kulturen, als wir ihnen je vermitteln können. Ich wünsche mir, dass auch andere Hilfsorganisationen den Wert direkter Zusammenarbeit mit den Betroffenen als einzig wirklich nachhaltige und sinnvolle Entwicklungszusammenarbeit erkennen».

Im Westen wird vom demokratische Wandel in Burma gesprochen und von lernfähigen Militärs, die die Macht abgegeben hätten. Gabriele Schaumberger ist dennoch vorsichtig in ihrer Prognose. Sie zitiert den schwedischen Journalisten und Burma-Kenner Bertil Lintner: «Bei aufmerksamem Lesen der 2008 verabschiedeten Verfassung wird klar, dass Burma in absehbarer Zeit keine echte Demokratie werden kann, sondern ein dünn verkleideter autoritärer Staat, mit dem die USA und der Westen zynisch leben können, um so dem Einfluss Chinas entgegenzuwirken.» Die Verfassung von 2008 festige den Status der Militärs als oberste Instanz, die in jedem Fall das letzte Wort hat. Auf dieser Verfassung basiere die «Demokratie». Präsident Thein Sein habe zwar bereits mehrmals einen landesweiten Waffenstillstand ausgerufen, der aber von der Armee ignoriert worden sei. Das derzeitige Regime sei eine vom ehemaligen Diktator Than Shwe (inzwischen im Ruhestand) handverlesene Clique von Generälen, die ihre Uniform gegen einen Anzug eintauschten.

Und doch: «Der demokratische Prozess ist irreversibel», meint die Flüchtlinghelferin aus Österreich: «Das Gesamtklima im Land ist entspannter als noch vor wenigen Jahren. Deshalb wagen sich erstmals mutige Bürger für ihre Rechte einzutreten. All dies sind Zeichen für einen demokratischen Wandel, der in den Köpfen der Menschen begonnen hat. Trotz der kritischen Phase und einiger Rückschläge wird sich Burma weiter entwickeln. In vielen Städten gibt es heute normales Leben, während in den Randgebieten noch gekämpft wird. Die Menschen im Land sind kriegsmüde, alle wollen Frieden – aber nicht um jeden Preis. Deshalb wird es noch einige Jahre dauern, bis sich ein halbwegs stabiles System etabliert hat, das sich an die neuen Spielregeln hält.»

Im Sommer arbeiten Gabriele Schaumberger und ihr Lebensgefährte auf einem Schutzhaus in den Schweizer Alpen. Burma ist weit weg, aber doch auch wieder nicht. «Wir haben auf der Hütte, die 80 Schlafplätze bietet, einen Infostand eingerichtet und verkaufen kleine Souvenirs an die Hüttengäste. Mit dem Erlös können wir dann spontan Direkthilfe leisten. Oft muss ich mich neben der Arbeit in der Hütte um dringende Aufgaben in der Projektarbeit kümmern, das geht manchmal an meine Grenzen.»

Infos

Burmahilfe

 c/o Gabriele Schaumberger, info@burmahilfe.org

0 699/195 277 26

Erste Bank, Burmahilfe, BLZ 20111, Kto.-Nr. 2866 2744 200

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