Kaffee mit Ingwer und Honig (3)Dichter Innenteil

© Silke Müller Sein Ehering war immer noch auf seinem langen, dünnen Finger, obwohl sich jede Pore nach mir sehnte

Bedauerlicherweise fehlte ihm der Mut, schließlich war er wiedergeborener Pfingstler, und wenn man es je versuchen sollte, dann müssten er sie, die Geliebte, in einer Heiratszeremonie weihen, was eine schwere Aufgabe war bei so vielen noch freien Schwestern und vor allem, was im noch mehr Steine auf den Liebesweg legte, gab es diese vielen religiösen Lehrer, die ihm Gebote stellten, die kaum zu bewältigen waren, sie selber rührten aber ihre Finger nicht. Er aber wurde mit den Jahren ihr Sklave, ohne es zu merken.

Dennis besaß eine seltsame Macht über die vielen einsamen Töchter, die genauso wie er ihre trostlosen Schicksale mit ihm teilten, denn binnen kürzester Zeit waren viele in ihn verliebt. Sie alle wollten ihn heiraten. Ich glaube, dass es nicht so schwer war für Dennis, ein christlicher Frauenheld zu werden. An diesen Männern mangelt es in den Gemeinden.

Wegen ihm gab es ab und zu grobes Schubsen unter vertrauten Schwestern. Für ihn war es nur ein Spiel, um am Ende doch seinen Ehering zu präsentieren. «Schaut her, ich bin doch vergeben!» Ob er rachsüchtig war, ein Frauenhasser und Vergeltung übte an allen diesen armen Wesen für seine langen Schmerzen, die ihm seine liebe Frau zufügte? Die seit 16 Jahren nie an seiner Seite gesehen worden war. Die sein Hotel in Frankreich an sich gerissen hatte, und er landete auf der Straße mit einem kleinen Koffer und als Krönung durfte er ihre Anwaltsrechnungen bezahlen. Er, verblendet von seinem Eheeid, schwor, bis dass der Tod sie scheide, treu zu bleiben mit seinem Körper, während sein Herz viel zu oft fremdging. Dieser witzige Kerl könnte jede von ihnen haben, doch er blickte ständig mit dem Fernglas hinter sich.

Für seine Seelen-Peinigung gab er die Ausrede «für Gottes Ehre» an. Jeder vernünftige Mensch würde dieser Frau für immer Rücken kehren, doch Dennis nicht, er hatte noch immer Hoffnung, dass sie eines Tages wieder zurückkommen würde und es so wird, wie es früher war.

Bedauernswerter Kerl, ich so wie die anderen wussten, dass dies nie geschehen würde. Doch er gab die Hoffnung nie auf. Ein Märtyrer seiner Vergangenheit.

 

Etwas uns beiden Gemeinsames

 

Seltsam, wir hatten etwas uns beiden Gemeinsames, er sein Vertrauen auf eine Vergangenheit, die Gott in Zukunft wiederbeleben sollte, und ich hoffte auf eine Zukunft von einer unerfüllten Vergangenheit her.

Die Tatsache war, dass wir beide auf Gottes Verheißung warteten. So schlug ich ihm vor, dass es nicht schlecht wäre, wenn wir gemeinsam auf seine Frau und auf den Mann, den mir Gott verheißen hatte, warteten. Doch dann passierte in unserer beharrlichen Zeit etwas, was ich seit Jahren vergessen hatte, meine feminine Seite und sein männliches Herz meldeten sich.

In diesen vier Jahren unserer platonischen Freundschaft schlich sich etwas, was uns beide überraschte, in unsere trockene Wüste. Die sehnsüchtigen Herzen drängten sich nach vorn und überwältigten jeden Augenblick unserer damaligen Freundschaft. Was jetzt? Ich fing an, ihm Liebes-SMS zu schreiben, während er die Flucht ergriff. Aus war es mit unserem gemeinsamen Warten.

Ein jeder vernünftige Mensch müsste wissen, dass eine platonische Mann-Frau-Beziehung der beste Boden für eine große Liebe ist. Doch im diesem Fall gab es eine schmerzhafte Erkenntnis: Ich liebte einen Gefangenen …

In den letzten Tagen, bevor er nach Belgien zog, erinnere ich mich, war er oft müde und erschöpft: Ich fragte ihn, ob etwas in der Nacht passiert sei, dass er so abgeschlagen sei, er blickte mich nur an und rief verstört «Ah nicht!» Ich ahnte, dass er wieder einmal von Liebessehnsucht gepeinigt war.

Doch die Vergangenheit hielt ihn, sie war unbarmherzig, sie verschlang jeden seiner Wünsche, sie war wie eine alte böse Zauberin, die sich immer satt aß an seiner Sehnsucht, sie verdammte ihn und gleichzeitig drängte sie ihn, sich nach meinen Lippen zu sehnen, um ihre alten runzeligen zu küssen, damit sie wieder Kraft bekam, unsterblich für ihn zu sein.

Nicht einmal Amor hat so viele Pfeile, um sie nach ihm zu schießen, ihn zu überzeugen, dass die Vergangenheit dort weit hinter ihm lag, um endlich sein Herz zu öffnen und zu erkennen, dass Liebe und Glück im Augenblick sind.

Ich entdeckte einen seltsamen Glanz in seinen Augen, einen Schein, den ich früher nicht in seinem Inneren sah. Er sah jedes Mal verändert aus, seine Gesichtszüge wurden weicher und seine Stimme sanfter, wenn er mir begegnete. Alle sahen seinen veränderten Gesichtsausdruck, wenn er in meiner Nähe war, auch Jovana. Für mich gab es jetzt keinen Tag mehr, an dem ich nicht an ihn dachte, leise schlich er sich in mein Herz.

Martin sah ich in den vielen Jahren nicht mehr und ich denke, wenn man einer Sahara gleicht, genügt eine winzige Wolke, um eine Fata Morgana zu erschaffen.

Dennis war eine.


Zu spät eine Notbremse zu ziehen

 

Wie auch immer; sein Ehering war immer noch auf seinem langen, dünnen Finger, obwohl sich jede Pore nach mir sehnte. Es war wie ein verfluchter Ring, der immer dabei war, alles was schön war zu zerstören wie mit einer seltsamen Macht gebunden. Ich wusste selber nicht, warum ich mich auf dieses Spiel einließ. Ich denke, wenn man anfängt, jemanden zu lieben, dann ist es zu spät, eine Notbremse zu ziehen. Besser ein unglückliches liebendes Herz als ein Herz ohne Liebe. Es waren viele Jahren vergangen bei uns beiden, ohne einen geliebten Menschen, mit dem man Gutes und Schlechtes teilte, jemand, der dich liebt, so wie du bist, mit Maske oder ohne, geschminkt oder ungeschminkt, dumm oder klug, krank oder gesund, reich oder arm. Diese große Wehmut der Sehnsucht trug ihre Früchte in uns beiden. Wie zwei riesige Wüsten ohne Regen, die trockenen Pflanzen von der Sonne der Sehnsucht verbrannt.

Ich war bereit, für ihn den Mond von Himmel zu stehlen, wenn er nur dafür gekämpft hätte, doch er blieb dabei, seine weiße Fahne der Vergangenheit zu erheben, um sich für immer mit ihr an sein verwundetes Herz zu binden.

«Für Liebe braucht man Mut», hörte ich einmal jemanden sagen. Obwohl Dennis so viele feine Charakterzüge besaß, das Wichtigste, was er brauchte, um dieses Leben mit zwei Armen zu empfangen, besaß er nicht.

Immer wenn er es anhatte, dieses unsichtbare Kostüm, stieß er uns für Monate weg, um uns dann nach langer Zeit wieder mit sehnsüchtigen Augen zu begegnen. Ich fühlte mich verletzt und abgelehnt. Am meisten tat es mir leid für Jovana, denn sie hatte ihn sehr lieb gewonnen.

Wir beide wurden müde von seinem Pingpong-Spiel.

Ein paar Monate danach verließ Dennis Wien und ging nach Belgien.

Wir haben ein paar Mal noch telefoniert und er gestand mir seine große Sehnsucht nach mir. Als ich ihn in den Ferien besuchen wollte, bekam er Angst und rief: «Es ist besser, nicht!»

Kurz danach kam er nach Wien, schlief in der kleinen Gemeinde. Ich kochte ihm sein Lieblingsessen Falafel, überreichte sein Geburtstagsgeschenk unserem gemeinsamen Freund Isaak. Ich aber erschien nicht, ich weiß nicht, ob es ein Fehler war, dass ich es für besser hielt, ihm nicht zu begegnen. Jedenfalls sagte mir Isaak: «Als er das Geburtstagsgeschenk bekam, war sein Herz sehr berührt. Er rief mir zu: ‹So lange ich lebe, werde ich für sie beten›, und seine Augen füllten sich mit Tränen.»

Danach habe ich versucht, ihn wieder anzurufen, doch die Nummer gab es nicht mehr und auf E-Mail antwortete er nicht. Ich denke oft an ihn, und wenn ich bei der Luftbadgasse vorbeifahre, wo er gewohnt hatte, wird es um mein Herze warm, ich höre ihn, wie er lacht, und spüre, wie er mich mit seinen Augen küsst. Ob er der verheißene Man war, weiß ich nicht. Ich weiß nur, dass ich für lange Zeit den Namen Dennis mit Seufzen aussprechen werde …

 

Gewidmet meiner unerfüllten Liebe Dennis

 

Teil 1 und 2 erschienen in Augustin Nr. 503 und 505

Teil 1

Teil 2