Jahre und TageDichter Innenteil

Das Jahr hat bekanntlich 365 Tage (abgesehen von Schaltjahren), aber diese Anzahl ist viel zu knapp für unsere mannigfachen Gedenktage.Ich spreche nicht vom Vater-, Mutter- oder Kindertag, das geht gerade noch. Am Welttag des Kindes habe ich mich sogar narrisch gefreut, weil er exakt an meinem Geburtstag gewesen ist. Aber da gibt es einen Weltspartag, Weltflüchtlingstag und den Weltnichtrauchertag. Letzteren habe ich gebührend begangen, indem ich nicht geraucht habe. Ich bin nämlich Nichtraucherin. Ich lebe notgedrungen sehr sparsam, deshalb war mein Weltspartag ein Tag wie jeder andere. Nur am Weltflüchtlingstag habe ich ernsthaft überlegt, ob ich in einen anderen Bezirk, in eine andere Stadt, in ein anderes Land ziehen soll. Aber siehe «sparen» – es ist sich finanziell nicht ausgegangen. Eine Flucht wäre aber angezeigt, weil es am Internationalen Tag gegen Lärm (seit 1995) wahrscheinlich wieder besonders laut zugehen wird. So wie am Europäischen Tag des Windes, der absolut nichts mit Blährungen und Flatulenz zu tun hat.

Der Mondtag kann mitunter auf einen Dienstag fallen und ist wichtig für den Haarschnitt.

Der April ist richtig anstrengend, denn da ist der Wiener Diabetestag, der ebensolche Schmerz- und der Krebstag. Bitte nicht auf den Welt-Parkinson-Tag und schon gar nicht auf den Alzheimer- und den Welt-Allergie-Tag zu vergessen. Der Weltnudeltag am 25. Oktober muss ebenfalls alle Jahre gefeiert werden. Wer glaubt, dass man sich nach anstrengenden Tagen nachts erholen kann, ist wirklich naiv. Denn da ist doch die Nacht der Philosophie, die Nacht der keltischen Feuer und sicher auch die der Kaffeehäuser und die Kriminacht. Da ist mir die lange Nacht der Kirchen und die lange Nacht der Kabaretts (bitte, das ist zweierlei) schon lieber. Und dass ich nicht auf die lange Nacht der Forschung vergesse.

 

Bei Licht zu Fuß

 

Manches ist verwirrend. Also bitte, war 2015 das Internationale Jahr des Lichts oder das Jahr des Zu-Fuß-Gehens? Na gut, ich gehe meistens bei Licht zu Fuß.

Allmählich bringe ich alles durcheinander. Wann ist denn jetzt eigentlich der Tag der Astrologie und wann der Tag der Sonne? Und ist der Verkehrstag (hat nichts mit Sex zu tun) schon gewesen oder kommt der erst? Man müsste die Forschungsgesellschaft Straße-Schiene-Verkehr fragen.

Also, die Woche des Zeitungslesens kann mir gestohlen bleiben, ich lese täglich unaufgefordert die Zeitung. Aber der Tag des Schlafes hat mir gut gefallen, da bin ich im Bett geblieben. Jetzt ernsthaft: Dass der 12. März 1938 der Tag der Schande war, ist mir geläufig, und dass der Tag der Straßenkinder immer wichtiger wird, ist sonnenklar. Ebenso, dass ich am Darmtag Durchfall hatte. Apropos Sonne, die hat natürlich auch ihren Tag. Aber wer weiß, wie lange noch – unser Klima wird sich bald verfinstern. Dann gibt es vielleicht den Tag der Bräunungsstudios. Denn dort ist man für nur 29 Cent in der Stunde der Solar-Sonne sehr nahe. Vielleicht kommt dann statt des Weltwassertages der Weltdürretag, was weiß man.

Der Weltbodentag soll auf bodenlose Verschwendung hinweisen, aber was soll ich mit dem Welttag der Fremdenführer, dem Welttoilettentag oder gar dem Welt-Nougat-Tag anfangen? Oder mit dem Internationalen Hurentag?

Ich halte das nicht mehr aus. Zu ihrer Aufklärung: Die Faltertage haben nichts mit einer Zeitung zu tun, da soll man einfach nur Schmetterlinge fotografieren.

Gut, den Töchtertag gibt es schon lange, aber wo bleibt der Söhnetag?

Und erst die Jahre – was soll das, was bringt es uns?

Einmal war das Jahr des Medizintourismus, einmal das Jahr der Astronomie, einmal das des Waldes, wobei ich den Wald sehr lieb habe.

Natürlich wird alljährlich der Schauspieler, der Sportler, das Insekt, das Reptil – sogar das Tier der Woche gekürt. Und jeden Sommer eine Eissorte. Wird es heuer wieder Apfel- oder gar Mangoeis?

Was ich hier zelebriere ist gut für die grauen Zellen. Leider habe ich mir nicht gemerkt, ob der Tag der Lunge im Monat der Brustgesundheit gewesen ist.

Aber ich habe noch im Kopf, dass einmal die Würfelnatter das Reptil des Jahres war, und zwar in dem Jahr, in dem der Fußballer des Jahres Ronaldo geheißen hat. Beide sind ungiftig.

Eines weiß ich ganz gewiss, 2015 war die Zwiebel Heilpflanze des Jahres! Da habe ich natürlich viel weinen müssen.

 

Haydn, Wagner, Sinatra

 

Aber am Lotterien-Tag möchte ich dafür einmal eine Viertelmillion aufrubbeln.

Jetzt kommt´s auf die Bildung an, denn je nach Geburts- oder Sterbetagen wird einmal der Joseph Haydn oder der Richard Wagner gefeiert, 2015 wird es wohl der Frank Sinatra gewesen sein. Ist unser Leben, sprich der Kalender nicht vielfältig und spannend!

Damit sie wissen, was im Schaltjahr 2016 auf uns zukommt, ein kleiner Vorge- schmack. Die UNO hat das Jahr der Hülsenfrüchte ausgerufen, und es wird scharf zugehen, denn Chili und Paprika werden geehrt, ebenso die Schlüsselblume und der Stieglitz. Und es wird wieder sauer, denn ein Jahr ohne Wiener Zitrustage ist nicht denkbar.

Alle Jahre wieder kommt nicht nur das Christuskind, auch der Weltnashorntag.

Bitte schützt diese vom Aussterben bedrohten Tiere. Und küsst, was das Zeug hält, genau am 6. 7. 2016, das ist Welttag des Kusses.

Lieber Gott, verzeih’ mir, ich habe vergessen, den Weltgebetstag zu erwähnen.

Aber nachdem unser Papst unlängst das Jahr der Barmherzigkeit ausgerufen hat (davor war es das Jahr der Orden), wirst du sicher ein Auge zudrücken.