Im Prinzip Anna MaboArtistin

Musikarbeiter unterwegs … mit hinigen Radios, Hunden, der Liebe und Autos

Oft braucht es nicht mehr als eine Stimme, kleines Instrumentarium und keine zwei Handvoll gute Lieder – wie beim Debütalbum dieser 22-jährigen Künstlerin. Text: Rainer Krispel, Foto: Mario Lang

Musikmachen ist mit das Schönste auf der Welt, versuchen Sie es ruhig! Umso schöner, wenn mensch dabei in den Pausen andere Musik zu hören bekommt. Wie bei den Proben einer sporadischen Formation unter Musikarbeiterbeteiligung, jährlich absolviert. Gitarrensubstitut Alex Miksch spielte 2018 sein damals noch kommendes Album Nur a Opfe in begeisternden Kostproben vor, im Juni 2019 warf Walther Soyka das Studio an und ließ unglaubliches dort Eingespieltes hören. Ein nicht ganz 8-minütiges Stück namens prekariat («weil du musst kämpfen und du musst leiden/ich musst leider nix von beidem/am sonntag in die kirche im urlaub raus ans meer/wo nehm ich meinen abgrund her»), papa, das in gut vier Minuten mehr über das Verhältnis von Kindern und Eltern, deren Sich-voneinander-Lösen, verstehen macht als viele dicke, kluge Bücher, nicht zuletzt wagner, 8 Minuten lang. Als Ouvertüre eröffnet wagner der Track oma hat die susi so geliebt, auf dem sich die erwähnten Songs mit sechs weiteren – alle super! – finden. Das erste Album einer Musikerin, von der wir sicher noch viel mehr hören werden, Anna Mabo.

Ich muss mich daran gewöhnen, dass meine Sehnsucht alleine ist.

Beim Versuch, den Zauber dieser Lieder wiederzugeben, pumpert die Musikarbeitersprache an Grenzen. Für sich sind die Bestandteile, simple Akkorde, übersichtlich arrangiert/instrumentiert und Texte, die unverblümt, unverstellt und unprätentiös in klaren Sätzen aus dem vermutlichen Erleben Annas erzählen, eher ein Rezept für Langeweile – des scho wieder! Tatsächlich macht hier aber ein ganz spezieller Tonfall eine ganz spezielle Musik. Singt sich Anna Mabo, die sich in prekariat als «eine Mischung aus Qualtinger und Britney Spears» beschreibt, fast wie von selbst an und in die Hörer_innen. Fragt sich der analysefreudige Vielhörer gerade noch, wie das jetzt eigentlich geht, dass diese Lieder nicht zusammenbrechen, ist er flugs voll dabei. Lacht da über einen Satz und wünscht dort, dass er Befindlichkeiten so unique formulieren könnte, ganz bei und aus sich, zugleich mit einer eben nicht geschissen ironisierenden Distanz. Was diese Lieder so lebensbejahend, lebensredend macht, ihnen erlaubt, heftigere Gefühle zu behandeln, ohne im Jammertal zu versinken oder sie nur oberflächlich zu berühren, wie im Titellied mit dem Verlust der Oma und deren Hund. «Ich habs tatsächlich lang nicht als Musik gesehen, sondern als Kommunikationsmedium», erzählt Anna, die unter ihrem eigentlichen Familiennamen Marboe als fertig studierte Regisseurin am Theater arbeitet, über den Weg zu ihren Liedern. Mit dem Vater wurden wegen dessen Hang zum rhythmisierten Dichten gereimte SMS ausgetauscht («kein Reim – keine Antwort»), mit der Sprachaufnahmefunktion wurden daraus Lieder als klingende Alltagsreflexionen.

So verschieden sind die Menschen dann doch nicht.

Der Freund als häufigster Adressat dieser Lieder drängte in Richtung Eigenentlastung und potenzieller Fremderfreuung. Dem Rat «schreib das auf» (dabei vertraut Anna sich auch gerne selbst, man höre das konkret feministische Meisterstück vielleicht ist das radio einfach hin) folgte ein erstes vernehmliches musikalisches Lebenszeichen im Februar 2018. zuhaus in ottakring findet und lohnt sich im Netz: «aber manchmal in Ottakring/vermisse ich das Meer sehr.» Anna: «Flashig – vermeintlich private Geschichten sprechen andere Menschen an, so verschieden sind die Menschen dann doch nicht.» Ein Eindruck, der sich mit einem ersten Liveauftritt im Rahmen eines Singsongsound Slam verstärkte. papa erwischte die Menschen («papa das ist doch nur ein kratzer/papa das ist doch nur ein bissi blut/papa dafür brauch ich doch kein pflaster/papa das ist morgen wieder gut»), Annas Peter-Bursch-Gitarrenbuch/Pfadfinder_innen-Saitentechnik («Ich schau schon Fingerpicking-Tutorials auf YouTube») tat (und tut) der Wirkung ihrer Musik keinen Abbruch. Ein schon geäußerter Vergleich mit Fanny Van Dannen darf (im Detail ungenau) als früher Ritterinnenschlag gelten. Wir lechzen letztlich immer nach pointiert und dicht erzählten Geschichten zur (und in der) Musik. Dass jedes ihrer Lieder dabei von einem «realen Moment» angestoßen wird, wie Anna sagt, ohne dass dieses «Reale» die Lieder durchdiktieren muss, macht ebenso gespannt auf zukünftige Songs, wie ein sich womöglich veränderndes musikalisches Gewand. Was nicht erzwungen werden muss, weil das schon jetzt sehr super und heftig schön ist. «meine ruhe trinkt ein bier/sagt reisst euch zam ihr wappler/es is noch nicht mal vier/wo ist denn die liebe brüllt sie/wenn man sie mal braucht/die liebe ist auf urlaub/wo sie sich ins koma sauft» (wagner).

Anna Mabo: die oma hat die susi so geliebt (BaderMolden Recordings)
Live-Präsentation:
Mo, 30. 9., Chelsea
www.badermolden.com/anna-mabo